Warum backen wir unser Brot selbst?

Einblicke in die Gedanken der Hobbybäcker

Vor etwa einem Monat hatte ich in meinem Newsletter um die Beantwortung der kleinen Frage gebeten, warum meine Leser ihr eigenes Brot backen. Von den zum Stichtag der Auswertung 1626 Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben sich erstaunlich viele für eine Antwort entschieden, die mich überrascht hat (Mehrfachantworten waren möglich). Auf Platz 2 der Antworten liegt: „Weil ich ganz frisches Brot mag“.

Überraschend deshalb, weil ich bislang dachte, dass zumindest unter den Hobbybäckern schon eher der Sinn nach „gelagertem“ Brot steht und „Frische“ eher ein Werberelikt der Supermärkte ist. Aber dem scheint nicht so. In Japan habe ich „Frische“ auf die Spitze getrieben gesehen. Direkt aus dem Ofen in den Verkauf. Das muss nicht sein, weil viele Brote noch besser werden, wenn sie einen Tag oder älter sind, selbst Baguettes und andere Weizengebäcke. Im Umkehrschluss hieße dieser Grund fürs Selberbacken, dass in den Bäckereien und Supermärkten keine frischen Backwaren verkauft würden, zumindest nicht in der Frische, die den Antwortenden gefällt. Aus eigener Erfahrung setzen alle Marktteilnehmer aber auf ein maximales Maß an Frische. Das Problem ist hier wohl eher die Frischhaltung, die angesichts der Schnellbäckerei und unausgewogenen Rezepturen zu Wünschen übrig lässt. So oder so der für mich spannendste Punkt der kleinen Umfrage, den ich eventuell zu einem späteren Zeitpunkt nochmal etwas genauer ergründen möchte …


Mit gutem Abstand auf Platz 1 liegt „Weil ich wissen will, was im Brot enthalten ist“. Ein Grund, den ich sehr gut nachvollziehen kann. Niemand kann sich sicher sein, außer auf Vertrauensbasis, dass auch nur das im gekauften Brot enthalten ist, was draufsteht. Eine Volldeklarationspflicht gibt es bis heute leider nicht, obwohl sie insbesondere die technischen Enzyme betreffend mehr als nötig wäre.


Hier nun die Ja-Stimmen für die vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten zur Aussage „Ich backe Brot und/oder Brötchen, …“ (in Klammern die „Vielleicht“-Stimmen und dahinter die prozentuale Verteilung bezogen auf die Anzahl der Gesamtstimmen von 5618 Stück):

  1. weil ich wissen will, was im Brot enthalten ist | 1224 (156) | 24,6%
  2. weil ich ganz frisches Brot mag | 930 (188) | 19,9%
  3. weil ich kein gutes Brot zum Kaufen finde | 755 (316) | 19,1%
  4. um einen Ausgleich zu meiner Arbeit zu haben | 574 (228) | 14,3%
  5. um auf andere Gedanken zu kommen | 523 (243) | 13,6%
  6. um andere zu beeindrucken | 88 (195) | 5%
  7. weil ich durch Corona möglichst wenig Kontakt beim Einkaufen haben möchte | 79 (119) | 3,5%

Die Kommentare zur Umfrage waren noch aufschlussreicher als die Abstimmung selbst. Mein Freund und Brotexperimentator Jakob hat sich in die Texte gestürzt und eine qualitative Auswertung verfasst. Meinen größten Dank dafür!

Anzahl Kommentare: 531 (mit 1052 Nennungen von Gründen)
Zugriff auf Kommentare am 19.3.2021, 16:07 Uhr.

Inhaltsanalyse: qualitative Analyse der Kommentare, Zuordnung zu identifizierten Antwortkategorien, mit Angaben der Häufigkeit der Nennungen.

Hinweise:

  • In den Kommentaren gab es oft mehrere Inhalte, die den Antwortkategorien zugeordnet werden konnten.
  • Viele Kommentare haben die Standardantworten nochmals in eigenen Worten beschrieben und wurden daher in der Analyse nicht (nochmals) berücksichtigt.

Standardantworten und Zuordnung der Kommentare mit Häufigkeiten 

absolut/prozentual bezogen auf die Gesamtzahl der Nennungen)

Ich backe Brot und/oder Brötchen…

… um auf andere Gedanken zu kommen oder
… um einen Ausgleich zu meiner Arbeit zu haben

  • Brotbacken ist entspannend, es ist die Zeit für mich, erdet mich, mein Yoga, meine Meditation, positiver Stress (73/6,9%)
  • Ich mag das haptische Gefühl des Teigs / des Brotes, mit den eigenen Händen etwas so Gesundes und Leckeres herzustellen, das Handwerkliche (61/5,8%)
  • Brotbacken ist spannend, faszinierend, lebendig (33/3,1%)
  • Brotbacken ist ein Hobby, bei dem man das Ergebnis essen kann (16/1,5%)
  • Brotbacken ist pures Back-TV, Ofen-Kino, kann mich kaum satt sehen (14/1,3%)

… weil ich kein gutes Brot zum Kaufen finde oder
… weil ich wissen will, was im Brot enthalten ist

  • Der Geschmack des eigenen Brots ist viel besser als von gekauftem Brot (137/13%)
  • Qualität des Brotes selbstbestimmt steuern: Ich bestimme, was im Brot drin ist, wie es gemacht wird und woher die Zutaten sind! Brotbacken gibt mir ein Gefühl der Unabhängigkeit und der Kontrolle. Vertrauen in die Anbieter von Backwaren nicht (mehr) vorhanden. (101/9,6%)
  • Gesundheitliche Gründe (81/7,7%)

… um andere zu beeindrucken

  • anderen eine Freude machen, beschenken (Nachbarn, Freunde, Verwandte), neue Freunde finden (61/5,8%)

… weil ich ganz frisches Brot mag

  • Ich liebe den Duft von frisch gebackenem Brot (101/9,6%)

Zusätzliche Antwortkategorien, die in den vorgegebenen Antworten nicht direkt enthalten sind:

  • Brotbacken bereitet mir unheimlichen Spass, Freude und Zufriedenheit (111/10,6%)
  • Brotbacken ist einfach Magie: mit wenigen Zutaten und Zeit etwas Leckeres schaffen können (67/6,4%)
  • Ich mag Experimente, Abenteuer und Kreatives (62/5,9%)
  • Brotbacken macht mich glücklich, verschafft mir Glücksmomente, Glück pur (59/5,6%)
  • Ich möchte ein Vorbild für meine Kinder sein(bezüglich Gesundheit, Wertschätzung für die Zutaten und die Arbeit/Zeit, die dahintersteckt, das Handwerkliche). Brotbacken als eine Art Lebensschule (45/4,3%)
  • Ich backe Brot, weil ich wissen will, wie das funktioniert (20/1,9%)
  • Beim Brotbacken kann ich alle meine Sinne benutzen (10/1%)

Interessante Einblicke. Ich möchte aber betonen, dass dies nicht mehr als eben das ist. Ein Einblick, der nichts mit einer repräsentativen Umfrage zu tun hat. Die wäre noch viel spannender und aufschlussreicher, aber für mich allein nicht durchführbar. Falls sich aber ein Student oder Dozent einer Uni oder Forschungseinrichtung durch diese kleine Erhebung angesprochen fühlt, dem Hobbybäckertum auf den Grund zu gehen, helfe ich gern mit.