BLOGBEITRAG
16. April 2012 · 9 KommentareRezension: „Brot-Zeit!“ von Annelie Wagenstaller
Ein seltenes Buch in der langen Reihe deutscher Brotbücher. Weder ein Laie noch ein Profibäcker hat es geschrieben. Nein. Annelie Wagenstaller gehört zur Zunft der Müller, jenem Berufszweig, der den Bäckern den Rohstoff ihres Handwerks liefert. Annelie Wagenstaller war einst die jüngste Müllermeisterin Deutschlands und hat dieses Alleinstellungsmerkmal öffentlichkeitswirksam genutzt. Ihr Mühlenladen ist weit über die lokalen Grenzen hinaus bekannt, ihre Bücher verkaufen sich gut. Doch kann eine Müllermeisterin etwas über das Brotbacken schreiben?

„Brot-Zeit!“ von Annelie Wagenstaller
Die Frage beantwortet sich fast von selbst. Die Autorin ist Müllerin, keine ausgebildete Bäckerin. Und so liegen die Stärken ihres neuesten Buches auch in jenen Kapiteln, die sich mit Getreiden, Getreideunkräutern, Mehlen, der Mühlentechnik und Müller-Tradition befassen. Hier glänzt das Buch mit faszinierenden Grafiken, Fotografien und eingehenden Texten. Der Leser spürt die Leidenschaft Wagenstallers für ihren Beruf in jeder Zeile.
Der Theorie- und Rezepteteil ab Seite 76 jedoch ist zum Nachbacken nur bedingt geeignet. Tolle Fotografien, auch an Begeisterung mangelt es nicht, doch die ungenauen Rezepte und die als absolut dargestellten, in Wirklichkeit aber falschen oder wenigstens variablen Tipps zum Brotbacken erhöhen das Risiko enorm, ein misslungenes Brot aus dem Ofen zu ziehen. So wird die Sauerteigherstellung nur sehr vage beschrieben – ungeeignet, um erfolgreich zu sein. Dass das Brot allein durch das Kneten von Hand „luftig und locker“ wird, ist ebenso falsch, wie die Behauptung, dass Roggenbrotteig immer klebt. Die Rezepte strotzen vor Ungenauigkeiten, die beim Laienbäcker große Fragezeichen hinterlassen werden. Das Baguetterezept beispielsweise enthält in der Zutatenliste keinen Sauerteig, in der Zubereitungsbeschreibung jedoch wird Sauerteig verwendet. Nach der dortigen Anleitung kann der Leser kein Baguette backen.
Hätte sich die Autorin auf ihr eigentliches Handwerk konzentriert, wäre ein einzigartig schönes und spannendes Buch entstanden. Gespickt mit vielen historischen Texten und Zitaten zum Müller- und Bäckereiwesen, zahlreichen brillianten Fotografien und Zeichnungen ist es eine wahre Fundgrube. Wäre das Buch auch nur halb so dick auf den Markt gekommen, es hätte einen besseren Eindruck gemacht als in der vorliegenden Version mit dem unausgegorenem Rezepteteil.
Fazit: Zum Schmökern empfohlen, zum Nachbacken nur bedingt geeignet.
„Brot-Zeit!“
192 Seiten, 1. Auflage, 2011
Verlag: BLV-Buchverlag
ISBN: 978-3835407695
Größe: 26,4 x 22,6 x 1,8 cm
Preis: 19,95 €
Mein Dank gilt dem BLV-Buchverlag, der mir das Buch zur Besprechung zur Verfügung gestellt hat.
