Auf der Walz durch das Brotland

Mein Reisebericht

Mit der Abreise aus Kiel am Abend des 19. April 2011 endete meine kleine Walz, die mich 18 Tage lang durch die deutsche Brotlandschaft von Bayern bis nach Schleswig-Holstein geführt hat. Mit 30 kg Gepäck auf dem Rücken und einer Menge Neugier im Kopf wollte ich vier Hobbybrotbäcker und zwei Bäckereien besuchen, Ideen und Wissen austauschen, neue Techniken und Rezepte kennen lernen. Neben dem Backen wollte ich vor allem Deutschland entdecken. Und so hatte ich mir je 15 – 30 km Fußmarsch vor und nach jeder Zielstation vorgenommen (insgesamt 400 – 500 km). Am 2. April begann ein ganz besonderer Urlaub …

Über Furth im Wald nach Nach Bad Kötzting

Nachdem ich am 1. April alle großen Dinge (Zelt, Schlafsack, Isomatte, wetterfeste Kleidung) und auch die kleinen (Geologenhammer – darf nie fehlen!–, Taschenlampe, Messer, mein Wanderbrot, Äpfel, zwei Flaschen Wasser etc.) gepackt und auf erschreckende 30 kg Gewicht gekommen war, blieb am folgenden Samstag nichts weiter zu tun als in den Zug nach Furth im Wald (Bayerischer Wald) zu steigen. Dort sollte meine Wander- und Nahverkehrstour beginnen.

Angekommen in brütender Mittagshitze, machte ich mich auf den Weg nach Bad Kötzting, ca. 20 km entfernt. Weshalb die Stadt den Beinamen „im Wald“ trägt, blieb mir ein Rätsel. Ein Baum wäre mehr als hilfreich gewesen, um mich wenigstens ein bisschen abzukühlen. Nach etwa 12 km hat ein älteres Ehepaar offensichtlich meinen roten und schweißgebadeten Kopf gesehen und mich in seinem alten VW nach Bad Kötzting mitgenommen. Vielen Dank unbekannterweise für die tolle Hilfe!

Auf dem Zeltplatz in Bad Kötzting habe ich erste Druckstellen und Schürfwunden entdeckt, die der Rucksack an meinem Rücken hinterlassen hatte. Trotz aller Erschöpfung wollte ich nach der verdienten Dusche unbedingt noch eine Runde durch die Stadt drehen, ein Eis essen und mir die inzwischen etwas kühler wirkende Luft um die Nase wehen lassen. Wie auf der gesamten Reise war ich auch in Bad Kötzting der erste und einzige Camper mit Zelt. Nur ein paar hartgesottene Dauercamper holten ihre Sommerresidenz aus dem Winterschlaf.

Nach Geiersthal zu Petra

Am 3. April ging es weiter nach Geiersthal, der ersten Brotbackstation: Petra Holzapfel von Chili und Ciabatta. Früh 5.30 Uhr begann meine Wanderung über 25 km und durch herrlichen Wald, über nebelbedeckte Berge und sonnenbeschienene Weiden. Bis Viechtach, ungefähr die halbe Strecke hatte ich gut durchgehalten. Dann aber machte sich die Mittagssonne wieder bemerkbar und jeder neue Kilometer wurde anstrengender. Um 13 Uhr habe ich mit letzten Kräften Petra erreicht und mir fest vorgenommen, meinen Reiseplan etwas abzuändern.

Das Problem war nicht das Gewicht oder die lange Strecke, sondern der Rucksack. Ganz gleich, wie ich ihn gepackt und geschnürt habe, er drückte und schürfte an einer Stelle des Rückens immens. Wäre ich meine geplante Route damit weitergelaufen, wäre vom Rücken nicht mehr viel übrig geblieben. Deshalb die Planänderung: Mit Nahverkehrsmitteln würde ich ab sofort so nah wie möglich an die geplanten Stationen reisen und von dort aus mit einem kleineren Rucksack Tagestouren unternehmen, um die Gegenden zu erkunden. An der anvisierten Kilometerzahl sollte sich jedoch nichts ändern. Das würde meinen Rücken schonen, mir mehr Raum zum Entdecken und Genießen der Landschaften geben und mich zudem noch in die Lage versetzen, mit den anderen Hobbybrotbäckern in einer einigermaßen körperlich gesunden Situation zu backen. Schließlich sollte es Urlaub bleiben und nicht in eine Tortur ausarten.


