BLOGBEITRAG

19. Februar 2011 · 13 Kommentare

Böhmische Semmelknödel mit Biohefe

Böhmische Semmelknödel mit Biohefe

Böhmische Semmelknödel mit Biohefe

Vor einiger Zeit verirrte sich eine kleine Portion Gänsebraten, ein Relikt der Weihnachtstage, in meinen Tiefkühlschrank. Als er aus dem Tiefschlaf erlöst werden sollte, fehlte mir noch die passende Beilage. Sie sollte unbedingt aus Mehl und Hefe bestehen. Ich brauchte ein Rezept, mit dem ich das Verhalten von Biohefe testen konnte.

Warum Biohefe? Auf das Thema gestoßen bin ich durch eine Diskussion in Ketex‘ Forum. Konventionelle Hefe wird offensichtlich mit einem Verfahren hergestellt, bei dem sehr viel, sehr belastetes Abwasser entsteht und nicht unbedingt von Vorteil für die Umwelt ist. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass gentechnisch veränderte Substanzen im Verarbeitungsprozess beteiligt sind.

Gesiegt hat letztlich aber nicht ausschließlich der Umweltschutzgedanke, sondern die Neugier. Die Biohefe gibt es in guten Reformhäusern oder Naturkostläden, wie ich einen um die Ecke habe. Biohefe wird aus Stämmen gezüchtet, die ausschließlich mit Getreidemehl gefüttert werden. Der Nährboden der Hefe besteht aus Weizen und Weizenkeimen. Auch werden keine gentechnisch veränderten Enzyme zugesetzt.

Die Biohefe sieht etwas dunkler als ihre herkömmliche Verwandte. Sie ist außerdem etwas weicher, ganz schwach schmierig und nicht so bröckelig wie die normale Frischhefe. Sie duftet angenehmer, aromatischer, intensiver. Dieser Duft breitet sich dann auch im Teig aus.

Der wesentlichste Unterschied in den Backeigenschaften scheint in der Zeitspanne zu liegen, in der die Hefe in Fahrt kommt. Bis der Teig anspringt, dauert es nach meiner Beobachtung deutlich länger als mit herkömmlicher Hefe. Deshalb habe ich im Rezept auch eine relativ lange Gare angegeben.

Warum nun eigentlich Böhmische Semmelknödel? Ich habe einen Großteil meiner Kindheit nahe der tschechischen Grenze verbracht und bin dort natürlich auch mit der böhmischen Küche in Kontakt gekommen. Ich mag die sehr bodenständige, einfache Art. Knödel gehören dort auf den Teller wie bei uns die Kartoffeln oder Klöße. Während herkömmliche Semmelknödel ohne Mehl und in runder Form auf den Teller kommen, haben böhmische Semmelknödel die Eigenart, aus einem Hefeteig in lange Laibe geformt und in Scheiben gereicht zu werden.

Es gibt eine Vielzahl an Rezepten im Internet. Besonders authentisch finde ich das Rezept von Karen, die in Prag studiert hat und (so vermute ich) aus Tschechien stammt. Wer schon eine Weile den Plötzblog liest, wird wissen, dass ich kein Rezept unverändert lassen kann. Und so habe ich auf Karens Rezeptgrundlage eine neue Kreation geschaffen, von der ich absolut begeistert bin!

Statt altbackener Semmeln/Brötchen habe ich getrocknetes Brot verwendet. Ein Drittel der Menge habe ich bereits als Mehlzuschlag im Vorteig verarbeitet. Etwa die Hälfte des alten Brotes bestand aus Roggen-, die andere aus Weizenbrot. Der Roggenanteil hat noch etwas Geschmack gebracht. Außerdem habe ich die Flüssigkeitsmenge deutlich erhöht, den Hartweizengrießanteil gesenkt und stattdessen Weizenvollkornmehl verwendet.

Der Teig hat eine schwach bräunliche Färbung, genauso wie ich die Böhmischen Semmelknödel von damals kenne. Er riecht verführerisch, teils fruchtig, teils erdig. Vielleicht liegt es tatsächlich an der Biohefe, sicher aber auch am getrockneten Brot, das durch das Aufmahlen für den Vorteig und das Einweichen in Milch seine Aromastoffe freigibt.

