Der große Lafer Backen

von Johann Lafer (mit Rezepttest)

Auf der Frankfurter Buchmesse bin ich über ihn gestolpert, den Lafer. Nicht persönlich, wie Ariane, aber immerhin in Buchform. Und das musste im Prinzip jedem Messebesucher passieren, der in Halle 3.0 unterwegs war. Lafer überall, besonders am Stand von Gräfe und Unzer. Ein Blick in den 2012 erschienenen Band „Der große Lafer Backen“ hat mich neugierig gemacht. Deshalb liegt es nun vor mir, das 480 Seiten starke, globige Werk mit mehr als 200 Rezepten aus der süßen und herzhaften Backwelt.

„Der große Lafer Backen“ von Johann Lafer (mit Rezepttest)

Meinen kritischen Blick habe ich beim Anblick des Namens „Lafer“ nicht abgegeben, aber Respekt flößt er mir schon ein, angesichts seiner multimedialen Erscheinung. Vermutlich gibt es mehrere Lafer, sonst wäre das Pensum kaum zu schaffen. Egal. Dieser Respekt verlangt es von mir, mich nicht nur theoretisch, sondern an einem Beispiel auch ganz praktisch mit Lafers Rezepten zu befassen. Wie kann es anders sein, meine Wahl fiel auf seine Baguettes. Aber dazu später mehr.


Lafers Backbuch ist sinnvoll aufgebaut. Am Anfang ein paar Seiten Warenkunde und Einführung in die Zubehörwelt, am Ende Tipps und Tricks für bestimmte Zubereitungsweisen. Der Schwerpunkt aber liegt auf den Rezepten, sehr schön fotografiert, jeder Schritt einzeln abgebildet und beschrieben. Ein Luxus, den sich nur wenige Bücher leisten.

Den Anfang machen immer Standardrezepte, die dann um etliche, weniger bebilderte Variationen ergänzt werden. Das inhaltliche Spektrum ist riesig. Von Biskuit, Kuchen und Torten über Backpulvergebäcke, Plätzchen und Fettgebäcke bis hin zu Broten, Pizza oder Flammkuchen ist alles dabei.


Lafer arbeitet durchweg nur mit natürlichen Rohstoffen und ohne Fertigprodukte. Zwar wird in Sauerteigrezepten gern auf Fertigsauer verwiesen, aber auch die Sauerteigherstellung zu Hause ist knapp, aber ausreichend beschrieben.

Die Rezepte ohne Hefe und Sauerteig sehen gut und verführerisch aus. Die Zubereitung und Zutaten gleicht dem, was auch meine teils über 100 Jahre alten Bäcker- und Konditorenbücher aufführen.  Meine Konzentration gilt aber all den anderen Rezepturen, die in Richtung Brot und Kleingebäck gehen.


In den einführenden Grundlagen ist vieles richtig wiedergegeben, nur an zwei Stellen habe ich Probleme. Lafer schreibt davon, dass in Broten vor allem niedrig ausgemahlene Mehle und Vollkornmehle verwendet werden. Wie oft auch bei anderen Autoren, verwechselt Lafer hier den Feinheits- und den Ausmahlungsgrad. Brote werden mit Mehlen höheren Ausmahlungsgrades gebacken (= höhere Mehltype).


Was mich viel mehr schmerzt, folgt im Abschnitt „Hefe“. Eine möglichst warme, rasche Teigführung wird favorisiert, der Geschmack bleibt auf der Strecke. Die Funktion des durchaus angesprochenen Vorteiges erschließt sich im Buch nicht. Es steht lediglich zu lesen, dass ein Vorteig bei Trockenhefe, anders als bei Frischhefe, nicht nötig wäre. Vermutlich spricht Lafer von einem Hefestück, einem schnellen Vorteig, der vor allem bei fettreichen Teigen eingesetzt wird, um den Hefen die Chance zum Stoffwechsel zu geben, bevor das viele Fett sie ausbremst. Weshalb dies aber bei Trockenhefe überflüssig sein soll, bleibt im Buch offen.


Anders als andere Autoren, die Teige direkt führen, verwendet Lafer relativ wenig Hefe (2 bis reichlich 4 %), muss aber dennoch mit vergleichsweise wenig Aroma und schlechteren Back- und Gebäckeigenschaften leben. Die Backwaren, insbesondere Baguettes, Laugenbrezeln, Sauerteigbrot und Vollkornbrot, haben wenig Volumen, keine ansprechenden Krusten.