Mit Petra habe ich am 4. April von 9 bis 16 Uhr gebacken. Einen besseren Tag hätte es nicht geben können: von morgens bis abends Landregen. Gebacken haben wir meine Baguettes nach Bouabsa, Knauzenwecken (um Petras Knauzenschießer zu testen), außerdem nach Petras Rezepten ein saftiges Sauerteigbrot mit Roggenschrotanteil, Osterpinzen (mit von mir verschuldeten Wirkfehlern…) und das Gunnison River Bread (ein wunderbar aromatisches Weizenbrot mit extrem wenig Hefe). Wie die vielen Facebook– und Blogkommentare unter Petras Backbericht schließen lassen, scheinen uns die Backwerke gut gelungen zu sein. Auch wir waren überwiegend zufrieden. Besonders lehrreich war das Gunnison River Bread. Jeder von uns hatte je einen Laib geformt (Petra oval, ich als Bâtard) und eingeschnitten (Petra gerade und quer zur Längsachse, ich mit zwei flachen Schnitten fast parallel zur Laibachse).

Im Ofen hat sich dann gezeigt, welchen beeindruckenden Einfluss die Schnitte auf das Brotvolumen haben können. Während Petras Laib zwar schön nach oben ging, aber sich die Schnitte nicht richtig öffnen wollten, rissen die Schnitte an meinem Laib stark auf. Mein Laib bekam ein deutlich größeres Volumen. Im Anschnitt zeigte sich später auch, dass Petras Laib eine wesentlich kleinere Porung aufwies als meiner. Die Brote wurden zum Abendessen allesamt verkostet und für sehr gut befunden. Von den Baguettes waren alle begeistert. 

Vielen Dank, liebe Petra und auch deinem Mann, für den wundervollen Aufenthalt und die traumhafte Verpflegung bei euch!

Backtag bei Petra: Baguettes, Knauzenwecken, Osterpinzen, Schrotbrot.
Das Gunnison River Bread im Vergleich. Linke Bildhälfte: das von mir eingeschnittene Brot mit großem Volumen. Rechte Bildhälfte: im Hintergrund mein Brot mit größerer Porung als Petras Brot (Mitte), das durch die nicht allzu tiefen Schnitte deutlich weniger Volumen hat.

Das Gunnison River Bread im Vergleich. Linke Bildhälfte: das von mir eingeschnittene Brot mit großem Volumen. Rechte Bildhälfte: im Hintergrund mein Brot mit größerer Porung als Petras Brot (Mitte), das durch die nicht allzu tiefen Schnitte deutlich weniger Volumen hat.

Das Gunnison River Bread im Vergleich. Links: das von mir eingeschnittene Brot mit großem Volumen. Rechts: im Hintergrund mein Brot mit größerer Porung als Petras Brot (Mitte), das durch die nicht allzu tiefen Schnitte deutlich weniger Volumen hat.

Bei der Bäckerei Luckscheiter in Ludwigshafen

Am nächsten Tag, Dienstag 5. April, ging es von Gotteszell per Bahn nach Leonberg, südlich von Ludwigsburg. Auf einem winzigen Zeltplatz umgeben von Flugzeuglärm, Autobahn und Bauarbeitern, die ihren Feierabend vorm Wohnmobil genossen, blieb ich dort eine Nacht, um am Mittwoch nach Ludwigsburg zur Bäckerei und Konditorei Luckscheiter zu wandern. Dort wurde ich sehr herzlich empfangen, habe ein köstliches Frühstück genossen, hausgemachte Schwäbische Maultauschen gegessen und durfte mir gleich die an das charmante Café und Stammhaus angeschlossene Konditorei ansehen. Verführerische Torten, detailverliebt dekorierte Osterleckereien und köstlich duftende Pralinen aus der eigenen kleinen Manufaktur – das reinste Paradies. Am Nachmittag hat mich Familie Remmele, die das seit über 100 Jahren bestehende Familienunternehmen führt, auf eine kleine Sightseeing-Tour durch Ludwigsburg mitgenommen. Eine wirklich schöne, grüne Stadt, die ich unbedingt noch einmal für einen kleineren Urlaub besuchen werde. 