Der Semmelknödel-Teig nach der 2,5-stündigen Gare

Der Semmelknödel-Teig nach der 2,5-stündigen Gare

Die Teiglinge haben im Wasserbad einen enormen Trieb. Die fertigen Laibe sind extrem locker, sehen schön rustikal aus durch ihre bräunliche Farbe, die durch kleine und große, dunklere und hellere Krümel oder Brocken des eingearbeiteten Brotes durchbrochen wird. Die Krume ist mittelporig und kann besonders viel Soße aufnehmen.

Die Teiglinge im Wasserbad mit starkem Trieb: Böhmische Semmelknödel

Die Teiglinge im Wasserbad mit starkem Trieb: Böhmische Semmelknödel

Die erste Hälfte eines Knödellaibes habe ich pur gegessen, so lecker war es. Zusammen mit der Bratensoße der Gans ein Traum.

Die Knödelscheiben können sehr gut eingefroren und später in einem Tuch über heißem Wasserdampf zubereitet werden.

Vorteig

  • 50 g getrocknetes Brot (fein gemahlen oder gemörsert)
  • 50 g Weizenvollkornmehl
  • 1 g Biofrischhefe
  • 100 g Milch
  • 0,5 g Salz

Hauptteig

  • Vorteig
  • 100 g getrocknetes Brot (grob gewürfelt)
  • 100 g Milch
  • 100 g Hartweizengrieß
  • 200 g Weizenmehl 550
  • 2 Eier (ca. 95 g)
  • 10 g Biofrischhefe
  • 10 g Zucker oder flüssiges Gerstenmalz
  • 8 g Salz
  • 125 g Milch

Die Vorteigzutaten gut vermischen, 2 Stunden bei Raumtemperatur anspringen lassen und 2-3 Tage im Kühlschrank aufbewahren.

Für den Hauptteig die Brotwürfel in 100 g Milch 15 Minuten einweichen. Ab und zu umrühren. Die Milch sollte vollständig aufgesogen sein.

Alle Zutaten außer dem getrockneten Brot 5 Minuten auf niedrigster Stufe mischen, dann 15 Minuten auf zweiter Stufe zu einem glatten, straffen Teig verarbeiten, der sich vom Schüsselboden löst.

Die Brotwürfel zugeben und zunächst von Hand unterheben. Dann 1-2 Minuten auf niedrigster Stufe vorsichtig einkneten.

2 bis 2,5 Stunden Gare bei 22-24°C. Das Teigvolumen sollte sich etwa verdoppelt haben.

Den Teig in zwei Hälften teilen, zu länglichen Laiben formen und abgedeckt 15 Minuten ruhen lassen.

In der Zwischenzeit Salzwasser in einem Topf mit großem Durchmesser zum Sieden bringen. Die Laibe hineingeben und mit Deckel 30 Minuten ziehen, nicht kochen lassen.

Die Laibe aus dem Wasser nehmen und sofort mit einem Bindfaden in Scheiben schneiden. Dazu den Faden unter den Laib schieben, beide Fadenenden nach oben heben, über dem Laib überkreuzen lassen und ziehen.

Material- und Energiekosten: 1,70 €

Zubereitungszeit am Backtag: ca. 4 Stunden

Die fertig geformten Semmelknödel-Laibe

Die fertig geformten Semmelknödel-Laibe

Wer seine Quellen angibt, schätzt die Arbeit Anderer wert. Ich habe in diesen Blog über zehn Jahre lang eine Menge Zeit, Kraft und Geist investiert und tue es immer noch. Deshalb bitte ich dich, bei jeder öffentlichen Nutzung meiner Ideen, Rezepte und Texte immer die konkrete Quelle anzugeben.

Willst du auf dem Laufenden bleiben, dann abonniere gern meinen kostenlosen Newsletter.

Möchtest du meine Arbeit am Blog unterstützen, dann freue ich mich auf DEINE HILFE.

Keine Kommentare

  1. Hallo Lutz,

    ich habe zwei Fragen zu diesem Rezept:

    1. Könnte ich Milch und Hefe aus dem Vorteig problemlos durch Hefewasser ersetzen?

    2. Ich habe italienischen Hartweizengrieß (Semola di Grano Duro Rimacinata), dieser ist feiner gemahlen und dürfte in etwa dem „Dunst“ entsprechen. Nehme ich für dieses Rezept dennoch wie angegeben Weizenmehl 550 dazu oder empfiehlt es sich, ausschließlich die Semola zu verwenden, und brauche ich dann wohl mehr Wasser?

