PB 108 - Frage sucht Antwort 49

Logo des „Frage sucht Antwort“-Folgen von Lutz Geißlers „Plötzlich Bäcker“-Podacst

Lutz beantwortet Fragen seiner Leser und Hörer, diesmal zu den Themen Teigzubereitung und -handhabung, Eigenschaften von Brotkrumen, sowie Alternativen und Strategien für die Vorbereitung von Teigen.

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Darum gehts in dieser Folge

In dieser „Frage sucht Antwort“-Episode widmen Christina und ich uns wieder Herausforderungen und Fragen, die uns per E-Mail eingesendet wurden. Wir besprechen, wie man halbgebackenes Brot herstellt, und erörtern, wie ein Teig sich trotz regelmäßigen Faltens alle halbe Stunde vergrößern kann. Zudem beleuchten wir die Frage, warum Roggenschrotbrot manchmal auseinanderbröselt und warum Focacciateig die Konsistenz von Waffelteig haben kann. Wir klären, weshalb die Brotkrume bei Weizensauerteigbroten oft so gelb ist, und geben Tipps, wie man den Teig bereits am Vortag zubereiten kann, um ihn am Backtag nur noch abzubacken. Schließlich diskutieren wir die Möglichkeit, Haferflocken durch Haferschrot oder Hafermehl zu ersetzen. Im Web-Player (oder auch in deiner App, wenn sie das unterstützt) gibt es auch Kapitelmarken, das heißt, du kannst direkt zu den einzelnen Fragen springen.


Transkript zum Mitlesen

Lutz: Plötzlich Bäcker!, Der Brotpodcast von und mit Lutz Geißler. Ein herzliches Willkommen zur nächsten Folge von Frage Sucht Antwort bei „Plötzlich Bäcker!“, dem Brotpodcast. Heute wieder mit Lutz und Christina.

Christina: Hallo!

Lutz: Uns haben ein paar Fragen erreicht. Ich muss aber zugeben, dass es zunehmend weniger werden, weil offenbar der neue Blog dazu führt, dass man die Antworten, die ja auch eigentlich schon meistens im Blog zu finden sind, besser findet und wir jetzt mit dem Fragenvorrat wahrscheinlich nur ein bis zwei Folgen schaffen. Und dann müssen wir mal sehen, was wir machen. Da denken wir uns noch was aus.

Christina: Ich glaube, uns wird etwas einfallen.

Lutz: Ja! Los geht‘s mit einer Frage von Matthias.


Wie kann ich halbgebackenes Brot herstellen?

00 : 00 : 55 – 00 : 01 : 17

Christina: Matthias hat eine Frage zu halbgebackenem Brot. Und zwar geht es bei ihm um ein normales Körnerbrot, das vor dem Backen 830 Gramm wiegt. Und er möchte jetzt wissen, wie lange in Minuten er es backen muss, mit wieviel Dampf und bei welcher Temperatur und wie genau er das am zweiten Tag dann fertig backen muss.

Lutz: Das Thema der halbgebackenen Brote ist relativ groß. Wenn man es zusammenfassen möchte, ist es grob gesagt so, dass man die Brote 80 % ihrer eigentlichen Backzeit bäckt. Das heißt, sie sollten dann ungefähr eine Kerntemperatur von 90 Grad erreicht haben, denn dann ist die Krume stabil, und wenn das Brot dann auskühlt, passiert nicht mehr so viel mit der Krume. Sie sackt nicht zusammen, sie ist nicht mehr teigig, sondern schon stabil. Um das geschmacklich gut zu machen und um die Konsistenz der Krume, also letzten Endes das Mundgefühl, das dann beim Kauen entsteht, perfektionieren zu können, muss die Krume irgendwann mal eine Kerntemperatur von 96 bis 98 Grad gehabt haben. Wenn man also „halbbacken“ möchte, bäckt man 80 % der Backzeit. Dann vielleicht bis zum nächsten Tag auskühlen lassen, und dann bäckt man nochmal. Und zwar dann auf die besagte Kerntemperatur von 96 bis 98 Grad. Dann hat man ein halbgebackenes Brot fertig gebacken.

Der Hintergrund ist der, dass man eigentlich nicht im Hobbybäckerbereich, aber im professionellen und zwar großmaßstäblichen Profibereich Brote halbgebacken in den Verkauf gibt, damit sie die Kundschaft oder die Filiale (oder wer auch immer) fertig backen kann. Das trägt zur Frischhaltung bei. Man hat dann scheinbar ein sehr frisches, knackiges, knuspriges Brot und kann das ganz gut auf Vorrat vorbacken, ohne nochmal die gesamte Backzeit ablaufen lassen zu müssen. Ich hatte schon angesprochen, dass es für die Hobbybäckerei eigentlich irrelevant ist, weil die Backwaren in aller Regel sowieso innerhalb der nächsten Tage aufgebraucht werden und man auch nicht vorhat, die Brote oder Brötchen irgendwie länger aufzubewahren, ohne dass sie in den Froster gehen. Also es macht eigentlich nur Sinn, wenn man das im professionellen Bereich umsetzen möchte. Trotzdem kann man das machen.

