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20. September 2012 · 10 KommentareHimmel und Hölle: Bericht von der IBA 2012 in München
Dank eines Tipps von Schelli habe ich gerade noch mitbekommen, dass dieses Jahr wieder die IBA stattfindet, das internationale Branchentreffen des Bäckerei- und Konditoreiwesens. Wie es der Zufall wollte, hatte ich just in der Messezeit beruflich in München zu tun und konnte einen Nachmittag lang vorbeischauen. Hier nun der kurze Bericht mit meinen Eindrücken inklusive Fotos der Deutschen Meisterschaft der Bäckermeister 2012.
Mein Ziel, alle 12 (!) Messehallen in gerade einmal 2-3 Stunden zu durchlaufen, glich einem Marathonlauf, oder besser vielleicht einem Sprint über mehrere Kilometer…
Was ich sehen durfte, war beeindruckend. Man hätte meinen können, auf einer Maschinenbaumesse zu sein. Sämtliche namhafte Hersteller von Bäckereigroßgeräten, seien es Knet-, Tourier-, Wirk- und Verpackungsmaschinen oder ganze Produktionslinien für Brote, Brötchen, Kleingebäck und Konditoreiwaren. Beeindruckend und schockierend zugleich. Mit Handwerk hat diese Entwicklung freilich immer weniger zu tun.
Noch weniger handwerklich wurde es bei Prunkständen von Backmittel- und Backmischungsproduzenten. Schon an der Größe und Ausstattung der Messestände wurde deutlich, dass die Zukunft unserer Backwaren nicht bei den kleinen Bäckereien liegt, sondern bei Backmitteln mit optimierenden Zusatzstoffen aus der biochemischen Industrie, bei perfektionierten Backmischungen für den anspruchslosen Bäcker und bei ebenso perfektionierter Tiefkühlware, die vor den Augen des Kunden nur noch (auf-)gebacken wird. Ein Trauerspiel.
Und mittendrin in Halle B3, umzingelt von 11 Hallen der Großindustrie, der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, der sich wirklich grandios auf allen medialen und inhaltlichen Ebenen zu präsentieren wusste. Und das meine ich tatsächlich positiv. Ich konnte mit einigen Bäckern sprechen, die die zuvor beschriebene Entwicklung hin zur Großbackindustrie ebenso kritisch sehen. Unter diesen Bäckern, mit denen ich kurz bekanntmachen durfte, waren dann auch die Sieger der Meisterschaft der Deutschen Bäckermeister: die Wild Bakers. In sieben Stunden mussten mehrere Teams zig Teige und daraus eine Vielzahl an Broten unterschiedlicher Formen und Geschmacksrichtungen herstellen. Die Perfektion, Schnelligkeit und Liebe zum Detail waren schon beeindruckend. Meine Favoriten waren die Wild Bakers. An dieser Stelle nochmal einen herzlichen Glückwunsch! Im Anschluss an die Bewertung der Jury wurden die übrig gebliebenen Wettbewerbsgebäcke für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Ich habe von den Wild Bakers-Baguettes genascht, war aber etwas enttäuscht. Vielleicht bin ich von meinen Langzeitbaguettes verwöhnt…
Genauso beeindruckend waren auch die Backwaren der Teams des bereits beendeten internationalen Bäckerwettbewerbs, bei dem Frankreich das Rennen gemacht hat.
In den Gesprächen mit Bäckern hat sich übrigens herausgestellt, dass sich Mitglieder der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim bisweilen auch Anregungen aus dem Plötzblog holen. Ein schönes Lob durch die Hintertür.
Abseits der großen Messestände gab es glücklicherweise auch noch kleine Juwelen, darunter diverse Mühlen und Fachbuchverlage.
Mein Fazit: man sollte auch als Hobbybäcker einmal auf der IBA gewesen sein. Sie ist imposant, beeindruckend, bedrückend, anregend und außerdem sehr sättigend. An jeder Ecke gratis Backwaren und Eisbecher. Ich würde es wieder tun. Das nächste Mal aber fast vor der Haustür zur Sachsenback im April 2013 in Dresden. Die nächste IBA findet 2015 statt.
PS: Die Fotos sind nicht die besten. Ich hatte nur die kleine Handykamera dabei…

Die Jury bei der Bewertung der Schaustücke…

Einer der prall gefüllten Schaustücktische des Wettbewerbs deutscher Bäckermeister.

Der Tisch der Zweitplatzierten aus Bayern.

Der Siegertisch der Wild Bakers.

Der Siegertisch der Wild Bakers.

Das Baguette der Wild Bakers war mir zu lasch im Geschmack. Die visuellen Werte sind natürlich top.

Die Siegerehrung mit den Wild Bakers (in braun).

Die Siegerehrung mit den Wild Bakers (in braun).