    Vielen Dank für eine Antwort, ich freue mich schon auf die Knödel! 🙂

  2. Die Tschechen benutzen für ihre Knödel ein ganz spezielles Mehl, sogenanntes „polohrubá mouka“, ein halbfeines bzw. ein doppeltgriffiges Mehl.

    Gibt es damit Erfahrungen?

  3. Hallo Lutz,
    wir hatten den Knödel heute zur Martinsgans. Er ist gelungen und war wirklich gut. Trotzdem würde ich gerne ein paar Anpassungen machen.
    1.) Er ist mir etwas zu hefig. Wie könnte ich ein vergleichbares Volumen mit weniger Hefe hinkriegen? Doppelte Stockgare? 
    2.) das feine Altbrot ist mir zu dominant im Geschmack. Ich hätte den Knödel gerne etwas neutraler. Auf was weiche ich aus? Semmelbrösel? Vollkornmehl? 
    3.) Er ist mir noch zu feucht. Wie kann ich eine trockenere Struktur erreichen? (So kenne ich die Knödel aus Liberec) 
    4.) Ist der böhmische Semmelknödel nicht eigentlich ein ‚Serviettenknödel‘?
    Hat es einen Grund, dass Du ihn nicht im Tuch gegart hast? 
    Mit vielen neugierigen Grüßen, Calle

    • Hallo Calle,

      1. Ja, 3-4 g Hefe insgesamt reichen. Die Stockgare verdoppelt sich vermutlich, je nach Hefe ;-).
      2. Ja, neutrale ungeröstete Semmelbrösel oder einfach weglassen und etwas weniger Milch verwenden.
      3. Da hilft es nur, den Teig fester zu machen.
      4. Das weiß ich nicht genau. Das mit dem Tuch ist mir zu aufwändig gewesen. Einfach ins Wasserbad und gut ;-).

  4. Ich arbeite auch in einer Bäckerei und wir haben auch eine Sorte BioBrot.
    Als die jährliche Prüfung wieder anstand und die Leute von der Öko Bio stelle kamen um zu gucken wie wir die Bio Ware lagern, wann wir es verarbeiten und mit welchem Streumehl wir arbeiten haben wir die mal gefragt ob man Biohefe verwenden muss. Die antwort lautete „Nein“ da Hefe ein Organismus ist und sich selbst vermehrt und nicht aus zutaten hergestellt wird die wir selber anpflanzen und mit dünger und pflnzenschutzmitteln besprühen. Für mich ist BIOHefe nur wieder geldmacherei. (auch wenn Hefe sehr günstig ist finde ich es trotzdem schwachsinn das wieder irgendetwas auf den markt geworfen werden muss) Wenn Sie solche Leute kennen können Sie ja gerne mal nachfragen ob man Biohefe benutzen muss wenn man ein Biobrot herstellen will. Würde gerne mal eine 2te meinung höhren.

    • Nun, es kommt auf das Ziel an. Wenn ich ein BIO-Brot herstellen möchte, nicht aus Marketinggründen, sondern aus innerer Überzeugung, dann verwende ich natürlich auch Biohefe. Es geht bei „Bio“ ja nicht nur um Geschmack (der ist bei Bäckereiprodukten in Bio nicht wesentlich unterscheidbar zu konventioneller Ware), sondern vor allem um die Herstellungsweise der Bioprodukte, um die Auswirkungen auf die Umwelt, auch langfristig. Und da hat die Biohefe entscheidende Vorteile gegenüber der konventionellen Hefe, insbesondere was chemische Abfälle angeht, die bei der Herstellung konventioneller Hefe entstehen.

  5. Grade auf  Suche nach einer besonderen Beilage zu Gulasch fiel mir doch ein, dass ich da mal was, bei Dir gesehen hatte 🙂 Frage nun: was muss ich beim Einsatz konventieneller Hefe beachten? Mengen beibehalten, Gehzeiten verkürzen oder die Mengen reduzieren und die Gehzeiten beibehalten? Herzlichst Nadja 

  6. gerade heute wieder böhmische knödel gegessen 🙂
    ich hoffe ich finde mal die zeit, diese lecker aussehenden knödel nach zu machen.
    vielen dank für das tolle rezept!

  7. … und wo bleibt der Gulasch??!!

Ein Pingback

  1. […] des Netz auf die Suche nach einem Rezept für einen solchen Knödel. Fündig wurde ich endlich beim Plötzblog, Lutz‘ Rezept vereinte sowohl die Brötchen als auch den Hefeteig, so wie ich dies […]

Schreibe einen Kommentar

Sidebar ein-/ausblenden