Und jetzt mal ganz konkret auf Matthias’ Körnerbrot bezogen: 830 Gramm. Ich kenne das Rezept nicht, aber ich würde mal ganz grob sagen, wenn es ein sehr schweres, roggenlastiges Brot ist, dann sollte vielleicht so ungefähr eine Stunde reichen, bis es durchgebacken ist. Ich würde dann sagen, 80 % von einer Stunde backen. Man würde es dann backen, auskühlen lassen und am nächsten Tag eben noch mal in den Ofen geben bei voller Anbacktemperatur und dann fertig backen bis 98 Grad. Das hat mehrere Nachteile, finde ich. Erstens muss man zweimal ran an das Brot, muss zweimal den Ofen aufheizen, muss zweimal Energie investieren, und zwar insgesamt viel mehr Energie, als wenn ich es gleich fertig gebacken hätte. Insbesondere bei einem Saatenbrot, wie das ja hier der Fall ist bei Matthias, das sehr viel Wasser in sich trägt und sowieso eine lange Frischhaltung hat. Es ist eigentlich Nonsens, das zu tun, aber es geht. Man kann es tun, muss es aber nicht.

Und wenn die Frage nach Minuten geht? Dann würde ich sagen, löse dich von den Minuten, Matthias. Ich kann sowieso aus der Ferne nicht sagen, wie lange das Brot backen muss. Erstens, weil ich die Rezeptur nicht vor mir habe, zweitens, weil ich deinen Ofen nicht kenne und drittens, weil man sowieso sicherer ist, wenn man die Kerntemperatur misst. Also: Thermometer reinstecken und bei der ersten Backaktion, also beim Halbbacken, auf 90 Grad Kerntemperatur achten und beim zweiten Backen dann auf 96 bis 98 Grad.

Christina: Genau. Die Frage nach Dampf und Temperatur, da hält man sich am besten an das Rezept.

Lutz: Genau. Also da können wir jetzt keine generellen Empfehlungen geben. Wir können nur sagen, schön heiß anbacken und mit viel Dampf. Aber letzten Endes legt das Rezept das fest. Und beim Dampf kann man so viel nicht falsch machen. Also zuviel Dampf, zumindest im Haushaltsmaßstab, ist gar nicht möglich. Und die Temperatur hängt sehr vom Backofen ab. Da gibt es leider auch keine pauschalen Empfehlungen.


Wie kann sich ein Teig vergrößern, wenn ich ihn jede halbe Stunde falten muss?

00 : 05 : 24 – 00 : 05 : 35

Christina: Dann gehen wir weiter zur Renate. Renate schreibt: „Ich frage mich, wie sich ein Teig vergrößern kann, wenn ich ihn alle halbe Stunde falten muss. Das Aufgehen wird doch immer wieder durch das Falten unterbrochen.“

Lutz: Ja, das mag man so vermuten, ist aber zum Glück nicht so. Das Dehnen und Falten dient in erster Linie dazu, den Teig zu stabilisieren und die Teigstruktur zu entwickeln. Das heißt, den Kleber, das Kleber-Gerüst, das sich ja durchs Kneten aufgebaut hat (oder durch den Prozess, der sich Autolyse nennt), das versuchen wir weiter zu straffen, zu spannen. Denn über die Reifezeit, über die Stockgare, also die erste Teigruhe, entspannt sich dieses Klebergerüst wieder. Wer schon mal Zopfstränge ausgerollt hat oder einen Brezelstrang versucht hat auszurollen, der wird das gemerkt haben. Irgendwann wird der Teig bockig, zieht sich wieder zusammen. Und wenn man ihn dann in Ruhe lässt, entspannt sich das Ganze und man kann irgendwann weitermachen. Das Gleiche findet auch in der Schüssel oder in der Teigwanne während der Stockgare statt. Nach dem Kneten ist der Teig erst mal sehr gespannt, sehr straff. Dann kommt er in die Schüssel oder Teigwanne und in den nächsten Minuten entspannt er wieder und liegt dann, vor allem bei sehr weichen Teigen, da wie Suppe. Und wenn man dann anfängt, ihn zu dehnen und zu falten, dann gewinnt er an Struktur und Stabilität. So in den ersten 30, 60, 90 Minuten, je nach Sauerteig oder Hefemenge, ist da noch gar nicht viel los mit Gas. Das heißt, da passiert sowieso nichts.

