Rimini oder gutes Brot?

Ein Abstecher nach Mittelitalien

Wer Kurse gibt, lernt spannende Menschen kennen. Sabine ist solch eine Person. Als Nachrückerin für einen stornierten Kursplatz reiste sie eines Tages zur Kalchkendlalm und blieb den anderen Teilnehmern und auch Christina und mir vor allem dadurch im Bewusstsein, dass sie nahezu jedes mediterrane Lebensmittel aus ihrem alten Skoda holte, das im Laufe der Woche zur Sprache kam oder benötigt wurde. 

Die Stadt Urbino strahlt im letzten Abendlicht. In der Mitte erhebt sich ein Kirchturm und im Hintergrund sieht man grüne Hügel.

Die Stadt Urbino strahlt im letzten Abendlicht. In der Mitte erhebt sich ein Kirchturm und im Hintergrund sieht man grüne Hügel.

© Lutz Geißler, www.brotbacken.de (cc-by-nc-nd)
Nach unserem Rundgang ein letzter Blick auf Urbino im Sonnenuntergang.

Inzwischen gehört Sabine fast zum Inventar der Almkurse. Sie sorgt regelmäßig gemeinsam mit Roswitha für die kulinarische Verpflegung unserer Teilnehmer. Sabine lebt in Berlin und in Mittelitalien. Lange Zeit hat sie dort gearbeitet und seit Jahren Wurzeln geschlagen. Gemeinsam mit ihrem Mann genießt sie nun die Zeit nach der aktiven Arbeit im Unruhestand. Der große Garten mit Feigen- und Aprikosenbäumen, mit Zucchini- und Melonenpflanzen, mit großen Rosmarinsträuchern und vielen Kräutern möchte gepflegt sein. Brotbacken gehört auch dazu. Im eigenen Holzofen versteht sich, mit Blick auf eine betörend schöne Flickenteppichlandschaft.

Die Sonne geht hinter Zypressen am Horizont unter. Im Vordergrund sieht man einen grünen Bauerngarten mit Lavendelsträuchern.

Die Sonne geht hinter Zypressen am Horizont unter. Im Vordergrund sieht man einen grünen Bauerngarten mit Lavendelsträuchern.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Sonnenuntergang im Garten unserer Freundin Sabine.
Eine dicke Feige mit hellgrüner Haut hängt zwischen glänzenden, großen Blättern an einem Ast.

Eine dicke Feige mit hellgrüner Haut hängt zwischen glänzenden, großen Blättern an einem Ast.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Frische Feigen am Baum.
In einem ockerfarbenen Holzofen glüht orange ein Feuer. Zwei zierliche Türme dienen als Rauchabzug.

In einem ockerfarbenen Holzofen glüht orange ein Feuer. Zwei zierliche Türme dienen als Rauchabzug.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Anheizen des Holzofens für das Schwarzwaldbrot in Mittelitalien.

Wir haben die schon lange ausgesprochene Einladung Sabines angenommen und sind im Juli 2023 zu einer Brotkulturreise nach Mittelitalien aufgebrochen. Die Zeit war wie immer viel zu kurz, aber sie hat gereicht, um Eindrücke mitzunehmen und zu erkennen, dass sich auch in Italien eine von Quereinsteigern angestoßene kleine Brotrevolution anbahnt.

Proviant für unterwegs

Damit wir für die besuchten Bäckerinnen und Bäcker eine kleine Brotreferenz mitnehmen konnten, haben wir zunächst den Holzofen angeheizt. Im kleineren Maßstab von nur einem Zehntel der Menge haben wir unser Schwarzwaldbrot gebacken, das wir uns rund eine Woche zuvor in Oberwolfach ausgedacht hatten. Anderer Holzofen, anderes Ergebnis, aber geschmacklich mindestens genauso gut.

