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2. Dezember 2015 · 10 KommentareRezension: „Natürlich Brot backen“ von Werner Kräling

„Natürlich Brot backen“ von Werner Kräling
Der Matthaes Verlag, der eigentlich ein (nebenbei bemerkt: hervorragender) Fachverlag ist, hat sich seit einiger Zeit auf die Fahnen geschrieben, den Hobby-Bereich nicht anderen Verlagen zu überlassen. Deshalb und vielleicht auch weil sich manch Bäckermeister ein Stück weit ehrverletzt fühlt, wenn ihm Hobbybäcker die Butter vom Brot nehmen, ist nun im genannten Verlag ein Buch erschienen, das die Zielgruppe Hobbybäcker ins Visier nimmt. Geschrieben von einem Bäckermeister, der sich bislang eher mit Fachpublikationen einen Namen gemacht hat: Werner Kräling.
Dieses Buch habe ich lange studiert, nicht nur einmal ist mir ein Messer in der Tasche aufgeklappt, habe ich Anfälle von Schnappatmung bekommen und mich gefragt, was der Autor und/oder der Verlag damit bezwecken möchte. Warum meine Aufregung? Der Reihe nach.
Kräling widmet sich auf knapp 100 Seiten den Grundlagen des Brotbackens. Von Warenkunde angefangen, beim Auskühlen der Brote aufgehört. Es bleibt kaum ein Detail unberücksichtigt. In manchen Fällen erdrückt der Autor mit zuviel Fachlichkeit die Lust am Backen, schießt in anderen Fällen über das Ziel hinaus, indem er Bäckerbedingungen versucht auf die Haushaltsbäckerei herunterzubrechen. Einige Aussagen sind fachlich zweifelhaft, etwa dass für glutenfreies Backen Xanthan nötig sei, Vollkornteige per se eine längere Gare bräuchten (die zuwiderlaufende höhere Enzymatik wurde hier nicht erwähnt), dass Teige nicht länger als eine Nacht bei 5°C reifen sollten etc. pp.
Das erschreckendste Kapitel im fachlich ansonsten durchaus empfehlenswerten Buch handelt von Sauerteigen. Hier hat vor allem der Böcker Bäcker geschrieben. Von Spontansauerteigen wird abgeraten. Leute, kauft Reinzuchtkulturen oder setzt euren Sauerteig am besten gleich mit Frischhefe an. So der Tenor. Spontansauerteige sind gefährlich, wenn nicht aus gesundheitlichen Gründen, dann doch aus aromatischer Sicht. Das mag eine Überzeugung des Autors sein, ist aber in der Praxis quasi nicht relevant. An vielen Stellen schreibt Kräling von den vielfältigen Aromen, die Sauerteige ins Brot bringen. Vielfältiger und natürlicher als mit gut gepflegtem Spontansauerteig kann ein Brot nicht sein. Kräling lässt die Argumentation der Sauerteigwirtschaft grüßen. Und wenn die Sauerteig-Firma Böcker (Zitat) „vielseitige Informationen rund um alle Vor- und Sauerteige“ zum Buch beigesteuert hat, liegt auch nahe, weshalb von Spontansauerteigen abgeraten wird.

Gleicher Inhalt, anderes Cover. Häusslers drittverwerte Variante von Krälings zweitverwertetem Buch.
Das gleiche „Problem“ zieht sich auch an anderer Stelle durch das Buch. Sobald von Geräten (Knetern, Öfen etc.) gesprochen wird, ist der Name „Häussler“ nicht weit. Häussler hat das Buch unterstützt und verkauft es, mit noch mehr Eigenwerbung versehen, mit anderem Cover und anderem Titel („Faszination Brot“), aber identischem Inhalt, in seinem eigenen Shop. Der Kunde wird über diese Vorgehensweise im Dunkeln gelassen und kauft sich u.U. zweimal dasselbe Buch ein. Darf es ein wenig Verbrauchertäuschung sein? Ja gern, zumal auf Häusslers Ausgabe das Buch als ein Häussler-Werk „in Kooperation mit Bäckermeister Werner Kräling“ angepriesen wird. So täuscht der Matthaes-Verlag seine Leser und Häussler seine Kunden. Eine fragwürdige Symbiose, zumal die beschworene lange Teigführung, geringer Hefeeinsatz und Zusatzstofffreiheit ganz und gar nicht mit den bislang von Häussler lancierten Brotrezepten bzw. Produkten zusammenpasst.