Aber später, wenn er dann wirklich schon Luft geholt hat, dann ist es natürlich so, dass durch das Dehnen und Falten Gas aus dem Teig entweicht. Das ist aber zum Teil auch gewollt, je nachdem, was man für ein Gebäck vor sich hat. Also denken wir mal an Ciabatta oder an Baguette. Da ist das Ziel des Dehnens und Faltens tatsächlich auch nicht, nur die Struktur zu stabilisieren, sondern auch kleinere Gasblasen platzen zu lassen, die sich dann durch den Teig arbeiten und durch den Teig migrieren. Ein Teil davon erreicht die Oberfläche und entweicht. Ein anderer Teil aber findet irgendeine andere Blase und dockt dort an. Das heißt, wir kriegen durch das Dehnen und Falten bei langen Stockgaren, die dann eben auch zum Ziel haben, dass viel Gas im Teig entwickelt wird, gröbere Blasen. Ein bisschen weniger Blasen, aber gröbere. Und das wollen wir bei Baguette und Ciabatta beispielsweise haben. Also das ist der zweite Effekt des Dehnens und Faltens. Und zweitens, dass wir das Gas anders verteilen, als das vorher gewesen wäre, wenn wir nicht gedehnt und gefaltet hätten.

Ergo, auf die Frage von Renate zurückkommend: Der Teig vergrößert sich, denn wir falten ihn ja nicht massiv durch bis zum Ende, sondern in aller Regel nur in der ersten Hälfte der Stockgare, wo also fast noch kein Gas drin ist. Und wenn wir später auch noch weiter falten, eben in den Beispielen, die ich genannt habe, dann ist es nicht mehr so extrem wie in den ersten 30, 60 Minuten, wo es noch richtig um Strukturentwicklung geht. Sondern später ist es dann eher so ein Zusammenlegen des Tages, also ein vorsichtiges Dehnen und Umlegen, um den Teig leicht zu straffen. Der ist ja dann schon relativ straff. Da kann man gar nicht mehr mit so viel Gewalt rangehen wie am Anfang. Und zweitens, um das Gas neu zu verteilen – und dann wirst du sehen, Renate, der Teig geht trotzdem auf. So viel Gewalt kann man auch gar nicht anwenden, um sämtliches Gas wieder rauszuholen. Das schafft man nicht, das ist unmöglich. Außer man knetet ihn noch mal komplett durch, am besten maschinell, dann klappt das. Aber das ist ja nicht das Ziel. Also durch ganz klassisches Dehnen und Falten kriegt man den Teig nicht entgast. Ein bisschen schon, aber das ist dann, wenn das im Rezept so steht, auch gewollt.


Warum bröselt mein Roggenschrotbrot auseinander?

00 : 09 : 16 – 00 : 09 : 42

Christina: Kevin hat mehrere Fragen. Er arbeitet sich, glaube ich durch, dass Vierer-Buch durch, hat schon erfolgreich Roggenbrot gebacken und sich dann am Roggenschrotbrot versucht. Er schreibt: Das hat auch super funktioniert, allerdings ist es beim Schneiden sehr auseinandergebrochen. „Eigentlich habe ich mich genau ans Rezept gehalten. Lediglich statt feinem Roggenschrot habe ich Roggenvollkornmehl verwendet. Was könnte hier das Problem sein?“ Ich denke, wir warten hier erst mal, machen erst mal diese Frage und dann die nächste.

Lutz: Genau. Ja, das ist eine generelle Frage. Da würde ich auch ganz gern einmal verweisen auf den Artikel, der am 3. März 2024  erschienen ist in der Brotschau. Da beschäftige ich mich ganz intensiv mit dem Thema Roggenschrotbrot. Wer sich da tiefer einlesen will, dem sei dieser Artikel empfohlen. So, zurück zu Kevins Frage: Sobald ein Brot beim Schneiden auseinanderfällt oder trocken krümelt, dann ist es in aller Regel ein Problem der Knetung. Je gröber so ein Schrot ist, umso schlechter kommt das Wasser an den Mehlkörper des Getreidekorns ran. Also an alles, was unter der Schale des Kerns steckt. Und das brauchen wir, um einen bindigen Teig herzustellen. Das ist also der Feinanteil, der da noch fest an der Schale haftet. Und unsere Aufgabe ist es, beim Kneten eines Roggenschrotbrotteiges diesen Feinanteil, der eben noch so kompakt, quasi im Halben- oder im Viertel- Korn steckt, also im Schrot steckt, freizusetzen und mit Wasser in Bindung zu bringen, damit ein geschmeidiger, bindiger Teig entsteht. Und das heißt dann (übersetzt auf das gebackene Brot), dass die Scheibe nicht auseinanderfällt. Denn wenn keine Bindung da ist, dann bröseln die Einzelteile einfach auseinander. Das ist wie bei Mörtel, um eine Mauer zu bauen. Wenn da keine Bindung ist, im Mörtel zwischen den einzelnen Bestandteilen, dann bröselt der Mörtel auseinander und dann halten auch die Ziegel nicht zusammen, weil einfach der Klebstoff fehlt.