Der italienische Geschmack ist eher auf milde Brote trainiert. Klassischerweise gibt es heute hefegelockerte Weizenbrote. Unser Schwarzwaldbrot war nach „deutschen“ Befindlichkeiten eher mild gesäuert, kam jedoch trotz dessen verschieden gut an.

Durch die geöffnete Ofentür ist ein loderndes Feuer zu sehen.

Durch die geöffnete Ofentür ist ein loderndes Feuer zu sehen.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Anheizen des Holzofens für das Schwarzwaldbrot in Mittelitalien.
Durch die offene Ofentüre sieht man mehrere knusprig gebackene Laibe mit rustikaler Kruste auf dem grauen Steinboden liegen.

Durch die offene Ofentüre sieht man mehrere knusprig gebackene Laibe mit rustikaler Kruste auf dem grauen Steinboden liegen.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Schwarzwaldbrot in Mittelitalien aus dem Holzofen.
Die Kruste der weiß bemehlten, runden Laibe ist rustikal aufgerissen.

Die Kruste der weiß bemehlten, runden Laibe ist rustikal aufgerissen.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Schwarzwaldbrot aus dem Holzofen

Schnell weiter in Rimini

Einmal im Leben, dachten wir, müssen wir Rimini gesehen haben. Die Gefahr, in Rimini steckenzubleiben, bestand allerdings nicht: Bis auf den historischen Stadtkern ist die Touristenhochburg nicht zu empfehlen. Man sieht den Strand vor lauter Schirmen nicht. Das Wasser allerdings war badewannenwarm. Also schnell weiter ins Landesinnere.

Aus hellgelben Steinen erbaut, erhebt sich Urbino als dichte Ansammlung trutziger, mittelalterlich anmutender Gebäude.

Aus hellgelben Steinen erbaut, erhebt sich Urbino als dichte Ansammlung trutziger, mittelalterlich anmutender Gebäude.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Das alte Urbino, 40 km von Rimini im Landesinneren.
Die Backsteinmauern der Gebäude links und rechts der schmalen Gasse ragen hoch hinauf und sind nur von kleinen Fenstern durchbrochen.

Die Backsteinmauern der Gebäude links und rechts der schmalen Gasse ragen hoch hinauf und sind nur von kleinen Fenstern durchbrochen.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Historische Gasse in Urbino.
Der lange Gewölbegang mit rundem Dach ist in ein goldenes Licht getaucht.

Der lange Gewölbegang mit rundem Dach ist in ein goldenes Licht getaucht.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Gewölbegang in Urbinos Altstadt.

In Urbino

Urbino ist die nächstgelegene Stadt von Sabines Haus aus. Die Straßen sind gewöhnungsbedürftig und fühlen sich eher an wie zu groß geratenes Kopfsteinpflaster. Mit jedem Starkregen rutschen Hangpartien auf die Straße oder unter der Straße weg. Repariert wird nur dann, wenn die Gemeinden Geld haben. Je klammer die Kassen, umso wichtiger die Stoßdämpfer. Die Stadtgeschichte und Stadtarchitektur Urbinos entschädigt für die wilde Anreise nach dem Brotbacken. Alte Gassen, mittelalterliche Häuser aus Natursteinen der Umgebung, die alte Stadtmauer, die Festung, das Mausoleum. Hier lässt es sich aushalten, zumal die Stadt durch die Studenten jung geblieben ist zwischen den alten Mauern. Kleine Geschäfte allerdings sterben allmählich aus. Große Einkaufszentren mit Allerweltsmarken am Stadtrand lassen inhabergeführte Handwerker- und Kaufmannsläden im Zentrum ausbluten. Die „dunkle“ Seite der Globalisierung ist auch hier angekommen.

Über den Festungswall aus Backstein sieht man bis zum Horizont grüne Hügel mit Wäldern und Weinbergen.

Über den Festungswall aus Backstein sieht man bis zum Horizont grüne Hügel mit Wäldern und Weinbergen.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Blick von Urbinos Festung ins Grün.

