Richtig gutes Brot

von Eva Maria Lipp

Skeptisch war ich, als ich das neue Buch von Eva Maria Lipp in den Händen hielt. Im vergangenen Jahr durfte ich ihr Vorgängerbuch besprechen und war von den Rezepturen alles andere als angetan.
Nun also ein weitaus umfangreicheres Buch mit Rezepten österreichischer Bäuerinnen, einigen Grundlagentipps und eigenen Rezepturen.

„Richtig gutes Brot“ von Eva Maria Lipp

Lipp ist ohne Zweifel brotbegeistert, gibt Brotbackkurse und hat schon mehr als nur Brotbackbücher veröffentlicht. Eine gewisse Routine und Erfahrung ist vorhanden. Und dennoch erscheinen einige Passagen im Buch nicht wirklich durchdacht. 


Insbesondere der 40 Seiten umfassende Grundlagenteil ist mangelhaft. Der eigene Anspruch einfacher Rezepturen wird übererfüllt und birgt für den Nachbäcker unvorhersehbare Risiken, insbesondere für Anfänger. So wird zwar knapp die Sauerteigzubereitung erklärt, aber ohne auf die Verwendung einzugehen. Dem Leser wird suggeriert, dass Sauerteig auch im Kühlschrank aufbewahrt und bei Bedarf einfach in den Brotteig gegeben werden kann.  
Im Gegensatz zum Anspruch der Einfachheit empfiehlt die Autorin wiederum, den Sauerteig besser jedes Mal neu über vier Tage lang anzusetzen, um Fremdgärung auszuschließen. Ein Aufwand, den wohl niemand betreiben möchte.  
Lipp gibt viele Einzeltipps, ohne einen inhaltlichen Zusammenhang herzustellen, der es dem Leser ermöglichen würde, Fehler zu vermeiden. Auf Zubehör oder wichtige Techniken wird nicht eingegangen.


Neben vielen guten und hilfreichen Tipps auf den ersten Seiten schleichen sich immer wieder Verständnisfehler und schlicht falsche Hinweise ein. So werden Mehle niedriger Typenzahl mehrmals als höher ausgemahlen bezeichnet. Das Gegenteil ist der Fall. Dass Brot am besten bei Heißluft gebacken wird, ist ebenso ein Ammenmärchen.  
Die umfangreiche und sich über mehrere Seiten hinziehende Backfehlertabelle gibt viele hilfreiche Tipps, enthält aber auch falsche oder unzureichende Angaben. Wenn das Brot nach dem Auftauen krümelt, kommen an erster Stelle Fehler bei der Lagerung in Betracht und nicht zwingend Fehler bei der Teigbereitung. Auch die auf den Sauerteig bezogenen Hilfestellungen sind selten zielführend.


Zu den Rezepten, die mit ca. 80 Stück zahlreich vertreten sind.  
Von diversen roggenbetonten Bauernbroten über Vollkornbrote, Brote mit besonderen Zutaten (Ölsaaten, Oliven etc.) bis hin zu Früchtebroten, Festtagsbroten oder glutenfreien Broten wird kaum eine Möglichkeit ausgelassen.  
Die Brotqualität schwankt teils sehr stark. Den schlicht gehaltenen, aber nicht besonders professionellen Fotografien lassen sich diese Schwankungen bereits ansehen. Krümelige Krumen, zu schwacher Ofentrieb oder ungünstige Backbedingungen (z.B. matte Krusten) fallen auf.


Alle Rezepte mit Sauerteig werden mit ca. 4 % Frischhefe versetzt, was angesichts der inhaltlichen Mängel im Sauerteigkapitel nicht verwundert, um noch Trieb in den Teig zu bekommen. Generell kommt in allen Rezepten viel Hefe zum Einsatz. Zwischen 4 – 8 % sind die Regel. Vorteige existieren nicht. Brüh- und Quellstücke dagegen werden korrekterweise vor allem für die Vollkornbrote empfohlen. Bei den glutenfreien Rezepten verlangt die Zutatenliste einen „Mehlmix“, ohne dass klar würde, was damit gemeint ist.

Die Zubereitungsangaben sind knapp, zu knapp gehalten. Keine konsequenten Angaben zu Temperaturen oder Gehzeiten, kurze Beschreibungen. Nichts für Unerfahrene.


Ich bin hin- und hergerissen. „Richtig gutes Brot“ ist kein Buch, dass ich empfehlen würde, schon gar nicht für Anfänger. Es ist aber auch kein Buch, dass ich nicht empfehlen würde. Es ist eine Mischung aus Praxiserfahrung und Halbwissen, die sicher zu essbaren Ergebnissen, aber nur in Ausnahmefällen zu richtig gutem Brot führt, wie es der Buchtitel verspricht.

Die Ansprüche sind natürlich bei jedem Leser verschieden. Wer schon etwas Erfahrung hat, mit seinem Sauerteig umzugehen weiß und Neues ausprobieren möchte, dem sei das Buch als Inspirationsquelle ans Herz gelegt. Auch das ein odere andere gute Rezept wird sich finden.


Zum Schluss sei noch auf eine weit verbreitete Unsitte hingewiesen: Das ansprechende Cover-Foto eines rustikalen Brotes ist zugekauft. Ein Rezept dafür wird im Buch nicht geboten. Die Fotoqualität sackt im Vergleich zum Cover im Buch stark ab. Es stellt sich die Frage, ob sich Bücher, die hübsche zugekaufte Fotos als Leserfänger nutzen, nicht selbst diskreditieren. Ist im Buch keines der Rezepte und Fotos eines Covers würdig?


Richtig gutes Brot 
215 Seiten, 2013 
Verlag: Löwenzahn Verlag 
ISBN: 978-3706625388  
Größe: 25 × 20,6 × 2,2 cm 

Mein Dank gilt dem Löwenzahn Verlag, 
der mir das Buch für die Besprechung zur Verfügung gestellt hat.


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