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17. Mai 2014 · 26 Kommentare

Tourte de Meule (Sauerteig-Experiment)

Tourte de Meule (Sauerteig-Experiment)

Tourte de Meule (Sauerteig-Experiment)

Nachdem durch Björn Hollensteiners Rezeptwochen mit Lievito Madre-Vorteig hier und da eine neue „LM“-Euphorie auflebte, habe ich mich gefragt, ob die ihm nachgesagte große Triebkraft nicht schlichtweg durch die feste Führung verursacht wird. Logische Konsequenz daraus wäre, dass jeder Weizensauerteig als Lievito Madre-Ersatz herhalten könnte, wenn er nur mit wenig Wasser aufgefrischt würde.

Nach allem was ich bisher über die Welt des Sauerteiges weiß, mögen die dem „LM“ zugesetzten und für seine Triebkraft oft zur Erklärung herangezogenen Nektarhefen des Honigs anfangs eine Wirkung entfalten, würden aber schnell zugunsten der heimischen Mikroorganismen der Backstube verdrängt werden und letztlich keinen Einfluss mehr auf den Trieb des Sauerteiges haben. Die Triebkraft eines fest geführten Sauerteiges kann ich mir nur dadurch erklären, dass seine Mikroorganismen durch das fehlende Wasser ausgebremst und recht aktiv/hungrig in ein Schlaraffenland voller Nahrung und Wasser geworfen werden (Brotteig). Zufrieden stellt mich diese Hypothese nicht. Ich wäre deshalb für weitergehende Erklärungen sehr dankbar.

So oder so: Ich habe ein Experiment durchgeführt. Für eine Abwandlung von Björns Rezept für Tourte de Meule (mit deutschen Mehlen) habe ich einmal einen Sauerteig mit 50% Wasseranteil und ein anderes Mal einen Sauerteig mit 100% Wasseranteil verwendet. Die Zutatenmengen sind in beiden Rezepturen identisch gewesen. Die Reifezeit des festen Sauerteiges ist etwas länger.

Geschmacklich und optisch hat die Rezeptur mit festem Sauerteig gewonnen. Der Teig war etwas straffer (das Mehl mit Stärke und Eiweiß wird im festen Sauerteig nicht so stark abgebaut), die Krume letztlich schön fluffig, elastisch, saftig und fein säuerlich, das Volumen größer. Dagegen hatte das mit weichem Sauerteig geführte Brot mit einem weicheren Teig, einem flachen Querschnitt, kleinerem Volumen und fehlender geschmacklich wahrnehmbarer Säure zu kämpfen.

Das Experiment bestätigt also meine Vermutung, dass ein fester Weizensauerteig mit einem vergleichbar aufgefrischten und gut gehegten Lievito Madre beim Trieb mithalten kann. Ein Direktvergleich zwischen Sauerteig und Lievito Madre steht noch aus.

Noch ein Hinweis: Der Wassergehalt ist mit 78% (TA 178) für deutsche Mehle sehr hoch. Dadurch verschwimmt u.a. der Ausbund. Wer es lieber rustikaler mit aufgerissenem Ausbund mag oder wer mit weichen Teig nicht so geübt ist, sollte deshalb auf 70-75% heruntergehen (20-60 g weniger Wasser im Hauptteig). Ich habe mich für die weiche Teigvariante entschieden, um ein wirklich saftiges und lange frischhaltendes Brot zu backen.

Im Rezept habe ich die Zutatenmengen für die weiche Sauerteigvariante in Klammern gesetzt.

Weizensauerteig

  • 100 g Weizenmehl 550
  • 50 g (100 g) Wasser (50°C)
  • 10 g Anstellgut

Quellstück (Autolyse-Teig)

  • Sauerteig
  • 150 g Weizenvollkornmehl
  • 495 g Weizenmehl 1050
  • 530 g (480 g) Wasser

Hauptteig

  • Quellstück
  • 15 g Salz
  • 4 g Frischhefe

Die Sauerteigzutaten vermengen und 7 (6) Stunden bei 35°C fallend auf 25°C (z.B. mit Warm-Kalt-Kompresse in Styroporbox) reifen lassen.

Mehle, Sauerteig und Wasser 2-3 Minuten auf niedrigster Stufe vermischen und 60 Minuten bei 22-24°C ruhen lassen (Autolyse).

Hefe und Salz zugeben und 3 Minuten auf niedrigster Stufe kneten (Teigtemperatur ca. 24°C).

2 Stunden Gare bei 24°C, nach 45 und 90 Minuten falten.

Den Teig rundwirken und 60 Minuten bei 24°C zur Gare stellen.

Bei 260°C fallend auf 210°C ca. 60 Minuten mit Dampf backen.

Zubereitungszeit am Backtag: ca. 5 Stunden

Zubereitungszeit gesamt: ca. 12 Stunden

Material- und Energiekosten: 1,90 €

Saftig, aromatisch, Tourte de Meule.