Bei Daniele Ciabattoni

Nach dem privaten Holzbackofen folgte ein ehemaliger Pizzaholzofen in Ascoli Piceno, etwa 3 Stunden Autofahrt südlich von Urbino. Wir machten Station bei Daniele Ciabattoni, der von seinem Leben als Künstlermanager genug hatte und seitdem Getreide anbaut, selbst vermahlt und in seinem „Grano – Laboratorio di Panificazione“ anbietet. Gelernt hat er bei Nicolas Supiot, unschwer an der typischen Backmolle zu erkennen und daran, dass die Kleie ausgesiebt und separat versäuert wird. Vor dem Sauerteigbrot bäckt Daniele, dessen Nachname wie ein Künstlername klingt, eine Art Focaccia aus dem gleichen Teig, mit kräftig Olivenöl, Knoblauch und Rosmarin darauf. 

Daniele Ciabattoni steht neben seiner Teigmulde voller Mehl.

Daniele Ciabattoni steht neben seiner Teigmulde voller Mehl.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Daniele Ciabattoni ist ein Schüler von Nicolas Supiot, zu erkennen an der Teigmulde.
Der Holzofen zum Pizzabacken hat eine Verkleidung aus roten Backsteinen und direkt vor der Ofentür einen Rauchabzug nach oben.

Der Holzofen zum Pizzabacken hat eine Verkleidung aus roten Backsteinen und direkt vor der Ofentür einen Rauchabzug nach oben.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Der alte Pizzaholzofen von Daniele Ciabattoni in Ascoli Piceno.

In die Restwärme schiebt seine Konditorin kleine, süße Leckereien. Ein paar Kilometer aufs Land hinaus hat Daniele eine kleine Baracke hergerichtet, in der er eine alte Getreidereinigung aus Sizilien untergebracht und restauriert hat. Hier reinigt und sortiert er seine Ernte. Gemeinsam mit alten Weizensorten baut er Ackerbohnen an. Sie versorgen den Boden mit Stickstoff und stabilisieren die langen Weizenhalme.

Auf einem Holzregal lagern auf mehreren Ebenen Weizensauerteigbrote mit weiß bemehlter, rustikal aufgerissener Kruste.

Auf einem Holzregal lagern auf mehreren Ebenen flache Weizensauerteigbrote mit weiß bemehlter, rustikal aufgerissener Kruste.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Weizensauerteigbrote.
Die Focaccia sind mit Rosmarinnadeln und Knoblauchzehen bestreut und glänzen von Olivenöl.

Die Focaccia sind mit Rosmarinnadeln und Knoblauchzehen bestreut und glänzen von Olivenöl.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Eine Art Focaccia.
Das junge Grün der Olivenbäume leuchtet hell gegen den blauen Himmel.

Das junge Grün der Olivenbäume leuchtet hell gegen den blauen Himmel.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Der Olivenhain von Daniele Ciabattoni.
Bröckelnde Stufen führen zu einem alten Holzofen aus hellen Backsteinen, der halb von Ranken überwuchert ist.

Bröckelnde Stufen führen zu einem alten Holzofen aus hellen Backsteinen, der halb von Ranken überwuchert ist.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Ein alter Holzofen auf dem Land, das Daniele Ciabattoni bewirtschaftet.
Die alte Getreidereinigungsanlage aus Holz wird mit einem Motor angetrieben. Daniele hat sie aus Sizilien mitgebracht.

Die alte Getreidereinigungsanlage aus Holz wird mit einem Motor angetrieben. Daniele hat sie aus Sizilien mitgebracht.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Eine alte Getreidereinigungsanlage aus Sizilien arbeitet für Daniele Ciabattoni.
In dem groben Sieb der Getreidereinigungsanlage haben sich Spelzen verfangen.

In dem groben Sieb der Getreidereinigungsanlage haben sich Spelzen verfangen.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Ein Sieb der Getreidereinigung, um Spelzen auszusortieren.

