Brot-Zeit!

von Annelie Wagenstaller

Ein seltenes Buch in der langen Reihe deutscher Brotbücher. Weder ein Laie noch ein Profibäcker hat es geschrieben. Nein. Annelie Wagenstaller gehört zur Zunft der Müller, jenem Berufszweig, der den Bäckern den Rohstoff ihres Handwerks liefert. Annelie Wagenstaller war einst die jüngste Müllermeisterin Deutschlands und hat dieses Alleinstellungsmerkmal öffentlichkeitswirksam genutzt. Ihr Mühlenladen ist weit über die lokalen Grenzen hinaus bekannt, ihre Bücher verkaufen sich gut. Doch kann eine Müllermeisterin etwas über das Brotbacken schreiben?

„Brot-Zeit!“ von Annelie Wagenstaller

Die Frage beantwortet sich fast von selbst. Die Autorin ist Müllerin, keine ausgebildete Bäckerin. Und so liegen die Stärken ihres neuesten Buches auch in jenen Kapiteln, die sich mit Getreiden, Getreideunkräutern, Mehlen, der Mühlentechnik und Müller-Tradition befassen. Hier glänzt das Buch mit faszinierenden Grafiken, Fotografien und eingehenden Texten. Der Leser spürt die Leidenschaft Wagenstallers für ihren Beruf in jeder Zeile.


Der Theorie- und Rezepteteil ab Seite 76 jedoch ist zum Nachbacken nur bedingt geeignet. Tolle Fotografien, auch an Begeisterung mangelt es nicht, doch die ungenauen Rezepte und die als absolut dargestellten, in Wirklichkeit aber falschen oder wenigstens variablen Tipps zum Brotbacken erhöhen das Risiko enorm, ein misslungenes Brot aus dem Ofen zu ziehen. So wird die Sauerteigherstellung nur sehr vage beschrieben – ungeeignet, um erfolgreich zu sein. Dass das Brot allein durch das Kneten von Hand „luftig und locker“ wird, ist ebenso falsch, wie die Behauptung, dass Roggenbrotteig immer klebt. Die Rezepte strotzen vor Ungenauigkeiten, die beim Laienbäcker große Fragezeichen hinterlassen werden. Das Baguetterezept beispielsweise enthält in der Zutatenliste keinen Sauerteig, in der Zubereitungsbeschreibung jedoch wird Sauerteig verwendet. Nach der dortigen Anleitung kann der Leser kein Baguette backen.

Fazit

Hätte sich die Autorin auf ihr eigentliches Handwerk konzentriert, wäre ein einzigartig schönes und spannendes Buch entstanden. Gespickt mit vielen historischen Texten und Zitaten zum Müller- und Bäckereiwesen, zahlreichen brillianten Fotografien und Zeichnungen ist es eine wahre Fundgrube. Wäre das Buch auch nur halb so dick auf den Markt gekommen, es hätte einen besseren Eindruck gemacht als in der vorliegenden Version mit dem unausgegorenem Rezepteteil.

Zum Schmökern empfohlen, zum Nachbacken nur bedingt geeignet.


Brot-Zeit! 
192 Seiten, 1. Auflage, 2011 
Verlag: BLV-Buchverlag 
ISBN: 978-3835407695  
Größe: 26,4 × 22,6 × 1,8 cm 

Mein Dank gilt dem BLV-Buchverlag, 
der mir das Buch zur Besprechung zur Verfügung gestellt hat.