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14. Oktober 2013 · 21 KommentareRezension: „Richtig gutes Brot“ von Eva Maria Lipp
Skeptisch war ich, als ich das neue Buch von Eva Maria Lipp in den Händen hielt. Im vergangenen Jahr durfte ich ihr Vorgängerbuch besprechen und war von den Rezepturen alles andere als angetan.
Nun also ein weitaus umfangreicheres Buch mit Rezepten österreichischer Bäuerinnen, einigen Grundlagentipps und eigenen Rezepturen.

„Richtig gutes Brot“ von Eva Maria Lipp
Lipp ist ohne Zweifel brotbegeistert, gibt Brotbackkurse und hat schon mehr als nur Brotbackbücher veröffentlicht. Eine gewisse Routine und Erfahrung ist vorhanden. Und dennoch erscheinen einige Passagen im Buch nicht wirklich durchdacht.
Insbesondere der 40 Seiten umfassende Grundlagenteil ist mangelhaft. Der eigene Anspruch einfacher Rezepturen wird übererfüllt und birgt für den Nachbäcker unvorhersehbare Risiken, insbesondere für Anfänger. So wird zwar knapp die Sauerteigzubereitung erklärt, aber ohne auf die Verwendung einzugehen. Dem Leser wird suggeriert, dass Sauerteig auch im Kühlschrank aufbewahrt und bei Bedarf einfach in den Brotteig gegeben werden kann.
Im Gegensatz zum Anspruch der Einfachheit empfiehlt die Autorin wiederum, den Sauerteig besser jedes Mal neu über vier Tage lang anzusetzen, um Fremdgärung auszuschließen. Ein Aufwand, den wohl niemand betreiben möchte.
Lipp gibt viele Einzeltipps, ohne einen inhaltlichen Zusammenhang herzustellen, der es dem Leser ermöglichen würde, Fehler zu vermeiden. Auf Zubehör oder wichtige Techniken wird nicht eingegangen.
Neben vielen guten und hilfreichen Tipps auf den ersten Seiten schleichen sich immer wieder Verständnisfehler und schlicht falsche Hinweise ein. So werden Mehle niedriger Typenzahl mehrmals als höher ausgemahlen bezeichnet. Das Gegenteil ist der Fall. Dass Brot am besten bei Heißluft gebacken wird, ist ebenso ein Ammenmärchen.
Die umfangreiche und sich über mehrere Seiten hinziehende Backfehlertabelle gibt viele hilfreiche Tipps, enthält aber auch falsche oder unzureichende Angaben. Wenn das Brot nach dem Auftauen krümelt, kommen an erster Stelle Fehler bei der Lagerung in Betracht und nicht zwingend Fehler bei der Teigbereitung. Auch die auf den Sauerteig bezogenen Hilfestellungen sind selten zielführend.
Zu den Rezepten, die mit ca. 80 Stück zahlreich vertreten sind.
Von diversen roggenbetonten Bauernbroten über Vollkornbrote, Brote mit besonderen Zutaten (Ölsaaten, Oliven etc.) bis hin zu Früchtebroten, Festtagsbroten oder glutenfreien Broten wird kaum eine Möglichkeit ausgelassen.
Die Brotqualität schwankt teils sehr stark. Den schlicht gehaltenen, aber nicht besonders professionellen Fotografien lassen sich diese Schwankungen bereits ansehen. Krümelige Krumen, zu schwacher Ofentrieb oder ungünstige Backbedingungen (z.B. matte Krusten) fallen auf.
Alle Rezepte mit Sauerteig werden mit ca. 4% Frischhefe versetzt, was angesichts der inhaltlichen Mängel im Sauerteigkapitel nicht verwundert, um noch Trieb in den Teig zu bekommen. Generell kommt in allen Rezepten viel Hefe zum Einsatz. Zwischen 4-8% sind die Regel. Vorteige existieren nicht. Brüh- und Quellstücke dagegen werden korrekterweise vor allem für die Vollkornbrote empfohlen. Bei den glutenfreien Rezepten verlangt die Zutatenliste einen „Mehlmix“, ohne dass klar würde, was damit gemeint ist.
Die Zubereitungsangaben sind knapp, zu knapp gehalten. Keine konsequenten Angaben zu Temperaturen oder Gehzeiten, kurze Beschreibungen. Nichts für Unerfahrene.