Daniele bezeichnet sich selbst als Träumer, der mehr Ideen habe als Zeit, sie umzusetzen. Unser Schwarzwaldbrot mag er. Sein neues Roggenbrot im Kasten ist uns zu mild. Da ist er wieder, der brotkulturelle Kontrast. Und selbst diese Milde ist den Italienern oft schon zu viel. Roggen baut Daniele deshalb nur alle zwei Jahre an. Seine alte Mühle hat er umgebaut und angepasst, damit genau das Mehl herausfällt, welches er für sein Brot braucht.

Daniele steht vor seiner Mühle aus Holz und erklärt uns die Funktion.

Daniele steht vor seiner Mühle aus Holz und erklärt uns die Funktion.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Daniele Ciabattoni erklärt uns seine Mühle.
Zwei große Rollen sind übereinander auf einem Holzgestell angeordnet. Die untere ist aus Metall mit länglichen Öffnungen während die obere aus einem hellen Material mit kleinen Noppen besteht.

Zwei große Rollen sind übereinander auf einem Holzgestell angeordnet. Die untere ist aus Metall mit länglichen Öffnungen während die obere aus einem hellen Material mit kleinen Noppen besteht.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Hier werden Steinchen und Samen vom Getreide separiert.
In einem weißen Plastiksack sieht man goldbraune, dicke Weizenkörner.

In einem weißen Plastiksack sieht man goldbraune, dicke Weizenkörner.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Gereinigter Weizen.
Eine Handvoll selbst gemahlenes Mehl, hellgelb und fluffig.

Eine Handvoll selbst gemahlenes Mehl, hellgelb und fluffig.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Selbstgemahlenes und gesiebtes Weizenmehl.
Eine Handvoll Kleie, die später versäuert mit dem abgesiebten Mehl zusammen zurück ins Brot gelangt.

Eine Handvoll der inneren Kleie, die später versäuert mit dem abgesiebten Mehl zusammen zurück ins Brot gelangt.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Die innere Kleie kommt versäuert wieder mit ins Brot.
Die äußere Kleie ist gröber als die Innere wund wird nach dem absieben als Tierfutter verwendet.

Die äußere Kleie ist gröber als die Innere wund wird nach dem absieben als Tierfutter verwendet.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Die äußere Kleie wird abgesiebt und geht ins Tierfutter.

Markt von Fano

Am nächsten Tag schlenderten wir über den Markt von Fano, in Sichtweite der Adria. Sabine meint, das Angebot an Lebensmittel ist zugunsten billiger Klamotten stark zurückgegangen. Ein örtlicher Bäcker war zu finden und einige Stände mit Brotangebot neben Käse und Wurstwaren. Das klassische Weißbrot der Region wird mit Hefe gelockert und ist nahezu salzfrei. Beim Bäcker allerdings fanden wir ein mit Sauerteig und Hefe gebackenes, salzhaltiges und offenporiges Weißbrot, das einen eigenen Charakter hatte. Gut.

Große und kleine Laibe eines hellen Weizenbrotes stapeln sich auf einem Marktstand.

Große und kleine Laibe eines hellen Weizenbrotes stapeln sich auf einem Marktstand.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Brot auf dem Markt von Fano.
Auf den Marktständen liegt eine reiche Auswahl an runden Käselaiben und roten, getrockneten Würsten.

Auf den Marktständen liegt eine reiche Auswahl an runden Käselaiben und roten, getrockneten Würsten.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Käse und Wurst auf dem Markt von Fano.