Der für mich spannendste Teil des Besuches begann jedoch um 2 Uhr nachts. Die Backstube, die ich am Tag bereits im Ruhezustand besichtigen durfte, erwachte zum Leben, die Öfen wurden angeheizt, die Teige bereitet und geformt. Ich war beeindruckt, mit welchem Tempo, mit welchem handwerklichen Geschick die Teige verarbeitet und zu Broten geformt werden. Das sehr vielfältige Brotsortiment hat dem Teigmacher viel Arbeit beschert – Zutaten für etwa 30 verschiedene Teige lagen für jene Nacht auf ihn. Typisch und wirklich lecker sind die Schwäbischen Laugenbrezeln, die bei Luckscheiter in rauen Mengen hergestellt wurden. Ich durfte mich im Brezelschlingen versuchen, aber bis auf eine Brezel waren meine Werke Ausschuss. Jeder Bäcker hat sein eigenes kleines Kennzeichen, das seine Brezel von der des anderen unterscheidet. Bis diese Form perfekt sitzt braucht es viel Übung. Dem Kunden fällt das in den wenigsten Fällen auf, der versierte Bäcker kann aber erkennen, welche Ludwigsburger Brezel aus welcher Backstube stammt. 
Mit vielen Eindrücken und vielen beantworteten als auch neuen Fragen im Kopf machte ich mich gegen 6 Uhr morgens müde, aber zufrieden, auf den Weg zum Café, wo ich nochmals ein leckeres Frühstück genießen durfte. Vielen Dank an die Remmeles für die Möglichkeit, ihre Bäckerei und Konditorei zu besichtigen! Ein unvergessliches Erlebnis.

Durch frühsommerliche Hügellandschaften und das Neckargebiet

Noch von der Backnacht gezeichnet und vom langen Anmarsch zum nächsten Zeltplatz in Löwenstein am Breitenauer See erschöpft, habe ich mich am Donnerstag nur noch in meinen Schlafsack verkrochen. Am Freitag, 8. April, ging es wieder zurück zum Bahnhof Obersulm, von dem ich am Vortag nach der Abreise aus Ludwigsburg zum Zeltplatz gestartet war – quer durch eine schon fast frühsommerliche Hügellandschaft voller (noch nicht austreibender) Weinreben und in voller Blüte stehender Obstbäume. Traumhaft. Ursprünglich wollte ich die kommenden Tage nutzen, um bei Jutta von Schnuppschnüss und Stefanie von Hefe und mehr vorbeizuschauen. Beide hatten aber leider keine Zeit und so habe ich mich bis zum 9. April im Neckargebiet auf Wanderung begeben und die tolle Landschaft genossen (u.a. in Neckarzimmern).

Über Weimar nach Bad Orlishausen (Bäcker Süpke)

Am 9. April, ein Samstag, führte mich die Reise nach Weimar, auf den kleinsten und schönsten Zeltplatz der gesamten Wochen. Idyllisch inmitten eines Parks gelegen, am Rande des historischen Stadtteils Tiefurt und nur wenige Fußminuten von Weimars grandioser Altstadt entfernt. Nicht nur, dass es hier sehr gutes italienisches Eis gibt, sondern auch eine Boulangerie, die französische Backwaren anbietet. Leider habe ich sie nur aus dem Augenwinkel gesehen und es nicht geschafft hineinzuschauen. Beim nächsten Besuch ist das jedoch fest eingeplant. Einen weiteren Bäcker direkt am Zeltplatz habe ich getestet. Das Vollkornbrot war wirklich schmackhaft, das Weizenbrötchen jedoch eindeutig mit Backmitteln gebacken: aufgepustet, groß, leicht und ohne Aroma. Es roch und schmeckte „tot“. Es sollte nicht das einzige Brötchen auf meiner Reise bleiben, das dieses Urteil erhalten würde…


