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9. Dezember 2015 · 13 KommentareRezension: „Das große Buch vom Brot“ von Arno Simon, Marie Thérese Simon und Alexander Schmidt

„Das große Buch vom Brot“ von Arno Simon, Marie Thérese Simon und Alexander Schmidt
Lange habe ich auf dieses Buch gewartet. Es war nur eine Frage der Zeit bis die Familie rund um den Sieger der 1. Staffel der ZDF-Sendung „Deutschlands bester Bäcker“ ein Brotbuch schreibt. Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse stand das Buch bereits im Regal, aber bis auf das Inhaltsverzeichnis und das Cover war noch nichts zu sehen außer weiße Seiten.
Nun ist es im Buchhandel und weckt große Erwartungen. Nicht nur weil es von Deutschlands bestem Bäcker geschrieben wurde, sondern weil es opulent daher kommt, ich von den Simons und ihrer (Demeter-) Bäckerei schon viel Gutes gehört habe und das Inhaltsverzeichnis auf der Buchmesse ein durchdachtes Buch erkennen ließ.
Die Simons und ihr Bäckermeister Schmidt haben sich nicht lumpen lassen. Großformatige Seiten, hervorragende Fotografien, schlichter und eleganter Stil und ein Werk von 400 dicken Seiten. Das macht Eindruck.
Der Schreibstil, der die immerhin 80 Seiten Grundlagenwissen füllt, ist locker, manchmal zu locker und sicher dem „Ghostwriter“ geschuldet, der den Bäckern beratend zur Seite stand.
Die Texte über die Grundrohstoffe Mehl, Salz, Wasser, Hefe und Sauerteig sind fachlich präzise und ausführlich. Die ein oder andere tabellarische Übersicht hätte dem Verständnis nicht geschadet.
Im Praxisteil zum Kneten, Wirken, Einschneiden und Backen wird deutlich, dass hier Profibäcker am Werk sind, die ihr Tun auf Haushaltsmaßstab herunterbrechen möchten. Das ist löblich, gelingt aber nur leidlich. Viele Tipps sind gut gemeint, für den Haushaltsofen gibt es aber beispielsweise deutlich bessere Beschwadungsmethoden als die vorgestellte. Auch das Kapitel über Knetmaschinen erscheint eher als Pflicht denn als Kür.
Die Autoren und die Autorin sind überzeugte Biobäcker und geben ihre Leidenschaft auch im Buch wieder. Koch-, Brüh- und Quellstücke sind Alltagsgeschäft, die Arbeit mit Vorteig und Sauerteig ebenso. Die Teige dürfen mit moderaten 2% Hefe auskommen. Die meisten Brote, Kleingebäcke und Feingebäcke scheinen den Fotografien nach tatsächlich im Haushaltsofen gebacken worden zu sein – eine lobenswerte Seltenheit, insbesondere bei Büchern von Profibäckern.
Die Rezepturen sind ausgewogen und von guter fachlicher Qualität, allerdings mit Ausreißern in beide Richtungen. Einige Brote haben krümelige Krumen und unschöne, matte Krusten. Andere dagegen stechen in ihrer ästhetischen Erscheinung heraus. Entweder haben die Bäcker mit den klassischen Haushaltsbedingungen und/oder mit den Rezepturen selbst zu kämpfen gehabt. Die Kernkompetenzen und -fähigkeiten der Bäcker lassen sich anhand der Rezepte ganz klar erkennen.
Die Vorteigführung mit 1% Hefe über 16 Stunden bei Raumtemperatur erscheint sehr lang. Der Vorteig gelangt mit Sicherheit überreif in den Teig. 0,1% Hefe wären besser. Schade auch, dass sämtliche Sauerteigbrote mit dafür üppigen 2% Hefe versetzt werden. Roggenbrötchen mit nur 51% Roggen sind bei enger Auslegung keine Roggenbrötchen und manche Rezepte mit allzu exotischen Variationen erscheinen wie Lückenfüller.
Fazit: Ein sehr gutes Buch für ambitionierte Anfänger mit einer Fülle von allgemeinem Grundwissen und über Hundert Rezepten. Ein anerkennenswerter Schritt der Profis hin zu den „Gelegenheitsbäckern“. Für etwas erfahrenere Hobbybäcker leider keine Empfehlung. Für den Inhalt im Vergleich zu anderen Werken viel zu teuer.
Das große Buch vom Brot
400 Seiten, 2015
Verlag: Christian Verlag
ISBN: 978-3875154092
Preis: 39,99 €
Mein Dank gilt dem Christian Verlag, der mir das Buch freundlicherweise zur Besprechung zur Verfügung gestellt hat.