Einkorn und Emmer bei Prometeo

Ausgestattet mit einer 17 Kilogramm schweren Wassermelone und einem neuen Sonnenhut ging es weiter zu einer deutschen Freundin und ehemaligen Arbeitskollegin von Sabine. Sie ist verheiratet mit einem Mitarbeiter von Prometeo. Er selbst bäckt regelmäßig an einem seiner beiden Holzöfen, natürlich mit Einkorn („Farro monococco“). Denn sein Arbeitgeber lässt seit Jahren schon auf den Feldern der Region Einkorn und Emmer („Farro dicocco“) biologisch anbauen, reinigt und vermahlt selbst. Unter der Marke „Il Farro“ werden Mehle und Produkte daraus weit über Italiens Grenzen hinaus verkauft. Wir besuchten das Unternehmen. Besonders spannend für uns war der Getreidegarten, in dem die gesamte „Evolution“ von Einkorn und Emmer über Dinkel bis hin zu den modernen Weizensorten am lebenden Objekt nachvollzogen werden kann.

Mehrere Ähren von Emmer und Einkorn liegen nebeneinander auf einer schwarzen Granitplatte. Der Emmer ist hellgelb mit langen Grannen während das Einkorn kürzere Grannen, eine dunklere Farbe und kleiner Körner zu haben scheint.

Mehrere Ähren von Emmer und Einkorn liegen nebeneinander auf einer schwarzen Granitplatte. Der Emmer ist hellgelb mit langen Grannen während das Einkorn kürzere Grannen, eine dunklere Farbe und kleiner Körner zu haben scheint.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Links Emmer und rechts Einkorn bei der Firma Prometeo, die sich auf diese beiden Getreide in Anbau und Verarbeitung spezialisiert hat.
Die goldenen Ähren eines Einkornfeldes stehen auf einem Feld vor einem grünen Wald.

Die goldenen Ähren eines Einkornfeldes stehen auf einem Feld vor einem grünen Wald.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Ein Einkornfeld von Prometeo.
Die Einkorn-Halme sind bräunlich auf goldenen Halmen.

Die Einkorn-Halme sind bräunlich auf goldenen Halmen.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Goldgelbe Einkorn-Halme von Prometeo.
Ein kleines, weißes Schneckenhaus hängt an einem Emmer-Halm, dessen Ähre sich nach unten neigt.

Ein kleines, weißes Schneckenhaus hängt an einem Emmer-Halm, dessen Ähre sich nach unten neigt.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Schnecke auf einem Emmer-Halm von Prometeo.

Im Pizzabackraum von Sabines Freundin haben wir noch Bekanntschaft mit einem in der Region „Marken“ weit verbreiteten Möbelstück gemacht: die Madia. Es ist eine Art Schrank oder Truhe, in der früher Mehl aufbewahrt wurde. Öffnete man den Deckel, kam eine Arbeitsfläche zum Vorschein, auf der der Teig geknetet und geformt wurde. Die Madia sollte uns noch mehrfach andernorts begegnen.

Bei Giuditta und Agnese

Das Highlight des Tages war ohne Frage die Bäckerei „Il Gentil Verde“ von Giuditta und Agnese. Die beiden haben als Quereinsteiger (Giuditta war Radiologin im Krankenhaus) mitten im Nichts vor wenigen Jahren eine Backstube gebaut, in der das selbst angebaute Getreide zu sortenreinen Sauerteigbackwaren im Holzofen verarbeitet wird. Selbst Panettone bäckt das Frauenkollektiv im Holzofen. Der Ofen wird seitlich beheizt. Das spart das Freiräumen der Backfläche von Asche und Glut.

Vor einem strahlend gelben Emmer-Feld liegt eine graue Langhaarkatze im grünen Gras.

Vor einem strahlend gelben Emmer-Feld liegt eine graue Langhaarkatze im grünen Gras.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Die Hauskatze sonnt sich vor dem Emmer-Feld der Bäckerei Il Gentil Verde in Acqualagna.
Braune Ähren auf einem Emmer-Feld ragen aufrecht nach oben.

Braune Ähren auf einem Emmer-Feld ragen aufrecht nach oben.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Das Emmer-Feld der Bäckerei Il Gentil Verde in Acqualagna.
Eva, Giuditta, Sabine und Christina stehen vor dem modernen Gebäude mit weißen Wänden und anthrazitfarbenem Dach, in dem sich die Backstube befindet. Außen führt ein dicker Schornstein den Rauch nach oben.