Ich bin hin- und hergerissen. „Richtig gutes Brot“ ist kein Buch, dass ich empfehlen würde, schon gar nicht für Anfänger. Es ist aber auch kein Buch, dass ich nicht empfehlen würde. Es ist eine Mischung aus Praxiserfahrung und Halbwissen, die sicher zu essbaren Ergebnissen, aber nur in Ausnahmefällen zu richtig gutem Brot führt, wie es der Buchtitel verspricht.
Die Ansprüche sind natürlich bei jedem Leser verschieden. Wer schon etwas Erfahrung hat, mit seinem Sauerteig umzugehen weiß und Neues ausprobieren möchte, dem sei das Buch als Inspirationsquelle ans Herz gelegt. Auch das ein odere andere gute Rezept wird sich finden.
Zum Schluss sei noch auf eine weit verbreitete Unsitte hingewiesen: Das ansprechende Cover-Foto eines rustikalen Brotes ist zugekauft. Ein Rezept dafür wird im Buch nicht geboten. Die Fotoqualität sackt im Vergleich zum Cover im Buch stark ab. Es stellt sich die Frage, ob sich Bücher, die hübsche zugekaufte Fotos als Leserfänger nutzen, nicht selbst diskreditieren. Ist im Buch keines der Rezepte und Fotos eines Covers würdig?
„Richtig gutes Brot“
250 Seiten, 2013
Verlag: Löwenzahn Verlag
ISBN: 978-3706625388
Größe: 25 x 20,6 x 2,2 cm
Preis: 24,95 €
Mein Dank gilt dem Löwenzahn Verlag, der mir das Buch für die Besprechung zur Verfügung gestellt hat.
Wer seine Quellen angibt, schätzt die Arbeit Anderer wert. Ich habe in diesen Blog über zehn Jahre lang eine Menge Zeit, Kraft und Geist investiert und tue es immer noch. Deshalb bitte ich dich, bei jeder öffentlichen Nutzung meiner Ideen, Rezepte und Texte immer die konkrete Quelle anzugeben. Willst du auf dem Laufenden bleiben, dann abonniere gern meinen kostenlosen Newsletter. Möchtest du meine Arbeit am Blog unterstützen, dann freue ich mich auf DEINE HILFE.
Aktualisiert am 26. Dezember 2013 |
linde
17. Oktober 2013 um 01:16
HALLO LUTZ,
mit deinen Worten sprichst du mir aus der Seele.
Vom Löwenzahn-Verlag möchte ich kein Buch mehr kaufen, Rezepte wären ok, jedoch die Ausfertigung davon spricht dagegen!!!! Nicht mal anfängergeeignet.
LG Linde
Robert
16. Oktober 2013 um 06:15
Hallo Lutz,
du schreibst: „So werden Mehle niedriger Typenzahl mehrmals als höher ausgemahlen bezeichnet. Das Gegenteil ist der Fall.“
Aber es stimmt doch, oder?
Noch eine off-topic-Frage, weil ich nicht weiß, wohin sonst damit: Diverse Weizenmehl-/Mischbrote wie die Präsidentenbaguettes oder das Roggenmischbrot mit Vollkorn in deinem Buch werden ohne Kneten hergestellt. Die Struktur wird aufgebaut durch Falten und lange Gare. Andere Rezepte verlangen ebenso Falten und lange Gare, sollen aber teilweise bis zu 20 Minuten geknetet werden. Was spricht beim einen Brot für, beim anderen gegen das Kneten?
Lutz
16. Oktober 2013 um 16:01
Hallo Robert,
je höher der Ausmahlungsgrad, umso höher die Mehltype. Im Bäckerlexikon mehr darüber…
Zu deiner anderen Frage müsste ich sehr weit ausholen. Grundsätzlich ist Dehnen und Falten die schonendere Methode. Was wie eingesetzt wird, hängt davon ab, wie lange man die Ruhezeiten gestaltet, welche Teigkonsistenz angestrebt wird und welche weiteren Zutaten im Teig sind. Vielleicht sollte ich mir mal irgendwann die Zeit nehmen, dieses Thema genauer zu diskutieren…
Robert
17. Oktober 2013 um 12:20
Stimmt, das hab ich verwechselt. Kann aber auch leicht in die Irre führen, das Wort „Ausmahlungsgrad“. Ich nehme an, der Autorin ging es wie mir, und sie meint den Feinheitsgrad.