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Aktualisiert am 29. Dezember 2013 |
Miriam
6. April 2016 um 14:23
Ich habe zwar nicht das rezensierte Buch der Autorin, sondern eine Neuerscheinung „Brot & Aufstrich“, bei dem Annelie Wagenstaller als Co-Autorin tätig war. Ich habe das Buch geschenkt bekommen, selbst hätte ich es mir nicht gekauft. Die Brotrezepte werden wie leider oft üblich mit viel zu großen Hefemengen angegeben; Beispiel Emmersemmeln 42 Gramm Frischhefe auf 700 Gramm Mehl, ebenso beim herzhaften Krustenbrot (bei einer Mehlmenge von 750 Gramm). Vorteige sollen „gute 10 Minuten“ gehen, die Backtips sind sehr vage gehalten und Angaben wie „Brot mit Hefe schmeckt immer mild und mit Sauerteig immer herzhaft“ auch völlig aus der Luft gegriffen.
Aufgrund dieses Eindrucks hat es mich interessiert, ob ich hier auf dem Plötzblog auch eine Bewerung zu dem Buch finde. Zwar wars jetzt ein anderer Titel der Autorin, aber mein Eindruck wurde augenscheinlich nicht getäuscht, anscheinend sind alle ihre Rezepte eher suboptimal (werde aber mal ein paar etwas umoptimieren und dann ausprobieren!)
Lars
21. Mai 2015 um 08:45
Hallo zusammen, ich möchte hier Frau Wagenstaller auch beistehen und die Wogen ein bisschen glätten!!! ich war bei ihr auch schon im Brotbackkurs und fand es sehr informativ, der Kurs dauerte ca. 4 stunden und kostete 38€ mit Getränken und einer Brotzeit die sich sehen lassen kann, wir haben viel über das brotbacken und die Sauerteigherstellung erfahren (habe seitdem immer einen im Kühlschrank) und wir hatten danach ein wunderschönes und sehr gut schmeckendes Krustenbrot!!! habe auch ihr Buch (Brot-Zeit) und habe auch schon einige Rezepte davon ausprobiert (bei mir klappen sie) finde die Rezepte auch als Denkanstoß und zum selber ausprobieren sehr hilfreich!!! Habe auch das Baguette Rezept ausprobiert und es war wirklich gut (zum beschriebenen Problem von Lutz mit dem Sauerteig, richtig gelesen??? es steht im Rezept dass wenn man Sauerteig hat (den jeder gute Hobbybäcker und Bäcker haben sollte) man von diesen etwas in den Teig geben kann!!! Fazit: ich finde Frau Wagenstaller vermittelt ihr Wissen sehr gut weiter, es ist eine Traumhafte Lage an der die Mühle steht und das Buch ist für mich das Geld wert
Viola
6. Oktober 2014 um 12:57
Hallo zusammen, ich muss jetzt mal eine Lanze für Frau Wagenstaller brechen: ich habe das Buch, und ich finde es ist, wie Lutz schreibt, ein sehr schönes und liebevoll gestaltetes Buch, welches einem viele Informationen über den Weg vom Korn zum Mehl aufzeigt. Die Fotos (sowie übrigens das gesamte Layout) sind wunderschön. Und die Zitate und Gedichte die immer mal wieder eingefügt sind werten das Werk zusätzlich auf.
Die Rezepte lassen tatsächlich etwas zu wünschen übrig, allerdings haben wir das Roggenmischbrot schon mehrfach gebacken, dieses ist super gut gelungen. Den Sauerteig setze ich allerdings anders an (nur den Tipp mit Honig und Kümmel von ihr habe ich übernommen). Das Glossar finde ich auch gut gelungen, die Stichworte sind z. T. auch recht originell erklärt. Was das Brot formen angeht – hier kann ich nur das Buch „Brot für Geniesser“ von Richard Bertinet empfehlen, ein tolles Buch… Herr Bertinet backt allerdings viel mit weißen Teigen (klaro, er ist ja auch Franzose, aber dieses Baguette-Rezept funktioniert 100%) und selbst bei dunklen Teigen verwendet er keinen Sauerteig.
