BLOGBEITRAG
6. Juli 2018 · 9 KommentareEindrücke: Brotbackkurse in Korea
Es ist ein unbeschreiblich beglückendes Gefühl, dass ein paar Buchstaben über Brot, nämlich jene meines ersten Buches, letztendlich dazu führen können, mich in so viele Gegenden der Erde zu bringen. Herr Mo, ein grandioser südkoreanischer Bäcker, der als Literaturwissenschaftler vor sechs Jahren gutes Brot nach Seoul bringen wollte, fragte vor etwa zwei Jahren bei mir an, ob er nicht mein „Brotbackbuch Nr. 1“ in seine Sprache übersetzen und verlegen dürfte. Ich selbst habe da nichts mitzureden, aber Herr Mo einigte sich mit meinem Verlag und schuf ein wunderschönes Buch, das ich nun Mitte Juni druckfrisch selbst in die Hand nehmen konnte. Herr Mo lud mich zu einer Reise nach Seoul ein, um mit seinen Schülern und Freunden deutsches Brot zu backen.
Seoul ist eine erstaunlich saubere und sortierte Stadt und gleichzeitig chaotisch. Noble Hochhäuser in der Höhe und unten Baracken mit Restaurants einheimischer Küche. Und daneben wiederum Herr Mos Bäckerei. Eine von drei Bäckereien, die er inzwischen betreibt. Er bleibt seinem Konzept treu. Gebacken wird da, wo verkauft wird. Und zwar handwerklich. Und das heißt: Knetmaschine, Ausroller, Ofen. Der Rest passiert von Hand, mit Zeit und Liebe zum Detail. Das Sortiment ist groß in der Vielfalt, klein in der Stückgröße und schon fast ein Kunstwerk.
Die südkoreanische Bäckerei ist sehr von der japanischen Szene beeinflusst und diese wiederum sehr frankophil. Croissants und Baguettes gehören zum Standard, aber auch allerlei andere und raffinierte Arten von Plunder- und Blätterteiggebäcken.
Gebacken wird überwiegend mit importierten Mehlen aus Frankreich und Deutschland. Aber Herr Mo und seine Schüler sind auch dabei, einheimischen Getreideanbau zu fördern. Frischhefe wird in Südkorea hergestellt. Öfen und Knetmaschinen stammen überwiegend aus Europa, meist aus Deutschland.
Herr Mo betreibt in seiner jüngsten Bäckerei auch eine Schule. Bäckerschulen wie in Deutschland kennt man in Südkorea (noch) nicht. Herr Mo bildet deshalb selbst aus. Nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern um seine Vorstellung handwerklichen Brotes in Südkorea zu verbreiten. Er ist Vorreiter, Vorbäcker im besten Sinne. Er hat dem Brot die Tür in Seoul geöffnet. Eine Tür, die nun auch Größen wie Chad Robertson nutzen, um Fuß zu fassen in einem wachsenden Markt. Unverständlich aber ist, das Robertson keine fünf Meter neben Herrn Mo baut und noch nicht einmal „Hallo“ gesagt hat. Verdrängungswettbewerb statt Unterstützung handwerklicher Brotkunst entspricht nicht wirklich den Maßstäben und Grundsätzen, die Robertson in seinen Publikationen hochhält. Dazu kommen die Preise. Ein Weizenbrot, weniger als ein Kilogramm leicht, verkauft Robertson für umgerechnet knapp 13 Euro, ein kurzes Baguette für 6 Euro. Südkoreas Brotpreise sind höher als in Deutschland, aber das ist in jeder Hinsicht maßlos und wirft ein merkwürdiges Bild auf den so hochgelobten Chad Robertson und seine Tartine Bakery.
Für das Kennenlernen der südkoreanischen Brotkultur blieben mir leider nur zwei Stunden. Die Zeit aber genügte, um die angenehme Mentalität der Menschen, das gute Essen, die Sorgfalt und Freundlichkeit schätzen zu lernen. Ich werde wiederkommen und bin eigentlich auch noch ein kleines bisschen dort geblieben, denn mein Brotbackbuch liegt nun in vielen Backstuben Südkoreas…
Mein großer Dank gilt nicht nur Herrn Mo, sondern vor allem Xeion, die mir jeden Tag als Übersetzerin geholfen hat. Sie hat extra Urlaub genommen, um aus ihrer Wahlheimat Bayern, in der sie als Kirchenmusikerin arbeitet, in ihre Heimat Südkorea zu kommen und mich zu unterstützen.

