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22. Juni 2015 · 9 KommentareRezension: „Brot & Gebäck selber backen“ von Johanna Sederl

„Brot & Gebäck selber backen“ von Johanna Sederl
Die österreichische Autorin und Ernährungsberaterin Johanna Sederl hat sich vor über 20 Jahren der Vollkornernährung verschrieben. Ihre Rezepte, vorwiegend aus dem Brot- und Kleingebäckbereich, hat sie nun in Buchform gegossen.
Neben einem im Vergleich zu anderen Büchern üppigeren 30-seitigen und fachlich weitgehend stimmigen Grundlagenteil bietet das Buch Vollkornrezept für Hefe-, Backpulver-, Sauerteig- und triebmittelfreie Backwaren, die auf mannigfaltige Weise mit Nüssen, Gewürzen oder Kräutern kombiniert werden.
Obwohl das Buch auf die Eigenheiten und positiven Inhaltsstoffe des vollen Korns eingeht, fehlt sowohl im Grundlagenteil als auch in den Rezepten der Hinweis auf Phytin, ein Pflanzenstoff, der große Teile der Mineralstoffe bindet und diese ohne lange Verquellungszeiten und/oder Versäuerung auch nicht für den menschlichen Körper frei gibt.
Da die Autorin offensichtlich Wert auf die Mineralstoffe legt und die Behauptung aufstellt, Vollkornmehle aus dem Supermarkt würden weniger Mineralstoffe enthalten (hier sind begründete Zweifel gegeben, wenngleich die meisten Supermarktmehle aus vielen anderen Gründen im Regal gelassen werden sollten), darf die Frage gestellt werden, weshalb sie diese Mineralstoffe in den Rezepturen dann nicht für den Leser bzw. Esser verfügbar macht.
Die eingesetzte Hefemenge beträgt rund vier Prozent, was vor dem Hintergrund vieler anderer Brotbackbücher schon angenehm wenig ist, aber immer noch zu viel, um ein ausgewogenes, bekömmliches Brot zu backen, insbesondere im Vollkornbereich.
Unverständlich bleibt, weshalb die Autorin Broten nach dem Formen eine Gehzeit gönnt, Kleingebäcke aber sofort ohne Stückgare in den heißen Ofen geschoben werden. Was zunächst wie ein Faux-pas erscheint, zieht sich durch das gesamte Buch.
Ob das Teigwasser über eine im Buch angepriesene Firma aktiviert werden sollte, um mehr Aromen im Brot zu erzeugen, mag der Fantasie des Lesers überlassen bleiben. Wissenschaftlich nachgewiesen sind die postulierten Effekte derartiger „Wasserbehandlungsanlagen“ verschiedenster Firmen bislang nicht.
Der Wechsel zwischen Fertigsauerteig, eigenem Sauerteig und Backferment sowie Backpulver, Frischhefe und Trockenhefe innerhalb des Buches macht es dem Nachbäcker schwer, das Buch insgesamt nutzen zu können, andernfalls sind insbesondere bei den Sauerteigen aufwändigere Umrechnungen nötig.
Die Teigkonsistenzen sind oft zu fest gehalten. Die Tipps zum Kneten des Teiges befördern dies noch (Mehl, Mehl, Mehl…).
Ganz von den Rezepturmängeln abgesehen, weiß der Leser nicht recht, ob die Fotos nun tatsächlich die Brote darstellen, die in den Rezepten niedergeschrieben sind. Etliche Abbildungen passen für den erfahreneren Bäcker nicht zur Rezeptur. Ein Blick in den Bildnachweis zeigt, dass Fotos zugekauft wurden und als Platzhalter fungieren, denen ein ganz anderes Rezept zu Grunde liegt – heute leider Alltag in der Buchbranche.
Fazit: Durchwachsene Rezepte, die dem vollen Korn und seinen Inhaltsstoffen nur in Ausnahmen (reine Sauerteigbrote) gerecht werden.
Brot & Gebäck selber backen
128 Seiten, 2015
Verlag: Kneipp-Verlag
ISBN: 978-3708806525
Preis: 16,99 €
Mein Dank gilt dem Kneipp-Verlag Wien, der mir das Buch freundlicherweise zur Besprechung zur Verfügung gestellt hat.
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Aktualisiert am 8. Juni 2015 |
Enno
29. Juni 2015 um 11:09
Hallo Lutz, was hat es denn mit dem Phytin auf sich und was müsste man da beachten, um die Mineralstoffe nutzbar zu machen?
Lutz
3. Juli 2015 um 15:25
Siehe Phytin im Bäckerlexikon.
Karin
22. Juni 2015 um 15:12
Mich würde interessieren, aus welchen Mehlen die glutenfreien Brote gemacht sind. Hast Du die mal genauer angeschaut?
Lutz
23. Juni 2015 um 07:50
Mit Buchweizen.
Thomas
22. Juni 2015 um 12:37
Kurze Frage zum Mehlkauf: Was ist denn das Problem mit Supermarktmehlen?
Lutz
23. Juni 2015 um 07:48
Die meisten sind behandelt, mindestens mit Ascorbinsäure. Muss man nicht schlecht finden, aber kann man…
Michael
22. Juni 2015 um 12:28
Zu den Bildern: Schon allein das Titelbild sieht nicht sonderlich appetitlich aus. Ich frage mich, wieso man sich nicht wenigstens da mehr Mühe gibt.
Karin Anderson
22. Juni 2015 um 14:32
Da kann ich Michael nur zustimmen. Obendrein scheint das Titelbrot auch noch an Übergare zu leiden.
Ansonsten wieder eine detaillierte Rezension, die eine Kaufentscheidung (oder nicht!) leicht macht.
Christine
22. Juni 2015 um 11:11
Oh, hilfe! Das klingt ja nach so einem typischen Esoterikbuch.
Ich persönlich finde es schade, wenn die Fotos nicht zu den Rezepten passen. Das ist mir auch schonmal in einem Buch aufgefallen und ich habe mich wirklich geärgert. Schließlich sollen auch die Unerfahrenen in der Küche mit den Rezepten etwas anfangen können und wenn dann das Bild nicht zum Rezept passt – woher soll man dann wissen, ob man alles richtig gemacht hat? (Wenn auch die Beschreibungen im Text nicht so das Wahre sind).