Geistiges Eigentum in der Rezeptentwicklung

Ein Statement

In meinen Anfangsjahren der Brotbäckerei ab 2008 habe ich viele Rezepte von anderen Buchautoren, insbesondere von Jeffrey Hamelman, als Grundlage meiner Backversuche verwendet. Ich habe sie teils 1:1 nachgebacken, größtenteils aber aus Neugier oder wegen der Sprach- und Zutatenbarriere zwischen den USA und Deutschland abgewandelt.

Die ersten brotaffinen Beiträge in meinem Blog, der damals noch gar nicht Plötzblog hieß, waren nur mit ein paar Bemerkungen und Fotos ausgestattet, aber ohne das eigentliche Rezept. Aber schon damals verwies ich auf die Quelle.


Später schrieb ich der vermehrten Nachfrage wegen auch die Rezepte selbst in den Blog, aber auch da immer mit der Angabe „nach Jeffrey Hamelman“ o.ä. Ich habe es mir damals schon ohne große Überlegungen zu eigen gemacht, den Urheber anzugeben, der den Großteil der geistigen Leistung an meinem Brot erbracht hatte, ganz gleich ob ich noch ein paar Veränderungen eingebaut hatte oder nicht. Es bestand für Jeffrey Hamelman nie die Gefahr, dass all seine Rezepte bei mir im Blog landen würden. Ich habe nur wenig von ihm nachgebacken, weil mich die Experimentierlust packte und schnell eigene, anfangs recht gruselige Rezepte im Blog erschienen. Inzwischen kennt Jeffrey mich und meine Arbeit auch.

Recht

Ich bin kein Rechtsanwalt und auch kein Richter. Die Rechtslage ist mir nur nach Hörensagen bekannt. Rezepte werden im Allgemeinen nicht als rechtlich schützenswert angesehen, sondern nur möglicherweise geistig wertvolle Einleitungsworte dazu oder die Rezeptbeschreibung. Diese wiederum ist offenbar nur schützenswert, wenn sie 1:1, also wortgleich von einer anderen Partei abgekupfert und wieder veröffentlicht wird. Werden die Zutaten und deren Mengen kopiert und die Beschreibung sinngleich, aber in anderen Worten wiedergegeben, dann besteht rechtlich kein Problem, aber ein moralisches ganz sicher.


Über die Schwere des Problems bin ich mir erst bewusst geworden, als ich selbst komplett eigene Rezepte veröffentlichte. Rezepte sind geistige Arbeit. Nicht alle Rezepte natürlich. Wenn ich einfach etwas zusammenmische und abbacke, ohne Sinn und Verstand, dann kann man die Frage nach der geistigen Leistung berechtigterweise stellen.

Wenn aber jede Zutat, jede Zutatenmenge, jede Aufteilung der Zutaten auf Vorstufen, jeder Handgriff und jede Zeit einen Sinn haben, begründet werden können und nur deshalb im Rezept stehen, weil nur dann das gewünschte Brot entstehen kann, dann ist das eine geistige Höchstleistung, die sich aus meiner Sicht nicht von der Arbeit eines Musikkomponisten oder eines Schriftstellers unterscheidet. Rezepteschreiben ist ein geistiger Akt, der geschützt gehört, rechtlich wie moralisch.

Achtung und Wertschätzung

Allein die Achtung vor der Arbeit anderer sollte jeden dazu bringen, die Quelle eines Rezeptes anzugeben, ganz gleich, ob nur das Brot gebacken und veröffentlicht wurde oder das gesamte Rezept, ganz gleich, ob das Brot beim Bäcker verkauft oder an Freunde oder Bekannte weiterverschenkt wird. Und mit dem Rezepteschreiben ist es nicht getan. Es stecken Stunden und Tage an Arbeit in einem Rezept. Es muss ausprobiert und feinjustiert werden. All das sieht fast niemand, der sich eines fremden Rezeptes bedient. Das Mindestmaß an Dank ist die Angabe des Urhebers.


Selbst schuld, könnte man sagen. Was veröffentlicht der Kerl auch seine Rezepte im Internet? Das Internet ist aber gar nicht die größte Baustelle. Es sind die Bücher. Meine Rezepte im Blog sind frei verfügbar für jeden, der sie nachbacken möchte. Sie können geteilt und kopiert werden. Der Haken an der Sache ist die Frage nach dem Wo und dem Wie. Wo? Im Privaten. Jeder darf und soll Rezepte an Freunde und Bekannte weitergeben. Nur so verbreitet sich ein Bewusstsein für gutes Brot und für den Mehrwert des Brotbackens abseits reiner Nahrungsaufnahme.

