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16. November 2015 · 12 KommentareRezension: „Kapps Brot – Rezepte für den Thermomix“ von Peter Kapp

„Kapps Brot – Rezepte für den Thermomix“ von Peter Kapp
Nach dem eher durchwachsenen Nachfolger von Kapps Brotbuch im Heel-Verlag ist nun in der Edition Lempertz ein weiteres Buch von Bäckermeister und „Deutschlands bester Bäcker“-Juror Peter Kapp erschienen. Er hat dafür seine Rezepte auf den im Schneeballsystem vermarkteten Thermomix adaptiert. Da ich schon etliche Male dieses Gerät zum Test in Sachen Brotbacken unter meinen Augen hatte, war ich gespannt darauf, wie Kapp die Tücken des Gerätes löst. Oder besser: ob er sie löst.
Die obligatorischen Zutatenkunde- und Verarbeitungshilfsseiten sind auch in diesem Buch enthalten, aber inhaltlich überwiegend so belanglos, dass man sie hätte nicht abdrucken brauchen.
Die Rezepte sind, Kapp-typisch, einfach gehalten und variieren weniger die Teigführung als die geschmacksgebenden Zutaten. Also auch in diesem Buch wieder Fougasse mit diesem und Fougasse mit jenem. Aber das ist das Markenzeichen Kapps. Ergänzt werden die Weißbrote durch diverse Vollkornbrotvarianten.
Inhaltlich sind die Rezepte weitgehend korrekt, wenngleich 30 Minuten Reifezeit bei meist 2% Frischhefe schon eher knapp bemessen sind. Ein entscheidender Fehler zieht sich allerdings durch alle Sauerteigbrotrezepte. Stets soll der Sauerteig nur 10 Minuten lang reifen, egal ob Weizen-, Dinkel- oder Roggensauerteig. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein und stellt einen Großteil der Rezepte in Frage, weil sie zum Scheitern verurteilt sind. 20 Stunden wären bei 2% Anstellgutmenge ratsamer.
Die Fotografien sind deutlich besser gelungen als im zuletzt besprochenen Buch von Peter Kapp, stammen aber für erfahrene Augen nicht von einem professionellen Fotograf. Die Lichtverhältnisse und Farbtönungen schwanken allzu stark.
Aber zum interessantesten Punkt des Buches: Die Arbeit mit dem Thermomix. Peter Kapp muss sich der Schwächen des Gerätes in Sachen Teigkneten bewusst gewesen sein, denn er hat bei weizenlastigen Rezepten stets eine Autolysephase angedacht, in der sich ein wesentlicher Teil des Klebernetzwerkes von selbst vernetzten kann. Der Thermomix selbst schafft es nicht adäquat. Kapp reduziert dadurch die Knetzeiten, bewahrt damit den Teig vor den Mixermessern und vor allem vor der immensen Teigerwärmung im Thermomix – auch weil ausnahmslos kaltes Wasser verwendet werden soll. Angesichts des Thermomix‘ eine gute Entscheidung.
Aber all das funktioniert auch dann immer noch nicht optimal. Das Klebergerüst ist mit den angegebenen Zeiten in keinem der Weizenrezepte voll auszukneten. Kein Problem, wenn der Vergleich im Ergebnis fehlt bzw. die eigenen Ansprüche ans Brot nicht allzu hoch geschraubt sind.

Das „Pain aux noix“ im Buch und 1:1 nachgebacken.
Ich habe von einer unbefangenen Person, die sich kürzlich den Thermomix zugelegt hat, das Rezept für das Titelbrot, das „Pain aux noix“, exakt nach den Angaben im Buch nachbacken lassen. Durch die oben genannten und von Kapp glücklicherweise eingeführten Änderungen zu original Thermomix-Brotrezepten ergab sich eine gute Teigtemperatur von rund 24°C nach dem „Kneten“. Das Brot ist gut aufgegangen, lässt sich gut ansehen, hat aber eine Krume mit kurzem Biss, wenig Elastizität und einer deutlich dichteren Struktur als es das Foto im Buch darstellt. Meiner Testperson nach war die Backzeit zu kurz angegeben, was aber auch dem jeweiligen Ofen zugeschrieben werden kann. Geschmacklich hatte das Brot leider nichts zu bieten. Zwischen muffig und neutral, mit kleinen Nuss-Highlights.
Fazit: Vermutlich ein Schnellschuss, dem es an inhaltlicher Konsequenz und Korrektheit, an konzeptorischer Tiefe fehlt. Für Thermomixliebhaber eine unbedingt zu empfehlende Alternative zu den originalen Thermomix-Brotrezepten. Für alle anderen wieder ein Grund, in Sachen Brot Abstand vom Thermomix zu halten.