Ein Blick auf den Tisch des deutschen Teams beim Internationalen Bäckerwettbewerb zum Thema Musik.
Aktualisiert am 29. Dezember 2013 |
Evelyn
6. Januar 2017 um 22:40
Hallo Herr Geißler,
mich würde interessieren, was Sie von dem im September 2016 erschienenen Buch der Wildbakers halten. Ich würde mich über eine Rezension von Ihnen freuen, da ich Ihre Buchrezensionen immer sehr hilfreich finde.
Lutz
21. Januar 2017 um 09:10
Hallo Evelyn,
ich habe das Buch bereits im Newsletter rezensiert.
Öffentliche Rezensionen im Blog schreibe ich seit geraumer Zeit nicht mehr, weil ich die teils sehr persönliche Kritik an mir im Nachgang der Rezensionen nicht mehr über mich ergehen lassen wollte.
Das Wildbakers-Buch ist fundiert in den Rezepturen, mir aber zu effekthascherisch. Dennoch ist es ein empfehlenswertes Buch, man muss nur mit dem Show-Ego der beiden Bäcker klarkommen.
Karin Christian
27. März 2018 um 12:15
Hallo Lutz,
in welchem Deiner Newsletter war die Rezension der „Wildbakers“? Kannst Du den Link angeben? Danke!
Lutz
28. März 2018 um 12:48
Hallo Karin,
hier die Kurzrezension aus dem Newsletter 09/2016:
„Wer die Wildbakers kennt, wird ahnen, dass das Buch ein wenig aus der Reihe tanzt. Farbintensiv, im besten Sinne wild, unkonventionell. Das trifft nicht nur auf die Gestaltung und die Fotografie zu, sondern auch auf die Rezepte. Neben klassischen Broten spielen die beiden jungen Bäckermeister mit Zutaten, die sonst eher auf dem Herd als mit Brot zubereitet werden.
Vorteige und Sauerteige sind Standard, die Hefemenge liegt meist bei akzeptablen zwei Prozent. Auf Grundlagenwissen haben es die Autoren nicht abgesehen. Es geht um „Bakertainment“. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Nett anzusehen und sicher auch mit verblüffenden geschmacklichen Ergebnissen nachzubacken. Für mich aber eine Nummer zu dick aufgetragen, aber so sind sie eben, die Wildbakers.“
schelli
22. September 2012 um 19:50
Hab‘ mir etwas mehr Zeit genommen und dicke Füsse kassiert. Und bin zu ähnlichen Ergebnissen gekommen wie Du, Lutz. Hier: http://schellikocht.de/wordpress/
Nina
22. September 2012 um 16:21
Ich war auch da. Hab für den 12-Hallen-Marathon 4 Stunden gebraucht. Die enorme Internationalität ist mir auch aufgefallen. Den Bäckerwettbewerb fand ich interessant, ansonsten fand ich es eher enttäuschend. Die Maschinen konnten mich auch nicht wirklich beeindrucken, dafür hab ich schon zu viele Betriebe der Lebensmittelindustrie von innen gesehen ;).
Lutz
23. September 2012 um 17:36
Hallo Nina, schön, mal wieder etwas von dir zu lesen. Letztlich habe ich auch vier Stunden gebraucht, bin aber vor allem in Halle 3 bei den „richtigen Bäckern“ hängen geblieben.
Micha
21. September 2012 um 06:09
Über diese Messe wäre ich auch mit viel Interesse gelaufen – Danke fürs Mitnehmen!
Bäcker Süpke
20. September 2012 um 21:24
Ich war am Sonntag sechs Stunden auf der IBA. Leider hatte ich diese Woche keine Zeit, sonst wäre ich gern mal 2 Tage geblieben. Ich war wegen einer Maschine dort welche ich evtl. kaufen will. Aber 6h reichen nur für wenige Firmen. Ist Dir aufgefallen wie viele Nationen unter den Besuchern waren? Die IBA ist eine wirklich internationale Messe. das wirst Du merken wenn Du auf die Sachsenback kommst. Reinste „Provinz“! Gerade Maschinen Firmen zielen auf ausländische Großkunden ab. Für sie ist es ein Plattform für den Export. Mit den Ständen von den Backmittelfirmen gebe ich Dir aber Recht. Man bekommt als Bäcker eine Gänsehaut wenn man sieht was die für Riesen Stände haben, wenn man denkt was die für Geld haben und von wen die das wohl haben? Aber es gibt immer mehr Bäcker denen die Augen aufgehen. Und die habe ich auf der IBA auch getroffen!
Lutz
21. September 2012 um 05:08
Ja, ein Glück, dass es noch solche Bäcker gibt. Werde mir übrigens dein Interview am Samstag ansehen. Bin gespannt!