julia
15. Oktober 2013 um 18:33
Hier auch mein Senf! 🙂 Ich möchte wie Günther zunächst sagen, dass die Auswahl an Brotbackbüchern auf dem Markt quasi eine Katastrophe ist bzw war. Vorallem wenn man sich mal eine Zeit lang intensiver mit dem Brotbacken auseinandergesetzt hat. Und wenn man dann wirklich mal ein richtig gutes Buch mit tollen Rezepten kaufen möchte dann war man bisher nur mit Literatur bedient, die einen Anspruch an einen selbst stellte, die nicht über „Man nehme 5 Zutaten, mixe oder knete diese und haut massig Hefe hinein und fertig ist das Brot!!!“ WOW das kann ich mir auch selbst ausdenken!! So ging ich in die Uni Bibliothek und lieh mir das Buch von Hamelman auf Englisch aus, das waren wenigstens mal richtige Rezepturen… So und nun hat sich einer hingesetzt und seine ganze Leidenschaft für alle Brotbegeisterten aufgeschrieben und sich dafür richtig Mühe gegeben und da wird jetzt natürlich draufgehauen! Das kann und will ich nicht nachvollziehen! Das ist ätzend! Aber und das will ich auch noch sagen, natürlich ist es schwer wenn man selbst ein Buch rausbringt, sich quasi in die Reihe mit eingliedert, nun die anderen weiterhin wie bisher zu rezensieren. Das stelle ich mir persönlich sehr schwer vor. Ich finde jedoch das zeugt von Resepekt, den Lutz könnte ja jetzt einfach aufhören diese Leistung für uns zu erbringen und für uns Leser eine immer äußerst sachliche Rezension zu verfassen! Ich finde es gut das du diesbezüglich nicht gesagt hast, Nein nun ist mir dies nicht mehr erlaubt oder so etwas.. Weiter so!
Karin Anderson
15. Oktober 2013 um 01:31
Ich lese gern eine detaillierte, kritische Buchrezension, die es mir ermöglicht, Plus- und Minuspunkte gegeneinander abzuwägen und dann zu überlegen, was mir wichtig oder nicht ist. Die Idee, dass Lutz andere Brotbackbücher abqualifiziert, um seins eigenes besser verkaufen können, ist wirklich absurd. Schliesslich hat wohl jeder Hobbybäcker mehr als ein Backbuch im Regal stehen!
Wie Kai frage ich mich allerdings, was gegen die Aufbewahrung von Sauerteig im Kühlschrank spricht. Ich bewahre alle meine Sauerteige im Kühlschrank auf, und entnehme jeweils nur die Menge, die ich brauche, um den Starter für meine Brote meiner kleinen Bäckerei zu mixen.
LG, Karin
Kai
14. Oktober 2013 um 23:10
Nabend Lutz und Leser,
bezüglich der Aufbewahrung von Sauerteigen im Kühlschrank, denke ich dass deiner Auffassung nach undeutlich angemerkt wird, ob ST nach der Lagerung im Kühlschrank sofort wieder verwendet (verbacken ) werden kann…
Grundsatzlich ist es doch aber kein Problem einen Sauerteigrest einige Tage bei anschließender ca. 20 stündiger Neugärung eines ST, oder?
Meinen Roggensauer habe ich schon seit einem halben Jahr und er verharrte schon einige Male an denen ich nicht Zuhause war bis zu einer Woche im
Kühlschrank. Zuerst hatte ich Bedenken, aber er ist für meinen Geschmack immer noch sehr gut.
Schönen Gruß
Lutz
15. Oktober 2013 um 14:53
Das war wohl etwas missverständlich geschrieben. Im Buch wird vorgeschlagen, den fertigen Sauerteig im Kühlschrank zu lagern und dann bei Bedarf einfach in den Brotteig zu geben. Hier geht es nicht um das Lagern von Sauerteig, den man als Anstellgut für den frisch zubereiteten Sauerteig für ein bestimmtes Rezept nutzt. Das ist natürlich ohne Probleme möglich.
Björn Hollensteiner
16. Oktober 2013 um 10:13
Ich finde, wenn man Sauerteig bloß als Aromaträger mit zu Brotteigen gibt, kann man ihn durchaus auch mehrere Tage im Kühlschrank lagern. Man darf dann halt nicht zu viel nehmen, sonst ist die Säure zu prägnant.
In Unkenntnis der Rezepturen vermute ich mal, daß diese Dir zu viel „kalt gelagerten“ Sauerteig enthalten?
Lutz
16. Oktober 2013 um 16:03
Das geht natürlich auch mit kaltem/älterem Sauerteig. Im Buch wird der Sauerteig aber schon auch als Triebgeber eingesetzt. So oder so: es fehlen im Buch Hinweise zum Thema Sauerteig, die wichtig wären, damit Teig und Brot gelingen.