KAPPs Brot: Rezepte für den Thermomix
128 Seiten, 2015
Verlag: Edition Lempertz
ISBN: 978-3945152768
Preis: 19,99 €
Aktualisiert am 17. November 2015 |
Inge bachmann
17. Dezember 2015 um 18:07
Lieber Lutz,
jetzt bin ich doch Froh, dass ich die Rezension dieses Buch gelesen habe. Wollte mir eigentlich zulegen, lasse es jetzt aber.
Bin aber doch äußerst pikiert, dass du den Thermomix so „angreifst“!!!!
Ich bin eine BEGEISTERTE Bäckerin und habe schon viele Rezepte von dir nachgebacken. Ob Brot mit Weizen, Roggen oder wie auch, der TM hat mir fast immer tadellose Ergebnisse geboten. Logisch sprengen große Mengen den „thermomixrahmem“.
Aaaaaaber – Gerade durch das einfache und unkomplizierte arbeiten mit dem TM sind viele wieder auf den Geschmack gekommen überhaupt selber Brot oder Brötchen zu zaubern. Auch wenn dann das Ergebnis nicht gaaaanz so ist, wie es sich ein solch begnadeter Bäcker wie DUUUU vorstellt, ist der normale Bäcker mehr als zufrieden, das weiß ich aus viiiiielen Gesprächen mit TM Besitzern.
Viele erkennen erst durch’s selber backen, wie wunderbar selbst gebackenes Brot schmeckt und denen -und mir -sollte man nicht absprechen, dass sie das selber wissen.
Manchmal muss man die Kirche im Dorf lassen – und eine Stufe zurückdrehen.
Die Behauptung, dass der TM sich durch ein Schneeballsystem verkauft ist, gelinde gesagt, ein starkes Stück – das muss ich schon sagen.
DA TRÜGT DICH DEIN GEFÜHL – ABER GEWALTIG!!!!!!
LIebe Grüße und eine gesegnete Weihnachtszeit
Michael Hogger
22. Januar 2016 um 23:44
Hallo Inge,
ich finde schon, dass das Verkaufssystem wie ein Schneeballsystem funktioniert. Ich war selbst kurze Zeit „Beraterin“. Bin aber Gott sei Dank schnell wieder davon abgekommen. Den TM kann ich zum Brot backen wirklich niemandem empfehlen. Ich habe eine Cooking Chef. Während meiner Zeit als Beraterin hatte ich also den direkten Vergleich zwischen CC und TM. Selbst meine Familie schmeckte sofort unterschied. Die Rezepte vom TM sind ja schrecklich! Wir fanden die Ergebnisse katastrophal. Liebe Grüße, Michael Hogger
Holger
29. November 2015 um 15:34
Hallo,
ich habe eben die Zimtschnecken aus dem Blog im Thermomix gemacht, und die sind sehr gut geworden. Meine Häussler SP10 ist für die Teigmenge einfach zu groß. Und ich finde, dass man im Thermomix kleine Hefeteigmengen schon gut verarbeiten kann. Für Roggennteig oder größere Brote ist das Gerät natürlich nix. Ich möchte mich an dieser Stelle für die schönen Rezepte und den guten Blog bedanken.
Gruß
Holger
colmans
17. November 2015 um 11:29
Man kann über den Thermomix ja durchaus gespaltener Meinung sein und man sollte sich die Frage stellen, ob Töpfe und Backofen nicht sinnvoller sind:
aber der Hersteller vertreibt seine Produkte NICHT im Schneeballsystem.
Das ist nämlich Deutschland und EU-weit verboten!
Zitat aus Wikipedia zu Schneeballsystem:
Schon der „Versuch“, ein Schneeballsystem ins Leben zu rufen, ist strafbar.
Lutz
17. November 2015 um 19:31
Danke dir für die Aufklärung. Für mich ist es gefühlt dennoch dieses System. Ich habe die Bezeichnung gestrichen.
André
17. November 2015 um 10:26
Ich finde es irgendwie erschreckend, dass ein Mann, der quer durch Deutschland reist um dessen besten Bäcker zu finden und eigentlich fast immer irgendetwas zu meckern hat, daher geht und ein scheinbar so niveauloses (bezogen aufs Brot backen) Buch auf den Markt schmeißt. Von diesem dämlichen Thermomix mal ganz abgesehen…
Wenn man Kapp im TV über Teige, Teigführung, Aromen, Porung und Säurespitzen reden oder gar philosophieren hört, würde man wohl sicher etwas anderes erwarten. Ich tue das zumindest.