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Aktualisiert am 26. November 2015 |
Ute
11. Dezember 2015 um 20:49
Hallo Lutz,
dieses Buch habe ich mir aber gegönnt. Es ist ein schön aufgemachtes Buch mit vielen Tipps und Rezepte, die jeder Hobbybäcker umsetzen kann. Deiner Meinung, dass das Buch für „etwas erfahrenere Hobbybäcker“ keine Empfehlung sei, kann ich leider nicht folgen. Auch für sie sind einige schöne Rezepte dabei, die zum Nachbacken sich lohnen.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Du hier und da Deine Erwartungen an ein brauchbares Brotbackbuch einfach zu hoch gesteckt hast.
Lieben Gruß Ute (Tosca)
Lutz
14. Dezember 2015 um 06:49
Wie du schon schreibst, sind es „meine“ Erwartungen. Jeder kann Bücher anders beurteilen. Ich betrachte die Bücher einerseits aus fachlicher Perspektive und andererseits fließt in das Fazit natürlich auch mein subjektiver, persönlicher Eindruck ein. Eine Empfehlung ist immer persönlich und jeder mag es anders einschätzen, abhängig von dem, was er von einem Buch erwartet.
Thomas
10. Dezember 2015 um 09:54
Macht es denn einen so großen Unterschied, ob man im Haushaltsbackofen mit Backstein oder im Profiofen backt?
Liebe Grüße
Thomas
Lutz
11. Dezember 2015 um 13:23
Ja, den Unterschied macht weniger der Backstein, sondern der Dampf.
Ein Dekoherzal in den Bergen
9. Dezember 2015 um 22:50
danke für de INFO…..
gut geschrieben,,,,
hob no an feinen ABEND
bis bald de BIRGIT
Torsten Hacke
9. Dezember 2015 um 19:39
Weizenvorteig sollte man mit 1% Hefe und 1% Salz und mind. 16 Std. führen, dass ist fachlich richtig, der Vorteig kann max. bis 48 Std. aus der Kühlung weiter verarbeitet werden.
Lutz
11. Dezember 2015 um 13:15
Wenn es jetzt nur einen einzigen Weizenvorteig auf der Welt gäbe, dann könnten wir über diese vermeintliche Regel diskutieren, aber es gibt mehr Vorteige auf der Welt als wir Finger an den Händen haben.
Ihre „Formel“ ist ein Weg unter vielen. Er funktioniert gut, aber bei dieser Zeitangabe nur mit Salz. Da im Buch bei der genannten Führung keinerlei Salz im Spiel ist, kommt der Vorteig, wie in der Rezension beschrieben, überreif in den Teig…
Torsten Hacke
12. Dezember 2015 um 04:30
Wenn der Vorteig wie beschrieben ohne Salz geführt wird, aber dafür „eiskalt ca. 16 – 18 ° C TT“ bei Raumtemperatur reifen lassen, funktionierts auch – ohne das er überreif ist. Ja, Vorteige gibt es viele und kann man viele herstellen.
Lutz
14. Dezember 2015 um 06:51
Raumtemperatur sind aber in aller Regel keine 16°C, sondern 18-20°C. Und auch bei 18°C erreicht der im Buch beschriebene Vorteig selbst mit 0,1 g Frischhefe schon Vollreife. Die 10-fache Hefemenge würde Überreife zur Folge haben. Wären es 10-12°C, ginge ich mit.
Torsten Hacke
14. Dezember 2015 um 13:25
Ich hatte TT = Teigtemperatur geschrieben, nicht Raumtemperatur. Raumtemp. liegt meistens bei 20 – 22 °C – aber egal, bei uns klappt es. Muss jeder selbst ausprobieren und für sich entscheiden.
Rikibu
9. Dezember 2015 um 14:10
Mmmh, hatte eigentlich etwas anderes erwartet als diese wahren Worte eines (für mich) weiteren bzw. wenn nicht DEM Brot-Meister schlechthin 🙂
Hatte dieses Werk auf der Liste wegen Rezeptinspirationen, aber 40 Euro sind dann wohl auch etwas deftig.
Die Grundlagen habe ich ja bereits durch das Brotbackbuch 1 und 2, welche ich immer wieder all zu gerne durchforste, gelernt.
Da fällt mir ein, wird es ein drittes Brotbackbuch vom Herrn Geißler geben?
Lutz
11. Dezember 2015 um 13:11
Irgendwann bestimmt, aber Konkretes habe ich noch nicht zu verkünden :).
Markus Pirchner
9. Dezember 2015 um 10:05
Hallo Lutz,
es hat sich offenbar gelohnt, deine Rezension abzuwarten. Habe dadurch € 40 „gespart“ 😉
Werden in andere Brotbackbücher investiert.
LG
Markus