Eva, Giuditta, Sabine und Christina stehen vor dem modernen Gebäude mit weißen Wänden und anthrazitfarbenem Dach, in dem sich die Backstube befindet. Außen führt ein dicker Schornstein den Rauch nach oben.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Eva und Giuditta im Gespräch mit Sabine und Christina. Im Hintergrund die Backstube der Bäckerei Il Gentil Verde in Acqualagna.

Männer sucht man hier oben vergebens. Giuditta sagt, sobald ein Mann im Team wäre, würden die Bauern, die für sie im Auftrag die Ernte einfahren, nur noch mit ihm sprechen. Alte Rollenvorstellungen sind hier auf dem Land, aber auch abseits von Italien in Deutschland immer noch tief in uns verankert. Die Damen von „Il Gentil Verde“ brechen sie auf – mit Freude, Elan und Ehrgeiz. Ein ganz besonderer Ort mit besonderen Frauen. Giuditta ist die Taktgeberin. Mit kräftiger Stimme und Ungeduld prescht sie voran, dabei immer ein Lächeln auf dem Gesicht. Auch eine deutsche Stimme hören wir. Eva hat ihren Job als Landschaftsarchitektin in Deutschland aufgegeben und bäckt nun in Acqualagna eifrig mit. Giuditta bemängelte unser Brot. Eva müsse das essen. Ihr sei es viel zu sauer. Und tatsächlich. Das Einkornsauerteigbrot ist extrem mild und auch die zweite Kostprobe schmeckt sehr mild. Giuditta achtet penibel darauf, dass ihre Madre nicht zu sauer wird. Für unseren Gaumen dürften ihre Brote etwas mehr Säure und mehr Salz haben. Über Geschmack lässt sich eben streiten.

Ein Blick in die weite Landschaft: im Vordergrund kleine Obstbäume, dann ein goldenes Emmer-Feld und dahinter bis zum Horizont grün bewaldete Hügel.

Ein Blick in die weite Landschaft: im Vordergrund kleine Obstbäume, dann ein goldenes Emmer-Feld und dahinter bis zum Horizont grün bewaldete Hügel.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Das Emmer-Feld der Bäckerei Il Gentil Verde in Acqualagna.

Bei Giovanni Larghetti

Und noch ein Holzofenbäcker wartete auf uns. Nach einer Hitzenacht sondergleichen besuchten wir Giovanni Larghetti in Frontino. Er baut seit 1981 sein eigenes Biogetreide an. Er ist der Biopionier der Region. In zwei großen Holzöfen, die rund 100 Kilogramm Brot fassen, backen er und zwei weitere Bäcker hunderte Brote und Feingebäcke pro Tag. Die meisten Supermärkte der Region führen seine Produkte. Als wir ankommen, fährt er gerade mit dem Traktor einen Bigbag Dinkel zum Getreidesilo. Gereinigt wird es bei Prometeo. Das Mahlen übernimmt er selbst. Nur Auszugsmehle kauft er zu. 

Giovanni Larghetti kniet neben einem eckigen Metallsilo unter einem großen, weißen Sack mit Dinkel.

Giovanni Larghetti kniet neben einem eckigen Metallsilo unter einem großen, weißen Sack mit Dinkel.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Holzofenbäcker Giovanni Larghetti öffnet den Bigbag, um neues Getreide in seinem Mühlensilo einzulagern.
Der Silo der Mühle ist mit goldbraunem Getreide gefüllt.

Der Silo der Mühle ist mit goldbraunem Getreide gefüllt.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Frischer Weizen für die Mühle.