Weimar war eine touristische Zwischenstation. Eigentliches Ziel war Orlishausen, ca. 30 km nördlich der Klassikerstadt (übernachtet habe ich im Nachbarort Frohndorf). In diesem verschlafenen Dorf bäckt Bäcker Süpke seine Brote. Ich hatte das Glück, ihn und seine junge Nachtschichtmannschaft besuchen zu dürfen. In der Nacht vom Sonntag, 10. April, zum Montag bekam ich ab 22 Uhr ein weißes Shirt, Schürze und Mütze verpasst und wurde voll in den laufenden Betrieb integriert. Mit enormem Tempo waren die Gesellen am Werk, um Teige zu kneten, Brote zu formen, Kuchen zu backen und mir nebenbei noch allerlei Techniken zu erklären und Tipps zu verraten. Mit etwas Stolz konnte ich am Ende der Backnacht gegen 4 Uhr behaupten, bei nahezu allen verbackenen Broten meine Finger im Spiel gehabt zu haben. Am Morgen 7 Uhr habe ich mich mit Meister Süpke auf eine Tasse Tee getroffen und ein Stündchen mit ihm geplaudert. Dabei ist auch das Erinnerungsfoto entstanden. Die Tagesschicht war bereits voll am Werk, um zum Beispiel Süßgebäcke (siehe Teig auf dem Foto) und die Brötchen für die Nachtschicht vorzubereiten. Eine wirklich beeindruckende Nacht, die mir sehr lebendig in Erinnerung bleiben wird. Ich habe nach der Verabschiedung erstmal den Stammladen geplündert und all das gekauft, an dem ich in dunkler Nacht mitwirken durfte. Vielen Dank an das tolle Nachtschicht-Team und Bäcker Süpke!

Nach der Nachtschicht bei Bäcker Süpke: Ich bin müde, aber glücklich. Vor uns beiden liegt ein Teil des süßen Teiges für die Tagesschicht.

Zurück in den Westen nach Delbrück (Ketex)

Am Dienstag, nach einem halben Tag ausschlafen und Erholen von der Backnacht, habe ich mich wieder in den Westen Deutschlands aufgemacht. Ziel war ein Zeltplatz im Delbrücker Land, westlich von Paderborn, das durch die Saale-Eiszeit geprägt wurde. Die Boker Seenplatte, an der ich 3 Nächte mein Zelt aufgeschlagen hatte, entstand und wächst auch immer noch durch das Abbaggern der eiszeitlichen Sande und Kiese für Straßenbau, Betonherstellung etc.  
Am Morgen des 14. April ging es schnellen Schrittes in der Dämmerung ca. 8 km nach Delbrück – ein wunderschönes Städtchen mit historischem Kirchplatz und einer Menge Eiscafés. Anders als ursprünglich gedacht hatte Ketex (Gerhard Kellner) doch Zeit für ein Treffen und so klingelte ich 8 Uhr an seiner Tür. Zur Begrüßung gab es leckere Ketex-Brötchen, dann wartete auch schon der Backkeller auf uns. Neben den Bouabsa-Baguettes hatten wir uns das Miche (TA 183) und Gerds Baguettes vorgenommen. Wir mussten feststellen, dass wir voneinander (zumindest was die Baguettes angeht) nicht mehr viel lernen können. Unsere Technik des Formens ist identisch, nur die Schnitte setzen wir noch unterschiedlich. Wie schon bei Petra sind die Bouabsa-Baguettes toll gelungen und auch Gerds Baguettes standen ihnen in keinster Weise nach. Ein Viertel des sehr aromatischen Miche (TA 183) habe ich als Reiseproviant mitbekommen. In Sachen Backroutine war ich schon vorher von Gerd beeindruckt, nach meinem Besuch noch mehr. Dir, Gerd, und deiner Frau vielen lieben Dank für den wunderbaren Tag bei euch!

Gerds und meine Baguettes sind von Krume und Kruste kaum zu unterscheiden. Geschmacklich sind die Boubsa-Baguettes noch etwas vielfältiger.
Das Miche – nichts für Brotbackanfänger. Wer sich aber einmal mit Erfolg ans Miche-Backen gewagt hat, wird vom Geschmack begeistert sein.

Über Herford nach Enger (Nina)

Nicht sehr weit von Gerd entfernt, an der Grenze zu Niedersachsen, habe ich am 15. April mein Zelt westlich von Herford aufgeschlagen, um Nina von Lighthouse & Seagull einen Besuch abzustatten. Das Ravensberger Hügelland ist in dieser Gegend dominiert von Alleen aus Kirschbäumen, die über und über in Blüte standen. Meine freitägliche Wanderung nach Herford hat mir meine beiden ersten und auch letzten Blasen am Fuß beschert. Die habe ich gern in Kauf genommen für die herrliche Altstadt Herfords mit seinen Kirchen und einladenden Fachwerkhäusern. 
Am folgenden Tag führten mich meine Füße nach Enger zu Nina, mit der ich Baguettes nach Hitz, Ninas Fünfkornlinge und ein Norwegian Farm Bread (noch nicht verbloggt) gebacken habe. Die Baguettes waren köstlich, hatten trotz der im Vergleich zur den Bouabsa-Baguettes deutlich geringeren Teigausbeute (167 statt 174) eine großporige Krume. Die Fünfkornlinge schmecken wirklich klasse und das Brot hat mich die nächsten beiden Tage auf Wanderschaft sehr gut genährt. Nina war die jüngste meiner besuchten Hobbybrotbäcker und hat bereits eine beeindruckende Brotbackerfahrung, die sich ja auch in ihrem Blog nachvollziehen lässt. Auch dir vielen Dank, Nina, dass wir uns kennen lernen und miteinander backen durften!

