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2. Juni 2012 · 22 Kommentare

Schlesische Semmel (Breslauer Semmel)

Schlesische Semmel (Breslauer Semmel)

Schlesische Semmel (Breslauer Semmel)

Das verbreitetste Kleingebäck in Schlesien ist die Schlesische oder Breslauer Semmel, die wegen ihrer eigenartigen Aufarbeitung kurz erwähnt werden soll.

So heißt es in einem Bäckerfachbuch aus den 1930er Jahren. Eigenartig ist die Aufarbeitung ganz sicher. Ich habe versucht, mir aus dem Text eine sinnvolle Technik herauszulesen. Letztlich scheint es beim dritten Versuch geklappt zu haben. Typisch ist der breite Ausbund sowohl entlang der Längsachse des Brötchens als auch senkrecht dazu. Dies wird durch Reißen und Einrollen der Teiglinge verwirklicht. In der Originalbeschreibung steht gedruckt:

Die geteilten Teigstückchen werden zuerst mit einer Hand langgemacht und dann mit beiden Händen über den Daumen weg in der Mitte durchgerissen. Nun werden die beiden Stücke je mit einer Hand auf der Beute kräftig geschlagen, breitgezogen und von den drei Mittelfingern, die man gespreizt hält, so bearbeitet, daß sich die Seiten des Teigstückes nach innen einrollen. Hierbei bildet sich ein Riß. Die Form jeder Semmelhälfte wird wesentlich durch die Haltung des Mittelfingers bestimmt. Die beiden Semmelhälften werden nun mit einem kurzen Ruck so aneinandergesetzt, daß sich ein durchgehender Längs- und Querriß bildet. Mit diesem kreuzförmigen Schluß werden die Semmeln auf Gare gestellt.

Nun kann sich jeder an seine eigene Interpretation des Gelesenen wagen. Eine „Beute“ war übrigens eine Teigwanne, in der geknetet wurde. Häufig war sie auch mit einem Deckel ausgestattet, der als Arbeitsfläche diente (vielen Dank an Bäcker Süpke für die Erklärung!).

Die Brötchen sind bei meinen Testessern gut angekommen. Die große Krustenfläche wirkt sich positiv auf dem ansonsten milden Geschmack aus. Die Krume ist klein- bis mittelporig. Ein schönes Frühstücksbrötchen.

Meinen ersten Versuch hatte ich noch etwas zu weich geführt, sodass der Schluss nicht aufgerissen ist.

Vorteig

  • 100 g Weizenmehl 550
  • 100 g Wasser
  • 0,2 g Frischhefe

Hauptteig

  • Vorteig
  • 400 g Weizenmehl 550
  • 200 g Wasser
  • 8 g Frischhefe
  • 9 g Salz
  • 9 g Zucker

Die Vorteigzutaten mischen und bei Raumtemperatur 18-22 Stunden reifen lassen.

Sämtliche Zutaten 5 Minuten auf niedrigster und 8-10 Minuten auf zweiter Stufe zu einem straffen Teig auskneten, der sich vollständig von der Knetschüssel löst.

60 Minuten Gare bei 24°C. Nach 20 und 40 Minuten ausstoßen.

8 Teiglinge abstechen. Je einen Teigling langziehen und mit beiden Händen über die Daumen hinweg mittig zerreißen. Die gerissenen Stücke auf die Arbeitsplatte schlagen und breitziehen. Mit gespreizten Mittelfingern die Teigränder nach innen rollen. Die beiden so eingerollten und gerissenen Stücke an der schwach bemehlten Riss-Stelle aneinanderlegen.

Mit Schluss nach unten 90 Minuten Gare in Bäckerleinen bei ca. 24°C.

Die Teiglinge umdrehen und 10 Minuten absteifen lassen.

Bei 230°C 20 Minuten mit viel Dampf backen.

