Natürlich Brot backen

von Werner Kräling

Der Matthaes Verlag, der eigentlich ein (nebenbei bemerkt: hervorragender) Fachverlag ist, hat sich seit einiger Zeit auf die Fahnen geschrieben, den Hobby-Bereich nicht anderen Verlagen zu überlassen. Deshalb und vielleicht auch weil sich manch Bäckermeister ein Stück weit ehrverletzt fühlt, wenn ihm Hobbybäcker die Butter vom Brot nehmen, ist nun im genannten Verlag ein Buch erschienen, das die Zielgruppe Hobbybäcker ins Visier nimmt. Geschrieben von einem Bäckermeister, der sich bislang eher mit Fachpublikationen einen Namen gemacht hat: Werner Kräling.

„Natürlich Brot backen“ von Werner Kräling

Dieses Buch habe ich lange studiert, nicht nur einmal ist mir ein Messer in der Tasche aufgeklappt, habe ich Anfälle von Schnappatmung bekommen und mich gefragt, was der Autor und/oder der Verlag damit bezwecken möchte. Warum meine Aufregung? Der Reihe nach.

Kräling widmet sich auf knapp 100 Seiten den Grundlagen des Brotbackens. Von Warenkunde angefangen, beim Auskühlen der Brote aufgehört. Es bleibt kaum ein Detail unberücksichtigt. In manchen Fällen erdrückt der Autor mit zuviel Fachlichkeit die Lust am Backen, schießt in anderen Fällen über das Ziel hinaus, indem er Bäckerbedingungen versucht auf die Haushaltsbäckerei herunterzubrechen. Einige Aussagen sind fachlich zweifelhaft, etwa dass für glutenfreies Backen Xanthan nötig sei, Vollkornteige per se eine längere Gare bräuchten (die zuwiderlaufende höhere Enzymatik wurde hier nicht erwähnt), dass Teige nicht länger als eine Nacht bei 5 °C reifen sollten etc. pp.


Das erschreckendste Kapitel im fachlich ansonsten durchaus empfehlenswerten Buch handelt von Sauerteigen. Hier hat vor allem der Böcker Bäcker geschrieben. Von Spontansauerteigen wird abgeraten. Leute, kauft Reinzuchtkulturen oder setzt euren Sauerteig am besten gleich mit Frischhefe an. So der Tenor. Spontansauerteige sind gefährlich, wenn nicht aus gesundheitlichen Gründen, dann doch aus aromatischer Sicht. Das mag eine Überzeugung des Autors sein, ist aber in der Praxis quasi nicht relevant. An vielen Stellen schreibt Kräling von den vielfältigen Aromen, die Sauerteige ins Brot bringen. Vielfältiger und natürlicher als mit gut gepflegtem Spontansauerteig kann ein Brot nicht sein. Kräling lässt die Argumentation der Sauerteigwirtschaft grüßen. Und wenn die Sauerteig-Firma Böcker (Zitat) „vielseitige Informationen rund um alle Vor- und Sauerteige“ zum Buch beigesteuert hat, liegt auch nahe, weshalb von Spontansauerteigen abgeraten wird.

Das gleiche „Problem“ zieht sich auch an anderer Stelle durch das Buch. Sobald von Geräten (Knetern, Öfen etc.) gesprochen wird, ist der Name „Häussler“ nicht weit. Häussler hat das Buch unterstützt und verkauft es, mit noch mehr Eigenwerbung versehen, mit anderem Cover und anderem Titel („Faszination Brot“), aber identischem Inhalt, in seinem eigenen Shop

„Faszination Brot“ von Werner Kräling in Kooperation mit Häussler

Der Kunde wird über diese Vorgehensweise im Dunkeln gelassen und kauft sich u.U. zweimal dasselbe Buch ein. Darf es ein wenig Verbrauchertäuschung sein? Ja gern, zumal auf Häusslers Ausgabe das Buch als ein Häussler-Werk „in Kooperation mit Bäckermeister Werner Kräling“ angepriesen wird. So täuscht der Matthaes-Verlag seine Leser und Häussler seine Kunden. Eine fragwürdige Symbiose, zumal die beschworene lange Teigführung, geringer Hefeeinsatz und Zusatzstofffreiheit ganz und gar nicht mit den bislang von Häussler lancierten Brotrezepten bzw. Produkten zusammenpasst.

Eine Schippe fragwürdiger ist das Ganze noch, wenn einem bewusst wird, dass Krälings Buch in anderem Format und mit etwas gefachsimpelteren Texten, aber identischen Rezepturen und Fotografien, bereits 2014 im selben Verlag erschienen ist. Unter dem Titel „Brot – Chancen für die Bäckerei“ wurde versucht, einen vergleichbaren Inhalt 60 Euro teurer an Bäcker zu verkaufen. Nun also wird eine Zweit- und Drittverwertung unter Spurenverwischung am Hobbybäcker ausprobiert.


Aber zurück zum Inhalt. Der Autor mühte sich, gedanklich Fuß in der Hobbybäckerszene zu fassen, recherchierte nach eigenem Bekunden in diversen Foren, Büchern und Blogs. Sicher auch in meinen Publikationen jedweder Art, zumindest lassen einige schriftliche Äußerungen und inhaltliche Themen den Schluss zu (die Schraubenmethode beim Beschwaden ist dafür immer ein guter Anzeiger, wenngleich der Autor die Funktionsweise offenbar missverstanden hat).

Gehen wir besser zu den Rezepten. Die sind ausgewogen, mit 1,5 – 2 % Hefeeinsatz moderat gestaltet, professionell fotografiert und sicher auch schmackhaft, wenngleich sich die geschmackliche Variation mit mehr oder minder identischen Vor- und Sauerteigen in Grenzen hält. Geschmackliche Unterschiede werden insbesondere dann deutlich, wenn mit Bratkartoffeln, Paprika, Zwiebeln, Curry, Hähnchen und ähnlichen Zutaten gespielt wird. Angenehm dagegen ist, dass sich Krälings Buch weitgehend auf Brot konzentriert und nur selten Ausflüge in die Kleingebäck-Ecke unternimmt. Unklar bleibt beim Malzeinsatz, ob aktives oder inaktives Malz gewünscht ist. Die fotografisch dokumentierten Brote sind offenbar nicht in normalen Haushaltsöfen gebacken worden.

Fazit

An sich ein gutes Buch für äußerst ambitionierte Einsteiger und Fortgeschrittene, wenngleich letztere mit der bäckerischen Fachlichkeit unterfordert und erstere überfordert sein werden. Da gilt der alte Spruch: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ Für Hobbybäcker nur bedingt geeignet und mit einem „Gschmäckle“ behaftet.

Tipp: Machen wir aus der Not eine Tugend. Wer sich als Profibäcker das genannte Fachbuch für 89 Euro damals nicht leisten wollte, kann jetzt zugreifen. Es ist, ein wenig abgespeckt, mit rund 66 % Rabatt in Form des besprochenen Buches zu haben. Noch mehr sparen? Einfach das Buch bei Häussler kaufen. Dort ist es günstiger als die Verlagsversion, enthält allerdings ein paar Seiten über das Unternehmen.

 


Natürlich Brot backen 
240 Seiten, 2015 
Verlag: Matthaes Verlag 
ISBN: 978-3875154092 

Mein Dank gilt dem Matthaes Verlag,  
der mir das Buch freundlicherweise zur Besprechung zur Verfügung gestellt hat.


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