Baguettes, die ich mit Nina gebacken habe. Links sind die wirklich leckeren und einfach zu backenden Fünfkornlinge von Nina zu sehen. (Fotos von Nina Waterbör)
Norwegian Farm Bread mit lockerer Krume. (Fotos von Nina Waterbör)

Letzte Station: Kiel

Allmählich neigte sich meine Brottour dem Ende zu. Letzte Station war Kiel. Die Stadt kannte ich bislang nur in verregnetem Zustand. Dieses Mal jedoch präsentierte sie sich in strahlendem Sonnenschein – ein Phänomen, das mich die gesamte Reise begleitet hat, lediglich bei der Ankunft an der Boker Seenplatte südlich von Delbrück überraschte mich ein kurzer Regenschauer, nachdem ein wechselhaftes Apriltief das frühsommerliche Hoch der ersten Wandertage verdrängt hatte. Kühler wurde es bereits in Weimar, wo ich die erste und noch lange nicht letzte Frostnacht im Zelt verbracht habe. 
Kiel bietet eine beeindruckende Kulisse mit riesigen Fährschiffen mitten in der Innenstadt, viel Grün und vielen Wasserflächen. Im Gegensatz zum kleinen Weimar kann Kiel jedoch leider nicht mit einem guten Eiscafé aufwarten. Jedenfalls habe ich vergebens gesucht. Bäcker wiederum hat Kiel wie Sand am Meer. Am 18. April, ein Montag, habe ich in der Innenstadt sämtliche Bäcker(filialen) besucht, die (soweit erkennbar) nicht zu einer Backdiscounterkette gehörten, sondern noch einigermaßen regional verankert waren. Gekauft habe ich in sechs Bäckereien jeweils eine Kieler Semmel (zwei Bäckereien hatten sie nicht im Sortiment; Rangfolge mit Schulnoten: Rönnau – 1-*; Tackmann – 2+; Günther – 2; Koll – 2; Mordhorst – 2-; Andresen – 3. *In der Bäckerei Rönnau wurde mir zwar eine Kieler Semmel verkauft, aber es handelte sich dabei um eine Rezeptinterpretation, zugegebenermaßen um eine gelungene, mit einer Mischung aus Salz, Zucker, Zimt und Fett, in der die Teiglinge gescheuert wurden (so zumindest mein geschmacklicher und visueller Eindruck)). 


Gefragt habe ich überall nach dem Kieler Franzbrötchen – niemand hatte es im Sortiment. Stattdessen scheint sich das Hamburger Franzbrötchen schonungslos über alle Bäckereien Kiels ausgebreitet zu haben. Drei dieser Franzbrötchen habe ich gekauft (Rangfolge mit Schulnoten: Brotgarten – 2+; Andresen – 2-; Allwörden – 4), keines war jedoch überzeugend.

Am nächsten Tag stand die letzte Backstation auf der Tagesordnung: Ulrike von Küchenlatein. Sehr organisiert, mit viel Freude und top vorbereitet ging es gleich ans Werk, weil ich noch am Nachmittag mit dem Zug gen Heimat aufbrechen musste. Wieder gab es Baguettes nach Bouabsa, außerdem ihre Miche – Pointe à Callière und das Hazelnut and Fig Bread with Fennel Seed and Rosemary nach Jeffrey Hamelman. Besonders gespannt war ich auf Ulrikes Miele-Backofen mit Dampfstoßfunktion. Wirklich erstaunlich, welchen Unterschied diese Funktion beim Ofentrieb ausmacht. Mit den Baguettes hatte ich bei Petra, Gerd und Ulrike den direkten Vergleich. Nirgends war der Ofentrieb so kräftig, nirgends der Ausbund so schön geöffnet wie in Ulrikes Ofen. Wer sich solch einen Ofen leisten kann, sollte es tun. Die Brotergebnisse werden deutlich besser. Auch beim Haselnussbrot war das Ergebnis eindeutig. Das Miche konnte ich leider bis zum Einschießen in den Ofen nicht mehr mitverfolgen, weil sonst der letzte Zug davongefahren wäre. 
In einer kleinen Pause haben Ulrike und ich die Gelegenheit genutzt, zu einem von zwei verbliebenen Kieler Bäckern zu fahren, die noch Kieler Franzbrötchen anbieten (Bäckerei Feddersen). Jetzt weiß ich endlich genau, wie sie aussehen und schmecken und kann mich nochmal an das Rezept wagen. Vielen Dank, Ulrike, für die gemeinsame (wenn auch knappe) Backzeit, die vielen Infos und Tipps. Hat mich sehr gefreut!