Alles in allem habe ich aber noch kein Buch über Brotbacken gefunden, welches mich vollumfänglich zufriedenstellt (über einen heißen Tipp wäre ich sehr dankbar :-)) Was die Zutaten aus dem Mühlenshop von Frau Wagenstaller angeht: ich persönlich finde, dass die Preise für die Mehle ok sind, Trockenhefe und Trockensauerteig verwende ich eh nicht, und unser Brotgewürz stelle ich z. T. selbst her…
Mein persönliches Fazit: obwohl ich die Rezepte auch nicht unbedingt berauschend finde, so ist es doch eines meiner Lieblings-Backbücher, und (wenn nicht zu viele Erwartungen an den Rezeptteil gestellt werden) sein Geld wert. Viele Grüße, Viola
Lutz
6. Oktober 2014 um 21:54
Hast du schon mal in mein Buch geschaut? Vielleicht findest du dort die Antworten auf deine Brotfragen.
Viola
8. Oktober 2014 um 12:36
Hallo Lutz,
nein da hab ich noch nicht geschaut, hab aber auch erst die Tage Deinen Blog entdeckt. Ich werd da gern mal reingucken 😉
Viele Grüße
Viola
Margit
7. Januar 2014 um 23:07
Ich habe das Buch nicht gekauft (werde ich nach bisherigen Erkenntnissen auch nicht) und stimme Euch allen Eurem Urteil zu.
Und zwar deswegen:
Amelie Wagenstaller: auf einem Flug bin ich an eine Frauenzeitschrift geraten (schäm!), die Amelie Wagenstaller, ihr Buch und ein paar ihrer Brotrezepte vorstellte.
Der erste Eindruck der Rezepte in dem Frauenmagazin, zum Beispiel
50 gr Hefe (!!!) auf 1 kg Weizenmehl um Brot und Brötchen zu backen.
In einer Fernsehsendung stellte Frau Wagenstaller vor, wie sie Brot- und Brötchenteig herstellt und formt. Schlimm.
Wie Lutz in seiner Rezension des Buches beurteilt: viel Theorie und wenig Praxis.
Aber eine gute Geschäftsidee neben ihrem Beruf als Müllerin.
In der o.g. Frauenzeitschrift wurde auch ein Paket mit ein paar wenigen Produtken (Mehl, Trockensauerteig, Brotgewürz etc.) zu einem utopischen Preis angeboten.
Nein danke!
Margit
Trifolata
17. April 2012 um 12:00
Es ist inzwischen ihr 3.Buch!
Weil ich in der Nähe wohne, habe ich mal an einem ihrer Brotbackkurse teilgenommen und hatte am Ende ein sehr gutes Holzofenbrot, dazu gelernt hatte ich aber nichts. Ich habe dann in ihrem Laden ihr erstes Buch gekauft, in der Hoffnung, aus den Rezepten was zu lernen, Aber ich muß Lutz Aussagen voll und ganz bestätigen, die Rezepte sind zu vage- so als wolle sie die Geheimnisse nicht verraten. Das Buch hat mir trotzdem gefallen, weil sie viel aus der Gegend erzählt, das ich interessant fand. Aber als Brotbackbuch ungeeignet.
LG und danke für Deine Mühen
Karin Anderson (Karin's Bäckerei)
16. April 2012 um 14:26
Danke für die ausführliche Reszension. Ich gucke immer bei amazon.de nach deutschen Brotbackbüchern, und werde dies sicherlich nicht kaufen.
Deine Beschreibung erinnert mich an meine Erfahrungen mit „Brot – so backen Deutschlands beste Bäcker“. Trotz opulenter Aufmachung und appetitanregender Fotos – die Rezepte sind nur bedingt nachbackbar, und schon gar nicht für Unerfahrene. Das Ganze wirkt eher wie eine Promotion der vorgestellten Bäckereien, und man hat den Eindruck, dass niemand im Verlag sich die Mühe gemacht hat, die Rezepte auf Fehler und Ungenauigkeiten zu überprüfen.
Gabriele
16. April 2012 um 13:12
Hallo Lutz,
ich habe dieses Buch auch und gebe dir total recht. Es ist sehr schön zu lesen, aber nicht zum nachbacken geeignet. LG el_marraksch