Wenn jemand eine Reise tut ...
… so kann er was erzählen. Ich erzähle nicht nur ein paar Worte, sondern backe auch dazu. Die Worte folgen gleich, die Brote voraussichtlich erst Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres. Es gibt sie schon, als Idee in meinem Kopf, nur mangelt es an der Zeit, sie Wirklichkeit werden zu lassen.
Worüber ich erzähle? Über meine Bäckerreise durch Süddeutschland und Österreich im September.
Nach dem sehr gelungenen Auftakt mit meinem ersten Privatbackkurs bei Frankfurt am Main zog es mich nach einer Stippvisite an der Akademie des Deutsches Bäckerhandwerkes nach Ludwigsburg. Dort bin ich inzwischen ein alter Bekannter bei Familie Remmele, die die Stadtbäckerei Luckscheiter betreibt. Ihr Spross, begnadeter Bäcker und Freund, Felix Remmele, half mir bei der Umsetzung meines Brotbackbuches. Zum Mitbacken fehlte die Zeit, Eindrücke hatte ich bereits vor zwei Jahren gesammelt. So blieben wort- und lehrreiche Stunden sowie ein Rundgang durch die neue Verkaufsstätte.
Weiter ging es zum ersten richtigen Arbeitseinsatz nach Zwiefalten, südlich von Stuttgart. Dort lebt und wirkt Günther Weber, seinerseits Biobäcker und Buchautor. Er bäckt von Mittwoch bis zum Wochenende und hat besonders in den ersten Nächten fast keine Zeit, ein Auge zuzumachen. Als ich nach meiner ersten Backnacht (die eigentlich ein Tag war) nach reichlich 10 Stunden gegen 14 Uhr die Backstube verließ und zum gemeinsamen Abendessen wieder aufschlug, war Günther immer noch am Backen und Vorbereiten der kommenden Nacht, die 23 Uhr beginnen sollte. Für mich waren bis dahin noch 1 – 2 Stunden Schlaf verblieben.
Die zweite Backnacht war vor allem den Kleingebäcken vorbehalten. Roggen-, Emmer- oder Dinkelbrote wurden schon tags zuvor gebacken.
Beide Nächte waren ein Erlebnis. Allein das Anheizen der beiden Holzbacköfen ist immer wieder faszinierend. Günther Weber ist der Gemütsmensch, der sich in seinem Buch hinter jedem Satz erkennen lässt. Seine Rezepte sind einfach, aber geschmacklich gut. Vieles läuft in seiner Backstube nach Gefühl und nicht nach genauen Parametern. Auch wenn die Teiglinge bei Bauernbrot und Weißbrot für meine Bäckerseele ruhig mit knapperer Gare in den Ofen und mit deutlicherem Ausbund heraus hätten kommen können, möchte ich die Erfahrungen nicht missen, die ich aus Günthers Backstube mitnehmen durfte.
Mein Wunsch knapperer Gare ist nicht einfach umzusetzen. Der Ofen muss je nach Tag, Holzqualität und Backstubentemperatur eher, später, schwächer oder kräftiger angeheizt werden. Die Teige müssen sich nach dem Ofen richten, nicht andersherum. Ein Problem, dass technisiertere Bäckereien nicht haben.
Eine Reise zum Loretto-Hof lohnt sich. Idyllisch gelegen und wirklich entspannend. Hier scheinen sich die Uhren etwas langsamer zu drehen. Sehr erholsam.
Vielen Dank, Günther, für die schöne Zeit!
Weiter ging es nach München mit einer Pause in Ulm, wo parallel zum Tag des Denkmals auch das Brotfest am Museum der Brotkultur stattfand. Eigentlich wollte ich mir nur einmal ein Bild vom Museum machen. Das Fest war ein schöner Zufall. Vom Museum hatte ich mir weit mehr versprochen als eine Kunst- und Reliquienausstellung. Die Welt der Brotbäckerei und all ihrer Facetten wird nur mit wenigen Exponaten aus der Bäckerpraxis angerissen. Jetzt verstehe ich auch, weshalb das Museum vor Jahren von „Deutsches Brotmuseum“ in „Museum für Brotkultur“ umbenannt wurde. Ein wirkliches Brot- und Bäckereimuseum fehlt wohl in Deutschland (oder kenne ich es nur noch nicht?).
Auch das Brotfest hatte ich etwas üppiger erwartet. Ein paar Stände mit Esserei, ein Bäcker, der Teig zu Stangen verdrehte und in den Heißluftofen schob, ein Stand zum Teigflechten. Grund genug, um schon gegen Mittag das Weite zu suchen und München anzusteuern.
In München wartete die zweite Ausstellung. Das Deutsche Museum kümmert sich in seiner Sonderschau „Das Gelbe vom Ei“ um unsere Lebensmittel. Eines davon ist Brot. Für diesen Ausstellungsteil habe ich ein Foto beigesteuert. Es zeigt ein reines Kartoffelbrot nach einem Rezept aus dem 18. Jahrhundert. Damals ein Notbrot in Zeiten, in denen Getreide knapp war.
Die Ausstellung selbst ist interaktiv gestaltet und lädt zum Erkunden ein. Für mich hätten die Themen breiter gestreut sein können. Es gibt mehr in der Welt der Lebensmittel als Brot, Lebensmittelkonservierung, Lebensmittelkrankheiten und ein Regal voller Exponate.
Nach der Stippvisite im Museum stand ein besonderes Treffen inmitten des Viktualienmarktes an. Ein gemeinsames Mittagessen mit Nicky und Oliver vom Foodblog deliciousdays.com. Oliver bäckt zunehmend Brot und hat sich Tipps und Tricks erfragt. Mit Nicky, so uns die störrische Wirtin nicht zum wiederholten Male den Suppenlöffel oder die Gabel aus der Hand riss, plauderte ich über Bücher, Verlage und die mit ihnen verbundenen Eigenheiten. Es hätte gern längern dauern können, aber stehen zeitlich mindestens so unter Strom wie ich. Vielen Dank also dafür, dass ihr euch ein paar Stunden freischaufeln konntet!