Material- und Energiekosten: 1,30 €

Zubereitungszeit am Backtag: ca. 4 Stunden

Großer Ausbund und milde Krume ergeben einen unvergleichlichen Geschmack: Schlesische Semmel (Breslauer Semmel)

Großer Ausbund und milde Krume ergeben einen unvergleichlichen Geschmack: Schlesische Semmel (Breslauer Semmel)

Der erste Versuch hat zwar auch seinen Charme, sieht aber nicht wie die Schlesische Semmel aus.

Der erste Versuch hat zwar auch seinen Charme, sieht aber nicht wie die Schlesische Semmel aus.

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Keine Kommentare

  1. Die Brötchen sind mir doch ganz gut gelungen.

    • Hallo Yvonne,
      die sind nicht nur ganz gut gelungen. Die sind spitze!

      • Vielen Dank, ich bin zuerst echt an dem formen verzweifelt, aber dann hatte ich den Kommentar von Lars Westerhausen gesehen, und nach seiner Foto Story zu den Brötchen mein Glück versucht, und war von Ergebnis echt begeistert.

  2. Also ich bin an det Erklärung zum formen gescheitert. Bilder dazu wären hilfreich. Bin gespannt, was da morgenfrüh bei raus kommt 🙈

    • Hallo Yvonne,
      wenn du am Brötchen backen interessiert bist, dann kaufe dir das wunderschöne Buch „Brötchen Backen“ von Lutz Geißler. Das Buch wäre auch ein schönes Geschenk zu Weihnachten.
      Im Buch ist eine bebilderte Anleitung für die schlesischen Semmeln enthalten.
      VG Fredi

  3. Palim Palim,
    trotz deinem Brötchenbuch und Blogrezept komme ich mit dem Formen nicht zurecht.
    Bitte, bitte Lutz – mach doch ein Video vom Formen. Kann es auch gern vergüten.
    LG Lars

  4. Hallo Lutz, basierend auf diesem Rezept bin ich gerade bei der Herstellung der „Doppelsemmel, gedrückt“ aus Deinem Brötchenbackbuch, welches ich mir letztes Wochenende zugelegt habe (vielen Dank dafür, solch ein Buch habe ich schon lange vermisst). Im Arbeitsschritt 9 „Vorformen“ sollen die Teiglinge wie zu erwarten rundgeschliffen werden und nach Schritt 10 einer 30-minütigen Zwischengare in Schritt 11 erneut rundgeschliffen werden, um dann paarweise aneinandergelegt zu werden. Kannst Du mir bitte den Effekt des doppelten Rundschleifens erläutern.

    Danke, Ralf

    • Hallo Ralf! Im Buch auf Seite 27 sind die Gründe für das Vorformen erläutert. Kurz gesagt, vergrößert sich dadurch das Gebäckvolumen und verbessert sich die Krumenbeschaffenheit. Die Brötchen kann man so auch einheitlicher Formen. Ich habe das Vorformen bei wenig Zeit bei den Rezepten aus diesem Buch auch schon bleiben lassen, die Brötchen gelingen trotzdem. Grüße! Michael

  5. Hallo Lutz,
    Ich komme aus der Rattenfängerstadt Hameln und einer unserer lokalen Bäcker ist für seine Breslauer Brötchen regional bekannt. Die sehen im Prinzip wie deine aus, nur an den Enden etwas spitzer. Auch meine ich, das hier Butter im Teig verarbeitet wurde. Ich habe auf meinem Blog gerade eine eigene Version vorgestellt (falls Links hier unerwünscht sind, verzeih mir und lösch das einfach). Das ist handwerklich natürlich eher laienhaft und schluderig, aber ich bin mit Geschmack und Konsistenz sehr zufrieden und nah am „hamelner Original“.

    Ich danke dir auf jeden Fall für die Beschreibung der Zubereitung. Ich hoffe, ich habe das alles so richtig verstanden. Auf meinem Blog sind jetzt ein paar bescheidene Fotos zu sehen, die im Bedarfsfall dem einen oder anderen helfen könnten.