Yushka - Sugarprincess
17. November 2015 um 09:32
Lieber Lutz,
sicher richtige Argumente, die gegen das Buch sprechen, aber die Schlussfolgerung, eben daher sei der Thermomix zu meiden, ist meiner Ansicht nach nicht richtig. Vielmehr bedarf es endlich eines guten Rezeptkatalogs mit anspruchsvollen Rezepten speziell für den Thermomix.
Ich hab den Thermomix bereits mit der Bosch MUM und der Kitchen Aid verglichen – er bringt das bessere Ergebnis in kürzerer Zeit – und du weißt ja, dass ich täglich damit backe und weiß, wovon ich rede. Ganz klar ist, dass der Thermomix nicht für größere Teigmengen geeignet ist – dafür arbeitet er in der halben Zeit – ich lasse ihn für zwei Brote daher einfach hintereinander arbeiten – das tut sich vom Zeitaufwand her vermutlich nichts.
Nichts spräche dagegen, auch bei den Thermomix-Rezepten mit langen Teigführungen und kalter Gare zu arbeiten. Ich glaube nur, dass die meisten Thermomix-Nutzer genau deshalb den Thermomix nutzen, weil sie damit in wesentlich kürzerer Zeit einen recht ordentlichen Brotteig herstellen können, der immer noch zu einem weit besseren Ergebnis führt, als die Brote, die man beim „Bäcker“ kaufen kann (wenn es nicht gerade der seltene exquisite Handwerksbäcker ist).
Ich kenne übrigens durchaus Blogs, die sehr schön mit dem Thermomix Brot backen – mit wenig Hefe, langen Teigführungen und entsprechend ausgezeichnetem Ergebnis.
Dir schicke ich herzliche Grüße – beim unserem nächsten Treffen müssen wir unbedingt mal eine Runde live diskutieren! 🙂
Yushka
Lutz
17. November 2015 um 19:27
Hallo Yushka,
ich spreche dem Thermomix ja nicht ab, dass er Teig kneten und der „Bediener“ daraus auch ein Brot backen kann. Im Vergleich zu einem Teig, der in einer guten Küchenknetmaschine geknetet wird, wird das Brot aus dem Thermomix aber immer in Sachen Volumen und u.U. Lockerung hinterher hinken. Wenn ich einen Weizenteig im Thermomix optimal auskneten möchte, muss ich mit Eis arbeiten und selbst dann ist die Gefahr hoch, dass er mir zu warm wird. Sicher, ich kann mit ihm auch einfach Autolyse, Mischphase und lange Teigführung verwenden und dadurch ein tolles Brot backen. Aber dann brauche ich kein Gerät dafür, sondern eigentlich nur meine Hände.
Was ich letztlich sagen möchte: Der Thermomix mag gut für viele Arbeiten in der Küche sein und ich weiß, dass auch viele Profis dieses Gerät nicht mehr missen wollen, aber zum Brotbacken/Teigkneten ist er für mich die schlechteste Wahl. Deshalb: Wer überlegt, mit dem Thermomix hauptsächlich Brot backen zu wollen, der sollte die Finger davon lassen. So ist jedenfalls meine Erfahrung aus diversen eigenen Vergleichstests.
sin-die-weck-weg
18. November 2015 um 20:06
Lutz, ich kann dir nur beipflichten!
Ich habe einen Thermomix, finde ihn gut, er kann sicher vieles – aber „Kneten“ gehört sicherlich nicht zu seiner Kernkompetenz!!!
Allein die Tatsache, dass generell viel (also nicht nur beim Teigkneten) viel im / unter dem Messer hängen bleibt, ist für roggenlastige, klebrige Teige eine Gruselvorstellung: Der Thermomix und ich vereint im Roggenteig … 😉
. Es ist auch vom Ergebnis (also vom „Teigfeeling“) her ein Unterschied, ob ich den Thermomix oder eine zum Kneten konzipierte Maschine nehme. Eine „eierlegende Wollmilchsau“ wie der Thermomix (und das meine ich durchaus als Kompliment) kann nicht in jeder Disziplin spitze sein!
Michael
16. November 2015 um 15:16
Steht in dem Buch wirklich eine Reifezeit von 10 Minuten? Oder sind es 10 Stunden, die realistischer wären, dir aber offenbar trotzdem zu kurz sind?
Lutz
17. November 2015 um 16:41
Es steht ohne Ausnahme „10 Minuten“. Für einen Vertipper ist das sehr konsequent durchgehalten worden…
Michael
18. November 2015 um 13:15
Wahnsinn… ich vermute, dass es einmal ein Vertipper war und danach jedesmal ohne nochmal genau hinzusehen kopiert wurde. Spricht ebenfalls nicht für besondere Sorgfalt, die in das Buch geflossen ist.