Häufig verzichtet Lafer auf die wichtige erste Teigruhe und formt nach dem Kneten sofort die Teiglinge. Sein Vollkornbrot ist kein Vollkornbrot (es hat nur knapp 60 % Vollkornanteil). Außerdem knetet er den Teig zu kurz. Ein Quellstück für die Körner und Saaten würde Wunder wirken.

Das Laugenbrezelrezept enthält zu viel Salz (3 %). Die Brezeln bleiben dadurch gedrungen und ohne schönen Ausbund.


Lafers Sauerteigbrot hat diese Bezeichnung nicht verdient. Gerade einmal 6 % Sauerteig enthält der Teig (auf das Mehl berechnet). Viel zu wenig, um dem Brot den Sauerteigcharakter aufzuprägen oder es gar zu treiben. Für den Trieb kommen dann knapp 2 % Hefe zum Einsatz. Leider fehlt ein Foto der Brotkrume. Angaben zur Knetgeschwindigkeit fehlen, wie bei allen Brotrezepten. Die Knetzeiten sind somit überflüssige Angaben.

 

Um nicht nur über ungelegte Eier zu schreiben, habe ich mich an Lafers Baguette-Rezept probiert. Vor dem Backen habe ich mir (basierend auf der Rezeptur) folgende Mutmaßung über die zu erwartende Qualität der Baguettes aufgeschrieben:

Feinporige, etwas feste Krume. Kleines Volumen, matte, ledrige Kruste. Fader, blasser Geschmack.

Baguettes nach Lafer (Original)

  • 500g Weizenmehl 550
  • 350g Wasser
  • 10g Frischhefe
  • 10g Salz

Die Hefe im lauwarmen Wasser auflösen. Mehl und Salz zugeben. Alles zu einem glatten und geschmeidigen Teig verarbeiten (ich: 5 Minuten auf niedrigster, 10 Minuten auf zweiter Stufe; Teigtemperatur 32 °C).

4 Teiglinge abstechen, rundwirken und 30 Minuten im Leinen ruhen lassen.

Jeden Teigling auf 20 × 10 cm Größe flach drücken und zu je einem Drittel einschlagen (wie einen Geschäftsbrief falten). Das Gleiche von der anderen Seite her wiederholen.
Nun den Teig dreimal einschlagen/aufrollen und zu einem langen, spitz zulaufenden Baguette formen (ca. 30 cm lang).

Mit Schluss nach oben 30 Minuten im Leinen gehen lassen.

Bei 250 °C fallend auf 200 °C 20 Minuten backen (ich habe aus Versehen mit Dampf gebacken, davon steht im Buch aber nichts).

Material- und Energiekosten: 1,35 €

Zubereitungszeit gesamt: ca. 2 Stunden

Zubereitungszeit am Backtag: ca. 2 Stunden

Die Baguettes nach dem Rezept von Lafer haben eine feinporige und geschmacklose Krume.

Die Baguettes nach dem Rezept von Lafer haben eine feinporige und geschmacklose Krume.

© Lutz Geißler, www.brotbacken.de (cc-by-nc-nd)
„Der große Lafer Backen“: Baguettes nach Lafer: feinporig und geschmacklos

Ich würde Johann Lafer zu gern zu einem meiner Backkurse einladen. Und da das wohl außerhalb jeder Realität liegt, habe ich mir erlaubt, Lafers Rezept so anzupassen, dass ein geschmacklich und optisch gutes Baguette herauskommt. Die Mengen sind gleichgeblieben (außer bei der Hefe). Ich habe lediglich einen Vorteig angesetzt und die Teigführung verändert. Zwar braucht es nun bis zum Backen 1 Stunde länger, aber der Qualitätsunterschied ist enorm. Vielleicht habe ich einmal die Gelegenheit, Herrn Lafer von diesem Rezept nach Lafer zu überzeugen…

Baguettes nach Lafer (Gegenentwurf)

Vorteig (Poolish)

  • 125g Weizenmehl 550
  • 125g Wasser
  • 0,1g Frischhefe

Autolyse-Teig

  • 375g Weizenmehl 550
  • 225g Wasser

Hauptteig

  • Vorteig
  • Autolyse-Teig
  • 10g Salz
  • 5g Frischhefe

Die Vorteigzutaten mischen und 20 Stunden bei ca. 20 °C reifen lassen.

Mehl und Wasser gut vermengen und 30 Minuten ruhen lassen (Autolyse).