Eine Schippe fragwürdiger ist das Ganze noch, wenn einem bewusst wird, dass Krälings Buch in anderem Format und mit etwas gefachsimpelteren Texten, aber identischen Rezepturen und Fotografien, bereits 2014 im selben Verlag erschienen ist. Unter dem Titel „Brot – Chancen für die Bäckerei“ wurde versucht, einen vergleichbaren Inhalt 60 Euro teurer an Bäcker zu verkaufen. Nun also wird eine Zweit- und Drittverwertung unter Spurenverwischung am Hobbybäcker ausprobiert.
Aber zurück zum Inhalt. Der Autor mühte sich, gedanklich Fuß in der Hobbybäckerszene zu fassen, recherchierte nach eigenem Bekunden in diversen Foren, Büchern und Blogs. Sicher auch in meinen Publikationen jedweder Art, zumindest lassen einige schriftliche Äußerungen und inhaltliche Themen den Schluss zu (die Schraubenmethode beim Beschwaden ist dafür immer ein guter Anzeiger, wenngleich der Autor die Funktionsweise offenbar missverstanden hat).
Gehen wir besser zu den Rezepten. Die sind ausgewogen, mit 1,5-2% Hefeeinsatz moderat gestaltet, professionell fotografiert und sicher auch schmackhaft, wenngleich sich die geschmackliche Variation mit mehr oder minder identischen Vor- und Sauerteigen in Grenzen hält. Geschmackliche Unterschiede werden insbesondere dann deutlich, wenn mit Bratkartoffeln, Paprika, Zwiebeln, Curry, Hähnchen und ähnlichen Zutaten gespielt wird. Angenehm dagegen ist, dass sich Krälings Buch weitgehend auf Brot konzentriert und nur selten Ausflüge in die Kleingebäck-Ecke unternimmt. Unklar bleibt beim Malzeinsatz, ob aktives oder inaktives Malz gewünscht ist. Die fotografisch dokumentierten Brote sind offenbar nicht in normalen Haushaltsöfen gebacken worden.
Fazit: An sich ein gutes Buch für äußerst ambitionierte Einsteiger und Fortgeschrittene, wenngleich letztere mit der bäckerischen Fachlichkeit unterfordert und erstere überfordert sein werden. Da gilt der alte Spruch: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ Für Hobbybäcker nur bedingt geeignet und mit einem „Gschmäckle“ behaftet.
Tipp: Machen wir aus der Not eine Tugend. Wer sich als Profibäcker das genannte Fachbuch für 89 Euro damals nicht leisten wollte, kann jetzt zugreifen. Es ist, ein wenig abgespeckt, mit rund 66% Rabatt in Form des besprochenen Buches zu haben. Noch mehr sparen? Einfach das Buch bei Häussler kaufen. Dort ist es günstiger als die Verlagsversion, enthält allerdings ein paar Seiten über das Unternehmen.
Natürlich Brot backen
240 Seiten, 2015
Verlag: Matthaes Verlag
ISBN: 978-3875154092
Preis: 29,90 €
Mein Dank gilt dem Matthaes Verlag, der mir das Buch freundlicherweise zur Besprechung zur Verfügung gestellt hat.
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Aktualisiert am 2. Dezember 2015 |
Martin
29. Mai 2019 um 00:11
Also zu dem Buch hab ich auch eine ne Meinung. Bzw eher zu einem speziellen Rezept.
Vorab ich bin selbst Bäcker von Beruf und die Aussage das ein Bäcker mit diesem Buch unterfordert sei stimmt leider gar nicht da ich behaupte das kaum ein Bäcker der frisch ausgelernt ist sagen könne, dass er von diesem Buch nichts lernt.
Ich besuche gerade die Meisterschule und mein Lehrer selbst hat mir dieses Buch empfohlen als ich ihn nach einem guten Buch für Brotrezepte gefragt hab.
Aber zurück zu dem was ich sagen wollte ein spezielles Rezept ist eine Enttäuschung und zwar das urkorn Brot .
Halte ich mich an das Rezept bekomme ich einen Teig raus der eher einer Masse ähnelt. Erst dachte ich, ich hab mich wo verwogen oder einen Fehler gemacht.
Als ich aber das Rezept genauer unter die Lupe genommen hab, hab ich gesehen das die TA ( Wasser zu Mehl Verhältnis) lächerlich hoch ist 195 ungefähr war es glaub und 180 sind schon eher die ganz weichen Teige.
Das wars auch schon liebe grüße
M.G.B.