Das Private hört aber da auf, wo Öffentlichkeit herrscht, also in Foren, in Blogs, in den sozialen Medien. Spätestens in diesen Räumen sehe ich eine Quellenangabe als moralisch verpflichtend an und wünsche mir eine rechtliche Pflicht ebenso herbei.

Rezepte aus Büchern

Geht es um Rezepte aus Büchern, ist die Rechtslage leider ebenso lau. Auch hier ist niemand verpflichtet, die Quelle anzugeben, wenn er die Zutatenliste samt Mengen kopiert. Die größte geistige Arbeit steckt beim Brotbacken aber gerade dort: In den Mengenverhältnissen der einzelnen Zutaten. Dem Rezeptklau ist so Tür und Tor geöffnet. Ich hatte in den vergangenen Jahren mit etlichen Fällen zu tun, in Zeitschriften, in Onlinevideos, in Fernsehsendungen, in Bäckereien, in Cafés. Immer schmückten sich andere Hobby- und Profibäcker mit Rezepten, die eindeutig auf mich zurückzuführen waren. Ganz dreist war eine 1:1-Kopie von ausgewählten Blogrezepten samt Fotos in einem E-Book auf Amazon. Hier half der Rechtsweg. In allen anderen Fällen konnte ich nur appellieren, aber nichts ausrichten.


In meinen Büchern steckt unglaublich viel Arbeit. Mehrere Monate mit 12-Stunden-Tagen, tagelanges Korrekturlesen etc. Die Frage nach dem Wie ist einfach zu beantworten. Statt Rezepte zu kopieren, sollte immer nur die Quelle genannt werden. Mit einem Klick ist der Suchende beim Rezept im Internet. Und statt Rezepte aus Büchern weiterzugeben, wäre eine Buchempfehlung der beste Dank an den Autor.

Transparenz

Quellenangaben machen unser Leben transparenter, lockern das Dickicht an Informationen auf und verhindern, dass sich Fremde mit den Federn anderer schmücken.

Ich bin der Letzte, der begeistert ist von Rechtsmitteln. Alles, was ich mir wünsche, ist der achtsame und wertschätzende Umgang mit meiner Arbeit. Deshalb habe ich seit einigen Monaten auch einen entsprechenden Hinweis unter jedem Beitrag im Blog stehen, der meine Leser für dieses Thema sensibilisieren soll. Diese Wertschätzung wünsche ich mir auch vom Gesetzgeber, so wie er sie Komponisten und Schriftstellern zukommen lässt. Nichts anderes sind Rezeptautoren, die ihr Handwerk verstehen, auch – Komponisten mit einer etwas anderen Klaviatur.

Empfehlungen

Um es konkret zu machen, meine Empfehlungen für alle, die privat oder öffentlich mit fremden Rezepten arbeiten:

Was will ich tun?Was gebe ich an?
Ich empfehle jemandem privat ein Rezept, das auf einer Internetseite oder in einem Buch veröffentlicht wurde.Ich nenne den Namen des Autors und des Werks (Buchtitel, exakte Internetadresse etc.)
Ich backe ein im Internet oder in einem Buch veröffentlichtes Rezept und veröffentliche mein Backergebnis im Internet.Ich veröffentliche nur mein Bild als Backergebnis. Oder besser: Ich nenne zusätzlich den Namen des Autors und des Werks (Buchtitel, exakte Internetadresse etc.).
Ich verändere ein Rezept, das auf einer Internetseite oder in einem Buch veröffentlicht ist und gebe es in eigenen Worten wieder.Ich nenne den Autor des Ursprungsrezeptes sowie die Internetadresse bzw. den Buchtitel.
Ich verwende ein Rezept unverändert oder verändert, um Brot zur öffentlichen Weitergabe zu backen. (nicht kommerziell)Ich nenne den Beschenkten den Autor des (Ursprungs-)Rezeptes sowie die Internetadresse bzw. den Buchtitel.
Ich verwende ein Rezept unverändert oder verändert, um Brot für den Verkauf zu backen (kommerziell).Ich bitte den Autor des (Ursprungs-)Rezeptes um sein Einverständnis und nenne ihn sowie die Internetadresse bzw. den Buchtitel gegenüber den Kunden.

Generell ist es immer von Vorteil, sich bei einer Unsicherheit bezüglich der Nutzung eines Rezeptes direkt an den Autor zu wenden. Soll ein Rezept kommerziell genutzt werden, dann ist das für mich sowieso obligatorisch.

Diesen Text habe ich für den „BrotTalk“ der Gruppe „Backen mit Freunden“ geschrieben. Dort hat sich auch eine lebhafte Diskussion entwickelt. Deshalb sehe ich an dieser Stelle von der Öffnung der Kommentare ab. Vielen Dank an Grit Streußloff und ihre Helferinnen, die den Text kritisch durchgesehen und die Tabelle verständlicher formuliert haben.