Stolz zeigt Giovanni uns seine feste Madre, die er mal im Kühlschrank, mal im Wasser und mal eingebunden ins Tuch aufbewahrt, je nach Laune und Größe. Seine Brote und auch einige Feingebäcke lockert er ausnahmslos mit seinen Sauerteigen. Neben der festen führt er auch eine weiche Madre, die er „Poolish“ nennt, die aber ein Sauerteig und kein Hefevorteig ist. Das Rundwirken übernimmt inzwischen ein Kegelrundwirker. Gärkörbe sucht man hier vergebens. Die Teiglinge werden mit niedriger Teigausbeute direkt auf Brettern abgesetzt und reifen vor den Öfen oder einem Nachbarraum, der von einem der Öfen indirekt beheizt wird.

Giovanni Larghetti steht stolz lächelnd neben einem offenen Eimer mit der weiß glänzenden Madre, während sich im Hintergrund Säcke mit Mehl stapeln.

Giovanni Larghetti steht stolz lächelnd neben einem offenen Eimer mit der weiß glänzenden Madre, während sich im Hintergrund Säcke mit Mehl stapeln.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Holzofenbäcker Giovanni Larghetti zeigt uns stolz seine Madre.
Mitten in der Backstube steht ein großer, grüner Kegelrundwirker, der über ein Förderband mit den portionierten Teiglingen beschickt wird. Dahinter legt ein Mitarbeiter von Giovanni die geformten Teiglinge dicht an dicht auf einen Tisch.

Mitten in der Backstube steht ein großer, grüner Kegelrundwirker, der über ein Förderband mit den portionierten Teiglingen beschickt wird. Dahinter legt ein Mitarbeiter von Giovanni die geformten Teiglinge dicht an dicht auf einen Tisch.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Die Backstube von Holzofenbäcker Giovanni Larghetti mit Kegelrundwirker.
Maschinell gewirkte Teiglinge in der Bäckerei von Holzofenbäcker Giovanni Larghetti.

Längliche Teiglinge liegen dicht an dicht auf einem Tisch.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Maschinell gewirkte Teiglinge in der Bäckerei von Holzofenbäcker Giovanni Larghetti.

Giovanni schwört auf seien Doppelarmkneter. Trotz der vielen Arbeit der letzten Jahrzehnte und der Anstrengungen, sich auf dem Markt zu etablieren, ist er nicht verhärtet. Ganz im Gegenteil. Giovanni lächelt immerzu und strahlt aus den Augen, wenn er über seine Arbeit spricht. Begeistert war er von unserem Schwarzwaldbrot. Die Italiener hätten ja keine Ahnung von gutem Brot, meinte er. So müsse ein Brot schmecken. Mal sehen, ob er es irgendwann nachbäckt. Unsere Rezeptur jedenfalls hat er sich handschriftlich von uns notieren lassen.

Giovanni steht vor einem seiner Öfen, in dem durch die geöffnete Klappe der rote Schein des Feuers sichtbar ist.

Giovanni steht vor einem seiner Öfen, in dem durch die geöffnete Klappe der rote Schein des Feuers sichtbar ist.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Holzofenbäcker Giovanni Larghetti vor einem seiner Öfen.
Auf Blechen liegen goldbraun gebackene Croissants, welche von Giovanni genau wie die Brote im Holzofen gebacken werden.

Auf Blechen liegen goldbraun gebackene Croissants, welche von Giovanni genau wie die Brote im Holzofen gebacken werden.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Auch Croissants werden bei Giovanni im Holzofen gebacken.

Bei Adriana Cucilnelli

Zum Abschluss unserer Reise durften wir das beste Brot der vergangenen Tage essen. Gebacken, natürlich im Holzofen, hat es Adriana Cucilnelli aus Montefelcino. Eine kraftvolle Frau aus Neapel, die gemeinsam mit ihrem Mann ein ehemaliges Kloster gekauft und aufwändig restauriert hat. Sie sei für das Feine zuständig, ihr Mann für das Grobe. Eindrucksvolle Wandmalereien, edle Putze und Fliesen, alles aus ihren Händen. Auch das Brot. 