Ulf
29. Dezember 2015 um 16:58
Ohne Xanthan (oder in der Lebensmittelindustrie Cellulosederivaten wie Methylcellulosen) kann man wirklich kein frei geschobenes Brot backen. Leicht modifizierte Stärke (überbrüht) wie bei Ada Pokorny reicht nicht, da sie kein Gashaltevermögen hat. Dickungsmittel wie Johannisbrotkernmehl etc. reichen allein auch nicht! Werner Kräling liegt also fachlich richtig und Deine Versuche glutenfreies Brot zu backen mussten einfach scheitern. Was die Glutenfreie Gemeinde im Netz als Brot bezeichnet bleibt mir unverständlich, das hat keine Ähnlichkeit mit Brot.
Leider vertrage ich selbst kein Gluten mehr, weiss aber noch was Brot ist und mit Xanthan bekommt man Textur und Struktur ganz gut hin. Geschmack: wer versucht aus Hirse, Teff, Buchweizen und Co. allein ein Brot zu backen muss eigentlich an Geschmacksverirrung leiden — muss mit Stärke und am besten noch Reismehl verdünnt werden.
Ulf
Lutz
30. Dezember 2015 um 14:12
Ich will dich gern in deinem Glauben lassen, aber ich habe bereits einige glutenfreie Brote mit entsprechend brotähnlicher Struktur/Textur gebacken, die ohne Xanthan auskamen… Es gibt Lehrmeinungen. Und dann gibt es auch noch die Alternativen dazu.
Ulf
1. Januar 2016 um 08:32
Von Geologe zu Geologe, lies Deine eigenen Aussagen zum glutenfreien Brotbacken, das beruhigt. Was Lehrmeinungen betrifft habe ich Erfahrung (Univ. Prov. a.D.) und unterstelle sie zunächst nicht. Ich backe zumindest 1-mal pro Woche ein frei geschobenes Brot mit Xanthan, weils sonst halt nicht geht!
Gutes Neues, Ulf
Lutz
4. Januar 2016 um 07:48
Das führt in eine Sackgasse. Du hast gute Erfahrungen mit Xanthan, ich ohne. Leben wir damit.
Andrea
4. Dezember 2015 um 19:22
Eine nette Rezension. Aus dieser Sicht habe ich dieses Buch nicht gesehen.
Ich bin Hobbybäckerin und verwöhne meine Monster gerne mit gutem Brot. Inzwischen habe ich aus diesem Buch schon 3 Rezepte ausprobiert und bin mit den Ergebnissen unglaublich zufrieden. Die Brote waren sehr lecke und haben keine 2 Tage in meiner Küche überlebt ☺
Vielleicht habe ich so einiges in den Erklärungen überlesen, habe mit einem selbstgezogenen Sauerteig gearbeitet und eigentlich nur die Wassermenge etwas begrenzt um nicht davon zu schwimmen. Die Gärzeiten waren perfekt angegeben und bei mir in der Küche/Wohnung herrschen keine Bäckereibedingungen. Die Erklärungen rund um die Gare, die Zutaten und Teige fand ich gar nicht schlecht…
Das der Verlag auch mal etwas mit dem Buch verdienen möchte und fast das gleiche Buch „günstiger“ heraus gibt, kann man ihm ja wohl kaum verdenken.
Ich finde es ein gelungenes Buch.
Torsten Hacke
4. Dezember 2015 um 04:25
Ich finde es ein wenig fragwürdig wenn ein Buchautor andere Buchautoren im Web oder Blog über deren Bücher sein Urteil fällt bzw. kritisiert. Das kann nur einen Zweck haben, dass hier jemand sein eigenes Buch verkaufen will (kann man verstehen, weil man daran verdient).
Lutz
7. Dezember 2015 um 09:10
Ja, dieses Argument höre ich ab und zu, aber ich kann reinen Gewissens sagen, dass ich andere Bücher anhand von fachlichen Kriterien und nicht aufgrund von monetären Interessen bespreche. Es gibt eine Reihe von Büchern, die bei mir gut abschneiden und die ich empfehle, auch wenn sie eigentlich in Konkurrenz zu meinen eigenen Werken stehen. Ich möchte einfach aufzeigen, welche Brotbücher ich (!) für geeignet halte, um damit als Hobbybäcker arbeiten zu können.
NM
2. Dezember 2015 um 12:58
Danke für die interessante Rezension. Was für eine interessante Geschichte die sich da um dieses Buch abseits vom Inhalt spannt! Das hinterläßt in der Tat einen faden Beigeschmack …
Bei Häussler ist das Buch doch auch zum gleichen Preis wie bei Amazon zu haben?
Lutz
2. Dezember 2015 um 15:34
Ok, das war ein Versehen. Ich könnte schwören, dass es bei Amazon kürzlich knapp über 30 Euro gekostet hat. Hab’s geändert. Dankeschön für deinen Hinweis.