Brotbackkurse in Japan
Eindrücke
Nach knapp einer Woche in Südkorea folgte ich dem Ruf nach Tokio in Japan. Auch dorthin brachte mich letztlich mein Brotbackbuch Nr. 1 und auch mein Blog. Dort hatte Tomoko Morimoto, eine zwischen deutschen und japanischen Lebensmittelherstellern agierende Frau aus Tokio, über meine Stollen gelesen und mich vor zwei Jahren mit einer Begleiterin im Erzgebirge zum Stollenkurs besucht. Daraufhin half ich ihr bei der Rezeptauswahl und Rezeptausstattung ihres japanischen Buches über deutsches Brot, das kürzlich den World Cookbook Award gewonnen hat. Und da ich durch dieses Buch nun mit meiner Philosophie und meiner Art, Brote zu backen, inzwischen auch in Japan bekannt bin, fragte Tomoko mich, ob ich nicht auch ein paar Kurse geben würde.
Der erste Kurs fand in den Schulungsräumen der über Tokios Grenzen hinaus bekannten Bäckerei „Zopf“ statt. Teilnehmer waren Hobbybäcker und Profibäcker. Herr Ihara, der die Bäckerei von seinen Eltern übernommen und vom Kopf auf die Füße gestellt hat, gilt als einer der berühmtesten und besten Bäcker des Landes. In seiner Bäckerei mit ca. 30 Angestellten werden täglich rund 300 verschiedene Backwaren hergestellt und in einem einzigen winzigen Verkaufsraum angeboten. Der Raum fasst gerade einmal vier oder fünf Kunden und dann ist es schon eng. Der Anblick der Auslagen war überwältigend.
Der zweite Kurs sollte als Demokurs, also ohne ständige Beteiligung der Teilnehmer, in der Lehrbackstube eines mittelständischen Müllereiunternehmens stattfinden. Rund 60 Teilnehmer, überwiegend Profis aus ganz Japan, waren angereist, um deutsches Brot zu backen. Der Kurs verlief sehr erfolgreich, mit Seelen, Roggenbrötchen und Roggenbroten, Schrotbroten, Weizenbrötchen und anderem mehr. Viel spannender für mich waren aber die Kontakte zu Bäckern aus ganz Japan, ihre Erfahrungen und Konzepte.
Die japanische Bäckerei lebt vom Kleingebäck. Kaum ein Brot in den Auslagen, sondern Miniaturen. Davon aber gibt es dann reichlich und in einer ungeahnten Vielfalt. Roggen sucht man vergeblich. Nur die ein oder andere größere Kette hat Roggenmisch- oder Roggenbrote im Programm. Typisch sind Weizenbackwaren, oft mit Zuckeranteil und entsprechend süß. Ganz häufig werden Backwaren auch gefüllt angeboten. Von Wurst und Käse bis hin zu Schokolade, süßen Bohnenpasten aller Art und Fisch. Baguette und Croissant sind Standard und jeder bäckt es etwas anders. 9, 12, 16, 18, 27 Butterschichten. Alles zu finden und alles gut. Ich habe elf Bäckereien getestet und nirgends ein schlechtes Croissant gegessen. In Deutschland hätte ich Glück, wenn eines dabei wäre, was einigermaßen schmeckt. In Plunder- und Blätterteigen macht den Japanern so schnell niemand etwas nach. Nicht einmal die Franzosen. Auch nicht bei den Baguettes. Herr Fuchs, Geschäftsführer der deutschen Ofenbaufirma Welker, der zufällig gleichzeitig mit mir in Tokio war und an meinen Kursen teilnahm, meinte, er hätte in Frankreich noch nie so gutes Baguette gegessen wie in Tokio.
Überhaupt ist mir aufgefallen, dass die japanischen Bäcker sehr viel langsamer, aber dafür akurater, mit mehr Liebe zum Detail, mit sehr viel Achtsamkeit am Teig arbeiten. In keiner Backstube war die Hektik und der Mengendruck zu spüren wie in deutschen Backstuben. Viele japanische Bäcker haben in Deutschland gelernt, verbinden das Gelernte aber sehr geschickt mit der traditionellen Bäckerei Japans (z.B. gedämpfte Teiglinge). Mehrfach sprangen mir deutsch benannte Bäckereien ins Auge, etwa „Zopf“, „Tanne“ oder „Linde“. Wenige Minuten Fußmarsch von meinem Hotel entfernt gibt es schon seit Jahrzehnten eine „German Bakery“, die ein Japaner gründete und über die Zeit mit vielen deutschen Gastbäckern zur Blüte brachte.
Die Mehle in Japan stammen überwiegend aus Importgetreide. Roggen kommt oftmals aus Deutschland, wird aber in Japan gemahlen. Weizenmehle stammen in aller Regel aus Frankreich, wenngleich auch japanischer Weizen verarbeitet wird, dann aber eher in Broten, nicht in Feingebäck. Die technische Ausstattung der Backstuben ist japanisch geprägt, häufig aber auch komplett oder kombiniert mit Geräten aus deutscher Herstellung.
Zwar gibt es auch in Japan Bäckereiketten, oft mit französischen Namen oder direkte Abkömmlinge französischer Unternehmen (Paul, Kayser, Bocuse, …), aber dann deutlich hochwertiger in der Produktion, häufig mit Backstuben direkt an der Filiale (ohne Teiglingsanlieferung). Viel häufiger als in Deutschland sind mir Betriebe aufgefallen, die dort backen, wo sie auch verkaufen. Kleine Läden, die auf minimalem Raum ein Maximum an Geschmack und Qualität erzeugen. Wer Brothandwerk sucht, sollte nach Tokio reisen. Tokio ist das beste Beispiel dafür, dass es keinen Meisterzwang braucht, um gutes Brot zu backen. Im Gegenteil. Eine solche lebendige Brotkultur, solch faszinierende Konzepte sucht man in Deutschland lang oder vergebens. Natürlich wird der größte Teil der Backwaren im Supermarkt gekauft. Handwerklich hergestelltes Brot scheint mir aber im Kommen.
Noch ein Wort zum Brotkonsum und „Kauverhalten“ der Japaner. Aus verschiedenen mündlichen Quellen habe ich entnommen, dass in Japan inzwischen mehr Brot als Reis gegessen wird. Roggenlastiges Brot wie in Deutschland mit etwas festerer Krume ist dabei zumindest gewöhnungsbedürftig für die meisten Japaner. Sie lieben weiche und saftig-feuchte Krumen mit einem gewissen Biss- und Kaugefühl. Für die Brotherstellung machen deshalb Mehlkochstücke, enzymstarke Weizenmehle und Teige mit hoher Teigausbeute Sinn. Die Roggenbrote in meinen Kursen trafen auf viel Lob, weil die Krumen saftig waren (entsprechend weiche Teigführung). Ebenso gewöhnungsbedürftig für japanische Brotliebhaber sind bemehlte Krusten und die Erkenntnis, dass ein Brot länger als ein oder zwei Tage haltbar sein kann. Es gab viele Aha-Effekte in meinen Kursen und die Erkenntnis, dass deutsches Brot keinesweg das japanische Klischee vom festen, trockenen Klumpen erfüllen muss. Es kommt auf den Bäcker an.
In Japan werde ich nicht das letzte Mal gewesen sein. Allein um die vielen Einladungen in Bäckereien des ganzen Landes abzureisen, bräuchte ich mehr als zwei Wochen Zeit.
Ganz lieben Dank an Tomoko, die mir diese Reise ermöglicht hat und ständig an meiner Seite war, um zu übersetzen.