Seoul

Herrn Mos Backstube mit Backschule

Weizensauerteigbrote aus unserem Kurs

Körner- und Saatenbrot aus unserem Kurs

Reines Roggensauerteigbrot aus unserem Kurs

Seoul bei Nacht

Wuselig, geordnet, chaotisch, liebenswert: Seoul

So groß wie keine deutsche Stadt…

Blick aus dem Hotel in die Tiefe

Herr Mo und ich vor seiner ersten Bäckerei. Direkt daneben…

… Tartine Bakery von Chad Robertson mit unverschämt hohen Preisen

13 Euro für weniger als 1 kg Brot…

Zurück in Herrn Mos Bäckerei kurz vor Ladenschluss. Die Konkurrenz von Tartine tut dem Geschäft keinen Abbruch.

In seinen Bäckereien stehen meine Brotbücher

Seine Verkäuferin war früher Kundin bei ihm und verkauft nun selbst die Brote, die sie isst. Besser geht es nicht.

Abendsonne einen Tag vor meinem Weiterflug nach Japan

Fußballeuphorie auch in Südkorea…

Auf Wiedersehen Korea! Willkommen Japan!
Aktualisiert am 13. Juli 2018 |
AnneT
9. Februar 2019 um 10:59
Tolle Sache mit dem Brotbackbuch, gratuliere! Jetzt wäre es noch gut zu wissen, ob es in Korea auch Bio-Vollkornmehl zu kaufen gibt. Irgendwelche Insider-Tipps?
Lutz
9. Februar 2019 um 14:05
Leider nicht. Die Bäcker importieren dort fast alles. Falls du in Seoul bist, kannst du Herrn Mo von der Artisan Bakery fragen, ob er dir was besorgt.
Anja
5. September 2018 um 07:20
Hallo,
ich lebe mit meiner Familie in Seoul. Ich kaufe regelmassig Brot bei Artisan Bakery in Seoraemaul (French Viertel). Ich war so glücklich als ich dein Backbuch dort gesehen habe und mir dann erzählt wurde, dass du in Seoul zu Besuch warst.
Dein Buch „Brot Backen in Perfektion“ besitze ich seit Weihnachten 2017 und es beschert uns seitdem leckeres Brot in Südkorea.
Weiter so und vielen Dank.
Anja
Lutz
5. September 2018 um 22:36
Das sind ja Zufälle :).
Bernd
17. August 2018 um 23:08
Toll. Ich glaube die Koreaner waren auch schon Derrick-Fans. 😉
Glückwunsch, auch zu dieser Anerkennung Deines Wirkens!
Viele Grüße Bernd
Barbara
16. August 2018 um 18:53
Super das Buch jetzt auf koreanisch. Ich habe vor 20 Jahren schon in Korea Vollkornbrot gebacken und die „Uri mil undong“ „Unsere Mehl Bewegung“ unterstützt. Die haben damals schon versucht Weizen im Land anzubauen.
Ben
11. August 2018 um 13:53
Da bekommt die „Marke“ Chad Robertson doch einen gewissen Beigeschmack… 🤔
Aber der Rest liest sich toll 👍
Marion D. A.
7. Juli 2018 um 20:58
Ein sehr schöner (Reise-)Bericht.. und die Fotos… klasse!
Mir gefällt besonders das 3. mit der Unschärfe im Hintergrund!
Interessant zu lesen wie sich die Brotkultur in Korea „anfühlt“..
Wie war es denn für dich deine Bücher im Laden von Herrn Mo stehen zu sehen?
ReginaE
6. Juli 2018 um 21:12
Ich finde es genial, die Brotbackkunst in Südkorea erweitert zu haben!