Die mit Rosenbüschen bepflanzte Fassade des Anwesens von Adriana Cucinelli ist teilweise hellrosa verputzt. Die Fensterläden sind dunkelrot gestrichen.

Die mit Rosenbüschen bepflanzte Fassade des Anwesens von Adriana Cucinelli ist teilweise hellrosa verputzt. Die Fensterläden sind dunkelrot gestrichen.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Beeindruckendes Anwesen, das Adriana Cucinelli gemeinsam mit ihrem Mann in Eigenregie saniert hat.
Der Holzofen von Adriana Cucinelli aus Montefelcino.

Die halbrunde Tür des Holzbackofens steht offen. Die Wand unterhalb des Ofens ist mit bunten Kacheln mit geometrischen Mustern gekachelt, die sie selbst hergestellt hat.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Neben Brotbacken gehört auch das Kachelnherstellen zu Adriana Cucinellis Hobbys. Hier ihr Holzbackofen.
In einer Teigwanne aus Holz liegen mehrere runde Laibe, die angeschoben gebacken wurden. Ein aufgeschnittener Laib zeigt die hellbraune, gleichmäßige Krume des Sauerteigbrotes.

In einer Teigwanne aus Holz liegen mehrere runde Laibe, die angeschoben gebacken wurden. Ein aufgeschnittener Laib zeigt die hellbraune, gleichmäßige Krume des Sauerteigbrotes.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Eines der besten Sauerteigbrote unserer Reise von Adriana Cucinelli aus Montefelcino.

Adriana hat bei Daniele Ciabattoni gelernt, Weizensauerteigbrot zu backen. Auch bei ihr steht die Supiot-Molle (und eine Madia). Das Brot ist kräftiger und säuerlicher als bei Daniele. Überhaupt hat es nicht mehr viel mit dem italienischen Weißbrot zu tun. Es ist ein dunkles Landbrot, in das wir unaufhörlich hätten hineinbeißen können. Das kommerzielle Backen hat für Adriana eben erst begonnen. Wir drücken ihr die Daumen, dass den Italienern ihr Brot genauso gut schmecken wird wie uns! Und wenn nicht, dann hat sie immer noch den Gemüsegarten in der Hinterhand, in dem himmlische Tomaten und Artischocken wachsen.

Die alte Eingangstür ist passend zu den Fensterläden in einem Dunkelrot gestrichen, was sich leuchtend von der hellen Steineinfassung und der hellrosa Putzfassade abhebt.

Die alte Eingangstür ist passend zu den Fensterläden in einem Dunkelrot gestrichen, was sich leuchtend von der hellen Steineinfassung und der hellrosa Putzfassade abhebt.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Tür von Adriana Cucinellis Haus, in dem auch Zimmer vermietet werden.
Die Artischocken von Adriana haben Innen dunkelrote, spitzige Blätter, die nach außen graduell silbrig-grün werden.

Die Artischocken von Adriana haben Innen dunkelrote, spitzige Blätter, die nach außen graduell silbrig-grün werden.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Artischocken im Garten von Adriana Cucinelli.

Unsere Tage in den Marken sind gezählt. Eine wundervolle Landschaft mit viel Geschichte, die touristisch nahezu unerschlossen ist. Ein Geheimtipp für alle, die das Land abseits der ausgetretenen Pfade entdecken möchten. Und gutes Brot gibt es auch.

Unterdessen haben wir gelernt, wo all die Leckereien aus Sabines Auto herkommen. Wir freuen uns auf Deine nächste Reise zur Alm, Sabine! Vielen Dank für die herrliche Woche!

Ein Landschaftsbild der Hügel um Urbino. Die grünen Büsche lassen den grauen, steinigen Boden durchscheinen.

Ein Landschaftsbild der Hügel um Urbino. Die grünen Büsche lassen den grauen, steinigen Boden durchscheinen.

Lutz Geißler (cc-by-nc-nd)
Unser Abschied von Mittelitalien. Eine kleine Wanderung durch die wunderschöne Landschaft um Urbino.