Kai
16. Oktober 2013 um 20:57
Ja so ein eigener Sauertzeig ist schon was feines 🙂 Ich schäme mich fas ein wenig dafür, dass ich vor etwa 2 Jahren teilweise auch fertige Backmischungen verwendet habe 😛 Mittlerweile sind 4 verschiedene Mehlsorten standartmäßig im Haus…
Ich wette der Lutz kommt auf 20 verschiedene Mehltypen, oder? 😉
Lutz
17. Oktober 2013 um 11:28
Momentan kann das sogar stimmen, weil hier noch besonderes Mehl (seltene Getreidesorte) auf einen Test wartet. Man bräuchte einfach mehr Zeit zum Backen…
Micha
14. Oktober 2013 um 10:23
Da du mit deinem eigene Buch, Lutz, auch sehr kritisch bist, finde ich die Rezension absolut sachlich. Ätzend finde ich nur, wenn an andere Maßstäbe angesetzt wird, die für auf sich selbst bezogen nicht gelten.
Ohne dieses Buch zu kennen, kann ich die Kritikpunkte von Lutz nachvollziehen.
Günter
14. Oktober 2013 um 10:16
Ich finde nichts ätzend wozu sind Rezensionen denn gut wenn nicht genau herausgearbeitet wird welche Mängel im Fachbuch zu finden sind. Es gibt meiner Meinung viel zu viel schlechte Brotbackbücher am Markt und mit den fachlichen Ausführungen von Lutz erspare ich mir Geld. Und dem Lutz vorzuwerfen er will nur sein Buch verkaufen ist lächerlich, Lutz stellt seit Anfang über 500 Brotrezepte in seinem Blog kostenlos zur Verfügung! Mfg Günter
Heike
14. Oktober 2013 um 09:58
Ich hab nun extra die bisherigen Rezensionen gelesen und kann nichts ätzendes feststellen. Überall hat Lutz Stärken und Schwächen deutlich aufgezeigt. So wie es sich für eine umfassende Rezension gehört.
hein
14. Oktober 2013 um 09:39
Dein Kommentar ist wie immer Ätzend.
Aber was will einer auch machen
wenn er nur sein eigenes Buch verkaufen will.Du solltest deine Meinung für dich behalten.
heinesser
14. Oktober 2013 um 10:29
Die Rezension ist sachlich. Ätzend ist nur Dein Kommentar.
Olli
14. Oktober 2013 um 11:17
@ hein: Ich finde die Rezension alles andere als ätzend, sondern sachlich und nachvollziehbar.
Lutz hat extrem hohe Ansprüche an Brote und Brotbackbücher, und das ist legitim. Wer meint, mit Halbwissen und unausgegorenen Rezepten auf den Buchmarkt drängen zu müssen, muss mit Kritik derjenigen rechnen, die etwas anspruchsvoller als die „Brigitte“-Zielgruppe sind.
Dass es auch durchaus Bücher gibt, die den hohen Erwartungen eines Experten gerecht werden, hat Lutz bereits bewiesen.
Beste Grüße, Olli
Lutz
14. Oktober 2013 um 13:46
Lieber Hein, mehr als meine Vorredner kann ich kaum hinzufügen. Ich setze bestimmte Ansprüche an ein gutes Brotbackbuch. Wie hoch diese Ansprüche sind, liegt übrigens nicht an dir oder meinen Bloglesern, sondern (wie überall) immer am Rezensenten. Werden diese Ansprüche meiner Meinung nach nicht erfüllt, lege ich die Gründe dafür dar und versuche dabei auch die guten Dinge eines Buches herauszustellen, wenngleich ich zugeben muss, dass mir das bei einigen Exemplaren äußerst schwer fällt.
Zum Thema Buch und Geld habe ich mich schon andernorts zu dir geäußert. Aber gern nochmal: Ich freue mich, dass du meinem Buch Qualitäten eines Bestsellers einräumst, denn nur so könnte ich nennenswert daran verdienen. Ich bin froh, wenn ich mit Ausverkauf der 1. Auflage meine Investitionen in das Buch wieder herein habe (vom zeitlichen Arbeitsaufwand mal ganz zu schweigen).
Viele Grüße,
Lutz
PS: Deine Kommentare waren, mit Verlaub, auch nicht sehr charmant.
Petra
14. Oktober 2013 um 15:00
Trollalarm?!
Lutz
14. Oktober 2013 um 19:57
Könnte man so sehen…