    Gruß aus Hameln

    http://wesfood.blogspot.de/2016/09/breslauer-brotchen.html

  6. Bei meinen „Forschungen“ zum Paarweck habe ich auch den „Breslauer“ gefunden, der auch im südlichen Ba-Wü (Baden) recht gängig ist, und dort „Doppelwecken“ heißt. Die Bezeichnung „Breslauer“ kennt man in Süddeutschland nicht. In Württemberg steht der Breslauer je nach Bäckerei in direkter Konkurrenz mit einem „schwäbischen“ Doppelwecken, der aus Brotteig gemacht wird, und eine bemehlte Oberfläche hat.

    Der „Breslauer“ ist ein doppelter Spitzweck (hier: „Fränkischer Kipf“), ich habe mir die Zubereitung mal von einem Bäcker zeigen lassen. Es ist eigentlich schon recht gut beschrieben. Runder Teigling, mit der Faust (Rundseite, kleiner Finger, nicht mit den Knöcheln) draufschlagen. Dann Teigscheibe in beide Hände nehmen, Daumen Unten, Finger Oben. Mit den Fingern richtig tief in den Teig drücken, und dann beide Hände zur Faust einrollen, bis in der Mitte des Teiglings ein Riß entsteht.Teigling zurück auf den Tisch, und seitlich einrollen. Das bisher Beschriebene gibt einen „Spitzweck“.

    Zwei dieser spitzen Teiglinge Spitze an Spitze nebeneinanter auf den bemehlten Tisch legen. Mit der Runden Hand (Handfläche) auf die Äußeren Spitzen drücken. Damit wird der Paarweck außen wieder rund, und die beiden Spitzweck werden zu einem einzigen Paarweck zusammengedrückt.

    Wer es nicht hinkriegt – auch professionelle Bäcker „schummeln“ und schneiden mit dem Messer einen Schlitz hinein.Hier ein „Bild aus der Backstube“ der Bäckerei Laux aus Schussenried in Baden (südliches Ba-Wü):

    http://www.baeckereilaux.de/assets/images/autogen/Doppel.jpg
    http://www.baeckereilaux.de/html/baeckerei.html

  7. Lecker, Lecker. Aber warum so kompliziert erklärt?? Das geht doch auch wesentlich verständlicher. Musste bei der Beschreibung schmunzeln.

  8. Vielen Dank, Lutz~!!

  9. Ich bewundere deine Ausdauer, aus diesen kryptischen Insiderbeschreibungen eine nachvollziehbare Anleitung zu erarbeiten.

  10. Ah so! Petra ich heiß aber Nadja und nicht Julia 😉

  11. Das ist nicht so einfach. Ein Video habe ich damals leider nicht davon gemacht. Man kann das Prozedere auch vereinfachen:

    1. Teigling in der Mitte auseinanderreißen
    2. die beiden Hälften an den beiden nicht gerissenen Seiten auseinanderziehen
    3. die auseinandergezogenen Seiten zur Mitte hin einrollen (die Naht, an der sich beide eingerollten Seiten treffen, liegt also senkrecht zur gerissenen Seite)
    4. beide eingerollten Teiglingshälften an der Risskante locker aneinanderlegen.

    Letztlich wird durch das Einrollen Haupt-Ausbund geschaffen und an der Risskante die Sollbruchstelle zum Teilen des Brötchens.

  12. Ich stimme Julia zu – ein Video wäre hier sicher hilfreich 🙂

  13. Hallo Lutz, sie sehen toll aus 🙂 Nur leider stehe ich bei Wirktechnik völlig auf dem Schlauch. Das über dem Daumen zerreißen versteh ich noch, aber dann hakt es leider aus 🙁 Kannst Du da irgendwie Abhilfe schaffen? LG Nadja

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