Nächste Station: Holzbackofen in Stadl, einem kleinen Dorf östlich von München, in dem sich das Antiquariat von Matthias Loidl befindet. Matthias hatte vor einiger Zeit ein Foto von seinem Ofen auf Facebook gestellt und mich dazu animiert, mit ihm zu backen. Bildschön und groß dieser Ofen. Das Wetter und der etwas zu kalte Ofen haben uns zwar einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber ein paar gelungene Brote konnten wir dennoch aus dem Ofen ziehen.
Während der Teig noch ruhte, besuchten wir die nahegelegene Drax-Mühle, geführt von Monika Drax, eine der wenigen Müllerinnen Deutschlands. Die kleine Mühle verarbeitet im Jahr ca. 1000 t regionales Getreide zu Mehl, darunter vor allem Biomehle, immer häufiger auch von alten und selten gewordenen Getreidesorten. Besonders beeindruckt hat mich der Mühlenladen. Ein riesiges Biosortiment neben den reinen Getreideprodukten. Und immer Besucher im Laden, trotz der Abgeschiedenheit der Mühle. Bei einem meiner kommenden Backtage werde ich das Mehl der Mühle testen.
Matthias baut übrigens gerade einen kleinen Onlineshop für Hobbybäcker auf, in dem es auch die Mehle der Drax-Mühle gibt.
Am gleichen Abend noch führte mich die Reise nach Rauris in den österreichischen Alpen. Dort wartete Roswitha Huber auf ihrer Kalchkendlalm auf mich. Viele werden sie über ihr Buch „Gutes Brot“ kennen, einige auch schon von ihren Brotkursen am Holzbackofen. Wenige Tage vor meiner Ankunft fand das von ihr initiierte Rauriser Brotfest statt, zu dem ich leider nicht kommen konnte, ohne meine gesamte Reiseplanung über den Haufen werfen zu müssen.
Roswitha erwartete an unserem Backtag eine Schulklasse, mit der wir gemeinsam Roggenbrot im Holzbackofen zubereiteten. Es gibt aufmerksamere Schüler und sicher auch weitaus interessiertere Lehrer als ich sie an jenem Tag erleben durfte. Roswitha blieb äußerlich gelassen – die wohl beste Taktik. In den Pausen blieb Zeit zum Fachsimpeln, zum Büchertausch und Plaudern.
Auch wenn die Zeit sehr knapp war und wir noch Stunden über Brot hätten reden können, danke ich dir, liebe Roswitha, für den eindrucksvollen Tag. Wir werden uns wiedersehen …
Vorletztes Ziel meiner Reise war das kleine Dorf St. Marien bei Linz in Österreich. Die Bäckerei Reichl Brot mit ihrem Backstubenleiter Dietmar Kappl, einem äußerst wissbegierigen und perfektionistisch veranlagten Bäcker, nahm mich dankend zum Gegenbesuch auf. Richtig gelesen: Gegenbesuch. Dietmar war Gast bei einem meiner ersten Brotbackkurse und liest regelmäßig den Plötzblog.
Wir haben eine lange Nacht zusammen gebacken – erst das Wochenendprogramm der Bäckerei, dann einige Testbrote und -baguettes. Besonders imponiert hat mir die stundenlange Arbeit zweier Gesellen, die handgeschlagene Kaisersemmeln formten. Geschmacklich grandios sind Dietmars Salzstangerln und Wurzelbrote. Dietmar ist ein wandelnder Praxistipp. Ich hätte noch Tage damit verbringen können, seine Erfahrung abzufragen. Ein paar technische Tricks habe ich mir abgeschaut und werde sie schnellstmöglich versuchen umzusetzen. Vielen Dank!
Letzter Halt nach nunmehr zweieinhalb Wochen und über 2.000 km Reise war Thyrnau bei Passau. Dort betreibt Josef Bauer eine Mühle und Biobäckerei mit Holzbackofen. Auf ihn aufmerksam hatte mich ein Fernsehbeitrag des Bayerischen Rundfunks gemacht. Josef nahm mich ohne Zögern für eine gemeinsame Backnacht auf. Rund- und Langwirken, Ofen anheizen, Backen, Nacht vorbei. Viel zu schnell, zumal ich auf das gemeinsame Frühstück wegen der drängenden Heimreise verzichten musste. Es hat mir viel Freude bereitet, auch zu Hause noch, wo ich Josefs äußerst saftiges Bauernbrot genießen durfte (dass übrigens auch für meine Fotos vom neuen Brotmesser hergehalten hat).
Knapp 2.500 km lagen nun hinter mir und meiner Familie, die immer mit dabei war (außer nachts in den Backstuben). Neben den Bäckerbesuchen blieb ausreichend Zeit, die Gegenden zu erkunden und die meist ländliche Umgebung zu genießen. Das Wetter hat bis auf den Abreisetag immer mitgespielt. Der Regen beschränkte sich auf die Nächte und den Backtag bei Matthias.
Ich bedanke mich aufs Herzlichste bei allen Profi- und Hobbybäckern, die mich und meine Familie so unvoreingenommen aufgenommen haben. Ich hätte noch an weit mehr Stationen Halt machen können. Allein in Österreich trauere ich um mindestens drei spannende Orte, die einfach zu weit von meiner Route lagen, um sie zu besuchen. Vielleicht bei der nächsten Bäckerreise. Aber da ruft eigentlich auch Norddeutschland …