Sämtliche Zutaten 5 Minuten auf niedrigster Stufe und weitere 5 Minuten auf zweiter Stufe zu einem mittelfesten Teig kneten, der sich nicht vollständig vom Schüsselboden löst (Teigtemperatur 26 °C).

1 Stunde Gare bei 24 °C. Nach 30 Minuten einmal falten.

4 Teiglinge abstechen, vorformen und 15 Minuten mit Schluss nach oben im Leinen ruhen lassen.

Zu Baguettes formen und weitere 15 Minuten zur Gare bei ca. 24 °C stellen.

Einschneiden und bei 250 °C 15 Minuten mit Dampf backen.

Material- und Energiekosten: 1,35 €

Zubereitungszeit gesamt: ca. 23 Stunden

Zubereitungszeit am Backtag: ca. 3 Stunden

Nachdem die Rezeptur der Baguettes von Lafer von Lutz Gießler abgewandelt wurde, haben die Baguettes eine im Anschnitt gut sichtbare grobe, unregelmäßige Porung und eine zartsplittrige Kruste.

Nachdem die Rezeptur der Baguettes von Lafer von Lutz Gießler abgewandelt wurde, haben die Baguettes eine im Anschnitt gut sichtbare grobe, unregelmäßige Porung und eine zartsplittrige Kruste.

© Lutz Geißler, www.brotbacken.de (cc-by-nc-nd)
„Der große Lafer Backen“: Veränderte Rezeptur: Aromatisch, unregelmäßige Porung, zartsplittrige Kruste

Mein Urteil in aller Kürze:

  • Lafers Baguettes sind feinporig und kleinvolumiger als der Gegenentwurf. Geschmack kommt nur über die etwas dicke, zähe Kruste. Die Krume riecht muffig und schmeckt fad (andere würden sagen: „nach nichts“).
  • Mein Gegenentwurf hat ein etwas größeres Volumen, eine unregelmäßige, mittlere bis grobe Porung und eine zart-splittrige Kruste. Das wichtigste aber ist der subtile Eigengeschmack, der durch den Vorteig ins Spiel gebracht wird.
Die beiden Baguettes weisen bereits im nicht angeschnittenen Zustand deutliche Unterschiede auf. Das Baguette von Lafer ist deutlich kleiner geblieben und die Schnitte sind nicht so rustikal aufgebrochen.

Die beiden Baguettes weisen bereits im nicht angeschnittenen Zustand deutliche Unterschiede auf. Das Baguette von Lafer ist deutlich kleiner geblieben und die Schnitte sind nicht so rustikal aufgebrochen.

© Lutz Geißler, www.brotbacken.de (cc-by-nc-nd)
„Der große Lafer Backen“: Die Baguettes im Vergleich: rechts Lafers Rezeptur, links meine veränderte Fassung.
Das, was die Fotos der Baguettes im nicht angeschnittenen Zustand bereits vermuten ließen, wird nun bei den Baguettes im Anschnitt sichtbar. Das Baguette von Lafer ist deutlich feinporiger und kleinvolumiger als der Entwurf von Lutz Geißler. Dieser ist etwas größer im Volumen und hat eine unregelmäßige, mittlere bis grobe Porung.

Das, was die Fotos der Baguettes im nicht angeschnittenen Zustand bereits vermuten ließen, wird nun bei den Baguettes im Anschnitt sichtbar. Das Baguette von Lafer ist deutlich feinporiger und kleinvolumiger als der Entwurf von Lutz Geißler. Dieser ist etwas größer im Volumen und hat eine unregelmäßige, mittlere bis grobe Porung.

© Lutz Geißler, www.brotbacken.de (cc-by-nc-nd)
„Der große Lafer Backen“: Rechts Lafer, links meine veränderte Rezeptur.

Fazit

Ein großartiges Kompendium für süße Mehlspeisen mit üppig bebilderten und gut nachvollziehbaren Standardrezepten, das ich gern und aus Überzeugung von der Qualität in meiner Küche stehen habe. Die wenigen Rezepturen für Brote oder brotartige Backwaren sollten jedoch überblättert werden.


Der große Lafer BACKEN 
477 Seiten, 2021 (Imprint) 
Verlag: GRÄFE UND UNZER Verlag 
ISBN: 978-3833883583 

– Diese Rezension bespricht eine ältere Auflage –
Mein Dank gilt dem GU-Verlag, der mir das Buch freundlicherweise zur Besprechung zur Verfügung gestellt hat.


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