BLOGBEITRAG
4. November 2013 · 6 KommentareRezension: „Backen nach Hildegard von Bingen“ von Jens Dreisbach und Annerose Sieck
Erst wurde sie von der Backmischungsindustrie vereinnahmt, nun zieht sie ihre Kreise durch die Koch- und Backbuch-Landschaft: Hildegard von Bingen. Sie wird vor allem gern zitiert, wenn es um die gesundheitliche Bedeutung des Dinkels geht. Dass sie fast kein Lebensmittel in seiner Wirkung auf den menschlichen Organismus unkommentiert gelassen haben muss, zeigt auch ein neu erschienenes Buch, das sich dem Brotbacken mit Zutaten verschreibt, die Hildegard von Bingen als besonders vorteilhaft angesehen haben soll.

„Backen nach Hildegard von Bingen“ von Jens Dreisbach und Annerose Sieck
Nach einer kurzweiligen Einführung zu Hildegard von Bingen, ihrem Leben, ihrer Zeit und den von ihr kommentierten sinnvollen Zutaten zum Brotbacken folgt ein Rezeptteil, der Brote, Brötchen, Kuchen, süßes und pikantes Gebäck abdeckt.
Die Rezepte sind mit Zubereitungs-, Teigruhe- und Backzeitangaben ausgestattet. Außerdem ergänzt stets ein Dreizeiler mit zusätzlichen Infos zu Zutaten und zu Hildegard von Bingens Einschätzung die recht spärlich gehaltenen Rezeptbeschreibungen (u.a. ohne Temperaturangaben für die Teigruhephasen).
Das Buch ist sicher ab dem Kapitel „Kuchen“ zum Nachbacken geeignet, alles was sich „Brot“ oder „Brötchen“ nennt, kann aber getrost ignoriert werden. Schon allein der Anblick der Backwaren auf den schönen, warm und üppig ausgestatteten Fotos lässt alle Sinne verstummen und den Mund verschließen. An Nachbacken ist gar nicht zu denken. Dichte, größtenteils bröselige Krumen, blasse, oft eingefallene Krusten. Kein Brot, das zum Hineinbeißen anregen würde, kein Rezept ohne eine Unmenge an Hefe.
Die Rezepturen sind unausgegoren. Schrote und (Dinkel-) Mehle werden nicht ausreichend verquollen, überhaupt sind viele Teige zu trocken. Mal wird Frisch- und mal Trockenhefe, mal frischer Sauerteig, mal Tütensauer verwendet. Keine Konstanz in den Rezepturen, keine Erklärungen zu den Grundlagen.
Hildegard von Bingen würde sich vermutlich im Grabe umdrehen beim Anblick der Rezepte. Für einen guten Aufschluss der im Getreide enthaltenen Bestandteile sind deutlich längere Quell- und Gehzeiten ratsam.
Zum Kuchen- und Plätzchenbacken einen Blick wert, für Brote und Kleingebäck aber ist das Buch nicht zu empfehlen.
„Backen nach Hildegard von Bingen“
176 Seiten, 2013
Verlag: Komet
ISBN: 978-3869413396
Größe: 26,6 x 21,2 x 1,8 cm
Preis: 12,99 €
Mein Dank gilt dem Komet-Verlag, der mir das Buch freundlicherweise zur Besprechung zur Verfügung gestellt hat.
Nachtrag (05.11.2013): Bevor falsche Vermutungen aufkommen: Diese Rezension habe ich noch vor meinem Südback-Besuch geschrieben und steht damit in keinem Zusammenhang (es ist tatsächlich ein schöner Zufall, auch die Formulierung am Ende der Besprechung…).
Wer seine Quellen angibt, schätzt die Arbeit Anderer wert. Ich habe in diesen Blog über zehn Jahre lang eine Menge Zeit, Kraft und Geist investiert und tue es immer noch. Deshalb bitte ich dich, bei jeder öffentlichen Nutzung meiner Ideen, Rezepte und Texte immer die konkrete Quelle anzugeben. Willst du auf dem Laufenden bleiben, dann abonniere gern meinen kostenlosen Newsletter. Möchtest du meine Arbeit am Blog unterstützen, dann freue ich mich auf DEINE HILFE.
Aktualisiert am 26. Dezember 2013 |
Peter
18. März 2019 um 09:18
https://www.rezeptwelt.de/brot-broetchen-rezepte/dinkelbrot-nach-hildegard-von-bingen/9npjyxr4-40c43-081624-cfcd2-f1dxex4l. Einfach Hildegard von Bingen-Brot bei Tante Google eingeben und dann kommen die Hinweise. Scheint aber verschiedene Hildegard von Bingen zu geben.
Eli
17. März 2019 um 17:34
Hallo,
ich bin auf der Suche nach einem „Hildegard von Bingen-Brot“. Da soll es angeblich ein „typisches“ Rezept geben, ich kann aber leider keines irgendwo finden.
Wäre schön, wenn mir hier weitergeholfen werden kann.
amberlight
5. November 2013 um 12:44
Eine erhellende Rezension und wohl überhaupt das Blog-Fundstück des Tages, nachdem ich gestern meine ersten Brötchen nach dem Rezept der Uroma bei mir präsentiert habe und den Tipp bekam, doch mal bei dir vorbeizuschauen …
Karin Anderson
4. November 2013 um 22:21
Wieder mal eine treffende Beschreibung, die es leicht macht, eine Entscheidung zum Kauf – oder Nichtkauf – eines Backbuchs zu treffen.
Da muss ich die Fotos gar nicht mehr selbst besehen, „bröselige Krumen“ und „blasse Krusten“ kann ich mir sehr gut vorstellen (ein Blick in die Brotregale unseres örtlichen Supermarkts reicht).
hein
4. November 2013 um 09:41
Sind alle Rezepte von Ihnen nachgebacken und verkostet worden?
Lutz
4. November 2013 um 14:56
Klare Frage, klare Antwort: nein. Ich traue mir durchaus zu, beim Anblick bestimmter Rezepturen das Brot „im Kopf backen“ zu können. Und wie sich demnächst in einer Besprechung von einem Lafer-Buch zeigen wird, täusche ich mich selten.