Vollkorn-Backen
von Peter Gradwohl
Gebäcke aus dem vollen Korn scheinen in Mode zu kommen. Viele Menschen wollen sich bewusster ernähren und kommen dabei unweigerlich auch mit Vollkornprodukten in Berührung. Ob sie gesünder oder Produkte aus weniger ausgemahlenen Mehlen ungesünder sind, ist umstritten. Nicht umstritten ist hingegen die Tatsache, dass Vollkornbackwaren länger sättigen und mehr Mineralstoffe enthalten als ihre Verwandten aus niedrigtypigeren Mehlen.
Die gesamte Vollkornbackwelt ist mit vielen Emotionen und Halbwahrheiten aufgeladen. Das berechtigte Interesse an gesunder Ernährung trifft oft auf bewusst oder unbewusst geäußerte pseudowissenschaftliche Erkenntnisse, die für oder gegen Vollkorn sprechen.
Auch die Verarbeitung von Vollkornmehlen ist davon nicht ausgenommen. Insofern hat mich Peter Gradwohls Buch „Vollkorn-Backen“ besonders interessiert, ist er doch schon jahrelang Bäcker in Österreich.
Um es gleich aufzulösen: Gradwohl mahlt und verarbeitet sein Vollkornmehl frisch. Eine Frage, die sich mir bisher nur zum Teil mit einer Antwort erschlossen hat, ist die nach der Backfähigkeit eines solch frischen Mehles. Insbesondere kleberreiche Mehle benötigen eigentlich ein paar Wochen Lagerzeit, um das Mehl durch leichte Oxidation backfähig zu machen (u.a. wird dabei das Klebereiweiß gestärkt). Bei frisch gemahlenem Vollkorn entfällt dies. Insofern zweifle ich immer, ob frisch gemahlen wirklich die beste Wahl für ein gutes Brot ist.
Aber zum Thema: das Buch
Gradwohl hält sich nicht mit Grundlagen auf, gibt aber kurze Tipps, die sachlich richtig sind, mit denen ich aber in der Formulierung fachlich teilweise Probleme habe. Aber das sind Details.
Gradwohls Rezepte (weit über 100) sind ideenreich, aber nur kurz und, was die Parameter wie Temperaturen und Zeiten angeht, recht schwammig beschrieben. Ab und zu schleichen sich kleine Erklärungen ein, denen fachlich das gleiche Urteil zuteil wird, wie seinen Tipps zur Einleitung.
Die Rezepte sind mit 5-8 % sehr hefelastig, selbst wenn Sauerteig zum Einsatz kommt. Einzige Ausnahmen sind die wenigen reinen Sauerteigbrote. Das Buch ist zweigeteilt in Brot und Kleingebäck sowie süße Backwaren. Gradwohl arbeitet viel mit Dinkel, Kamut, Einkorn und Emmer, setzt außerdem gern glutenfreie Getreide und Pseudogetreide als Ergänzung ein. Trotz seiner unstrittigen Erfahrung scheinen die Quellzeiten der Teige durch die großen Hefemengen recht kurz. Quell- oder Kochstücke kommen nicht zum Einsatz, würden aber die Brotqualität verbessern.
Krümelige Krumen, vor denen Gradwohl in den Tipps noch warnt, sind auf seinen Fotos häufig zu sehen. Im Vergleich zu anderen Vollkornbackbüchern können sich seine Backwaren allerdings sehen lassen. Nicht alle, aber viele Fotos regen zum Verkosten der Vollkorngebäcke an (aber Achtung: nicht alle Rezepte sind bebildert).
Schade, dass viele exotische, aber kaum herkömmliche Rezepturen abgedruckt wurden. Parmesan-Kipferl, Quinoa-Knoblauchfladen, Kamutbrot mit Hafer und Hirse etc. pp., aber nirgends ein normales Mischbrot, ein reines Roggenvollkornbrot oder ähnliches.
Hervorzuheben sind die Angaben, welche Rezepte für bestimmte Allergikertypen geeignet sind.
Fazit
Für ambitioniertere Hobbybäcker wieder einmal eher ein Buch zur Inspiration als ein Buch mit weitgehend empfehlenswerten Rezepturen. Aus meiner Sicht aber immerhin das bislang ausgereifteste Vollkornbackbuch in deutscher Sprache, wenn es um Rezepte geht.
Vollkorn-Backen
63 Seiten, 2017
Verlag: Kneipp Verlag
ISBN: 978-3708807096
– Diese Rezension bespricht eine ältere Auflage –
Mein Dank gilt dem Kneipp Verlag, der mir das Buch freundlicherweise zur Besprechung zur Verfügung gestellt hat.