Baguettes mit gradiosem Ofentrieb und entsprechendem Ausbund.
Sehr aromatische, ungleichmäßige und großporige Krume in den Bouabsa-Baguettes, die ich mit Ulrike gebacken habe.
Links das Haselnuss-Feigen-Brot, das ich noch miterleben durfte, rechts das Miche, das erst ofenfertig war, als ich schon im Zug saß. (Fotos von Ulrike Westphal)

Fazit

Das war sie, meine Brot- und Wanderreise durch einen Teil Deutschlands. Die vielen Eindrücke kann ich gar nicht allesamt in dieser Zusammenfassung wiedergeben, noch habe ich sie bereits vollständig verarbeitet. Ich habe mich zweieinhalb Wochen lang bis auf wenige (und sehr köstliche) Ausnahmen nur von Brot, Wasser und ein paar Äpfeln ernährt. Man mag gar nicht glauben, wie gut ein Brot schmeckt, wenn man den ganzen Tag auf den Beinen gewesen ist. Ohne Messer, einfach mit den Fingern grobe Stücke aus einem guten Brot herausgebrochen, genüsslich gekaut, mit Wasser nachgespült, ein Gedicht!
Kaum ins Schwärmen bin ich jedoch bei meinen diversen Testkäufen von Weizenbrötchen, zum Teil auch von Laugengebäck außerhalb des Schwäbischen gekommen. Bis auf die Brötchen von Bäcker Süpke, der sämtliche Hefeteige mit Vorteigen und ohne Backmittel ansetzt, waren alle gekauften Weizenbrötchen aufgepustet, riesig und geschmacklich tot – egal ob in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein. Auch Laugengebäck sollte man meiner Reiseerfahrung nach tunlichst meiden, solange man nördlich des Schwabenlandes zum Bäcker geht, zumindest wenn man den direkten Vergleich hatte …


Beeindruckt und wirklich überrascht war ich von der Deutschen Bahn, die ich intensiv genutzt habe. Nicht ein einziges Mal gab es Verspätungen, selbst die streikenden Lokführer der Privatbahnen haben um mich offenbar einen Bogen gemacht. Alles lief wie am Schnürchen. Auch mein kompletter Reiseplan ist bis ins Detail so aufgegangen, wie gedacht. Ich bin also rundum zufrieden mit meiner Mini-Walz. Ich kenne Deutschland nun ein bisschen besser, habe spannende Menschen kennen gelernt, viele Ideen gesammelt und vor allem Eindrücke gewonnen, die meine künftigen Brote sicherlich positiv beeinflussen werden. Allen, die mir diese Reise ermöglicht haben, möchte ich nochmals von ganzem Herzen danken!


Damit auch ihr, meine Blogleser, noch etwas mehr von der Reise habt als nur geschriebene Worte und wenige Bilder, werde ich in den kommenden Wochen für jeden Reisetag ein individuelles Brotrezept verbloggen. Jeder Tag hat andere Eindrücke und Erfahrungen hinterlassen, die ich in ein jeweils neues Brotrezept verpacken und euch vorstellen werde. Das Ganze braucht natürlich einiges an Vorarbeit in meiner Küche. Das erste Brot sollte aber nicht allzu lange auf sich warten lassen. Die Rezepte stehen bereits, jetzt müssen sie nur noch Stück für Stück getestet werden. Zu jedem neuen Brot werde ich eine kleine Geschichte oder Anekdote erzählen, die ich während der Reise erlebt habe. Ich bin gespannt, ob mir all das gelingt, was ich in meinem Zelt an Rezeptideen zu Papier gebracht habe …