Saftig, aromatisch, Tourte de Meule.

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Keine Kommentare

  1. Hallo zusammen, nachdem ich seit über einem Jahr ein tolles Roggen-Anstellgut habe und mir mein Weizen-Anstellgut immer hopps gegangen ist, wollte ich nun einmal den Livieto Madre, angeblich ja ein recht pflegeleichtes Weizen-ASG testen. Von Mutter gut gehegten LM besorgt und noch lebt er. Erstes Brot wurde so naja, aber glaube, das lag an technischen Fehlern. Jedenfalls werde ich jedes Mal stutzig, wenn es ums Auffrischen geht.

    Wenn der LM einfach ein festes Weizen-ASG ist (und dad sagt Lutz ja auch im Almbackbuch) dann kann ich es ja so auffrischen, wir ich es vom Roggen gewohnt bin: 2 Teile Mehl, 10% der Mehlmenge ASG und (da festes ASG, weniger als) 2 Teile Wasser. Das je nach Temperatur usw. stehen lassen, bis es sich knapp verdoppelt hat. 

    Die ganzen LM-„Fanseiten“ sagen aber: jeweils 2 Teile Mehl und LM und 1 Teil Wasser.

    Der Anteil LM bzw. ASG unterscheidet sich in beiden Varianten deutlich. Was ist nun richtig? Logisch erschließt sich das mir nicht ganz.

    Kann ich LM in Rezepten wie festes ASG vom Weizen verwenden? Was, wenn weiches ASG gefordert wird? Einfach mehr Wasser zugeben?

    Freue mich auf eure Hilfe! Danke! Franzi 

    • Wie du ja richtig schreibst, ist LM ein fest geführter Weizensauerteig. So, wie du ihn herstellst, Wasser und Mehl zu gleichen Teilen, also TA 200, bekommst du aber einen normalen / weichen Weizensauerteig. 2 Teile Mehl, 1 Teil Wasser wäre richtig, wenn du LM produzieren möchtest.

      • Ja, aber wieso ist bei festem Anstellgut der Anteil an jeweils altem Anstellgut so viel höher? Ich denke, wenn die Mikroorganismen weniger Wasser zur Verfügung haben, können sie sich nicht so schnell vermehren, man muss also anfangs mehr Mikroorganismen dazugeben. Ist das richtig? Dazu würde ja auch passen, dass LM als haltbar und pflegeleicht gilt.

  2. Hallo Lutz,
    ist es korrekt, dass nur 10 g Anstellgut verwendet werden? Oder sollen es 100 g sein?
    Vielen Dank für die Rückinfo.

  3. Hallo Lutz, ich bin ja ein wahrer Sauerteigfan und backe daher (fast) nie mit Hefe. Ist die Hefe hier wirklich nötig? Wenn ja, warum? Wenn der Sauerteig, insbesondere der feste, schon so triebstark ist, braucht es doch keine zusätzliche Hefe?!

  4. Hallo Lutz
    Hab mir erfolgreich die brotheld plus App besorgt. Danke fürs entwickeln und Co.
    Jetzt stoße ich dort vermehrt auf livieto madre Rezepte und konnte bei dir nur diesen Eintrag dazu finden. Hast du inzwischen einen Vergleich zwischen festem Sauerteig und livieto machen können? Kann ich dann in den Rezepten einfach bei beiden Angaben meinen Sauerteig verwenden?

  5. Hallo Lutz
    Ein wirklich tolles Brot. Ich möchte beim nächsten mal 2 Brote backen, jedoch passt nur eins in den Backofen, kann ich die Stückgare für das 2. Brot auf 2 Std. verlängern? Wenn ja wie? Kühlschrank?
    LG Reiner

  6. Angeblich hat ein LM ja auch ein ganz anderes Aroma. Werden die Nektarhefen wirklich verdrängt? Eventuell züchtet man diese eher weiter. Im Laufe der Zeit wird man aber sicher eine Mischung haben.
    Auf jeden Fall ist der Ofentrieb auch mit dem festen Weizensauer wirklich beeindruckend. Ich muss wirklich versuchen, der Großporigkeit entgegenzuwirken, damit der Honig nicht auf dem Teller statt dem Brot landet. 🙂
    Grüße
    Carsten

  7. Sehr leckeres Brot. Mein 1. Versuch ist ganz gut gelungen. Ich habe den Sauerteig etwas kühler und länger geführt, leider war er aber so schnell reif, dass ich ihn temporär kühlen musste, dass er nicht überreif wird. Habe ihn dann 1h akklimatisieren lassen und dann in den Teig gegeben. Musste dadurch die Gare um eine Stunde verlängern.

    Mir fällt bei meinen Broten immer wieder auf, dass sie nahe der Kruste deutlich größere Luftblasen als im Kern haben. Ich habe zwei Vermutungen:
    * liegt es daran, dass ich nicht lang genug knete (ich habe ca.  6 min von Hand geknetet mit der Knettechnik für weiche Teige)
    * kann die Ursache auch ein zu kühler Teig sein, wodurch sich die Teighaut schneller auf Raumtemperatur erwärmt als der Kern => dadurch ist die Hefe außen deutlich aktiver als innen?

    Danke und Grüße Florian

    • Hallo Florian,

      meistens hängt es mit dem Formen zusammen. Besonders bei weichen Teigen, die schonend geformt werden, zerplatzen kleinere Gasblasen zu großen und sammeln sich unter der Teighaut. Eine Taktik wäre, den Teig nicht so reif zu formen oder das Gas komplett auszudrücken, was wiederum eine längere Stückgare zur Folge hätte und die offene, unregelmäßige Struktur zerstören würde.

  8. Hallo Lutz, hallo ihr Brotbäcker! Ich habe da mal eine Frage: ich habe einen Lievito madre angesetzt. Er war gerade ein paar Tage fertig und ruhte im Kühlschrank. Nun wollte ich mir davon ein Stück für das Brot dazunehmen, da mußte ich entdecken, daß er schimmelig war. Ich weiß jetzt nicht, was ich verkehrt gemacht habe. Jedenfalls wollte ich Euch fragen, ob ihr ein Rezept habt und ob Ihr mir sagen könnt, was ich verkehrt gemacht habe. Danke Euch schon mal

  9. Und schon wieder ein neuer Liebling. Den LM fand ich mit einer TA von 150 doch sehr fest, nach 7 Stunden hatte sich aber noch nicht so viel getan, dafür habe ich mir mit recht warmem Wasser im Autolyse-Teig geholfen, um die Dinge zu beschleunigen. Wassermenge: volles Risiko. Hat sich gelohnt, obwohl mir das Brot fast vom Stein geflossen wäre. Mächtiger Trieb schon während der Gare, toller Ofentrieb. Herrliches Brot. Danke!

  10. Oha! Teig mega weich, schwer zu händeln, klebte am Bäckerleinen, so dass der Teig schon auf dem Brotschieber verunfallte. Kaum auf den Backstein gebracht. Teig rettetete sich selbst durch Zusammenziehen, interessant. Geschmacklich der BURNER, altert allerdings schnell. Muss ich unbedingt nochmal machen. Könnte ich die 160 g Sauerteig einfach durch 160 g Lievito madre ersetzen? Danke für’s Rezept.

  11. Habe auch experimentiert und meinen WS als festen Teig aufgefrischt (TA 150). Was für eine Offenbarung! Der Geschmack ist nach dem Auffrischen kaum mehr sauer, das Teigvolumen hat sich verdreifacht, und das beste: Der Teig ist nach einer Woche im Kühlschrank noch so aktiv, dass man ihn ohne aufzufrischen direkt als ASG verwenden kann, nach dieser Zeit ist auch wieder eine milde Säure vorhanden.
    Ich habe soeben das Durumbrot nach Martin Johannson damit gebacken, der Ofentrieb ist fantastisch, die Krume herrlich grossporig mit einer ganz dezenten Säure, so wie ich das mag. Tolle Sache!

  12. Eines vorweg, eine der besten Seiten zwecks Brotbacken, ich bin stets begeistert von der
    Rezeptvielfalt und mit welcher Intensität du dich mit den Rezepten beschäftigst.
    Ich versuche auch stets, das Beste aus den Rezepten herauszuholen, damit der Genuss eines Frisch gebackenen Brotes immer ein Erlebnis ist.
    Da ich in meiner Familie auch einen pensionierten Bäckermeister, welcher noch Brot nach alter Tradition gebacken hat, habe, ist es zugleich stets eine kritische Stimme, welche meine Backversuche bewertet. In letzter Zeit immer begeistert! 
    Ich freue mich immer auf Rezepte zum Nackbacken, danke!

  13. Sehr spannend – wird ausprobiert!

  14. Deine Überlegungen überzeugen mich sehr! Ich überlege jedesmal bei der Verwendung meines mehr als 1 Jahr alten LM, was wohl der Unterschied zu einem ST sein soll. Er hat immer einen deutlich sauren Geschmack.

  15. Hallo Lutz,
    ob fest oder flüssig – die Brote sehen jedenfalls wieder phantastisch aus.
    Irgendwo bei den Videos von Ciril Hitz kommt – meine ich – die Info, daß feste Vorteige ganz allgemein (ob Sauerteig oder Hefe-Biga) den Stand des Hauptteiges verbessern. Das wird mit Sicherheit daran liegen, daß sie nicht so abgefressen sind. Es wird dann auch so sein, daß ein flüssiger Vorteig mehr enzymatische Aktivität in den Hauptteig einbringt, was in diesem dann zu schnellerem Stärkeabbau führt.
    Danke für das Experiment.
    Björn

  16. Würde das im Umkehrschluss auch bedeuten, dass man den Lieveto als Weizensauer-Ersatz benutzen kann?

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