So, jetzt hat Kevin noch geschrieben, dass er Roggenvollkornmehl statt feinem Schrot genommen hat. Das ist im Zweifel sogar besser für die Bindung. Wenn man weniger knetet am Teig, dann hat man ja durch das Roggenvollkornmehl mehr Feinanteil als bei feinem Roggenschrot. Das heißt, die Bindung ist schon durch diese kleine Änderung eigentlich verbessert. Wenn dann aber trotzdem das Kneten nicht ausreicht, dann kann es bröseln. Vor allem, wenn ein hoher Anteil an grobem Roggenschrot dabei ist. Kneten heißt: Wir kneten so lange, bis der Teig zu einem relativ kompakten Klumpen zusammengekommen ist. Das geht von Hand, ist aber ein bisschen kräftezehrend. Es geht maschinell sehr gut, vor allem, wenn man nicht den Spiralhaken nimmt, sondern den (je nach Maschine heißt das Ding anders, aber allgemein gesagt: das Pedal oder den Flachschläger; bei Kenwood heißt das Ding) K-Haken. Also ein flaches Teil. Das sieht ein bisschen aus wie eine flache Hand und dreht sich im Kreis in der Schüssel. Und das führt dazu, dass sehr viel Scherung, Reibung entsteht zwischen den einzelnen Teigbestandteilen. Das heißt, das also auch viel effizienter die Mehlbestandteile von der Schale abgeschabt werden und mit dem Wasser in Bindung gehen. Ein schöner Test ist eigentlich immer der, dass man mit nassen Händen sich einen Tischtennisball großes Stück Teig rausholt und das wie damals mit der Kinderknete zu einer Kugel formt, die ganz glatt ist und dann auf die Kugel drückt, mit zwei Fingern, einer oben oder unten. Und wenn diese Kugel relativ schnell auseinanderbricht bei Druck, dann ist noch nicht genug Bindung da. Das heißt, dann muss man weiter kneten. Wenn die Kugel sich plastisch verformt, also nicht bricht, sondern sich in sich verformt, aber eigentlich glatt bleibt ringsum, dann ist das Ziel erreicht. Dann hat der Teig genügend Bindung und das Kneten kann aufgehört werden, kann gestoppt werden. Der Teig reift dann je nach Rezept noch ein bisschen weiter, wird geformt und gebacken. Dann sollte die Brotscheibe auch nicht mehr auseinanderbrechen.


Wieso ist mein Focacciateig so weich wie Waffelteig?

00 : 13 : 29 – 00 : 13 : 52

Christina: Dann kommt der zweite Teil von Kevins Frage. Der bezieht sich dann auf Weizensauerteig, und zwar weichen Weizensauerteig. Damit hat er Focaccia gebacken und hier hat er das Problem, dass der Teig so weich war wie Waffelteig und er beim Formen noch etliches Mehl dazugeben musste. Er schreibt: „Ich habe mich exakt ans Rezept gehalten. Vielleicht hast du hier noch einen Tipp?“

Lutz: Auch wenn ich jetzt noch einige Nachfragen hätte, um das besser einzusortieren. Das Problem klingt für mich so, als wenn da der pH-Wert falsch eingestellt war. Es gibt einen Effekt, wenn man mit Sauerteigen im Weizenbereich arbeitet, der heißt Proteolyse, Fachbegriff „Proteo“. Da steckt ein bisschen der Wortstamm von Eiweiß drin, das heißt Eiweiß-Abbau. Und das funktioniert mit Enzymen, wie fast alles im Teig mit Enzymen oder durch Enzyme funktioniert. Durch die natürlichen Enzyme, die das Getreide mitbringt. Und das Getreide, in dem Fall der Weizen, bringt eben auch Proteasen mit. Das sind Enzyme, also Eiweißverbindungen, die als Katalysatoren wirken, in dem Fall als Katalysatoren für den Eiweißabbau. Die docken also an die Glutenstruktur an und spalten das Gluten, so dass dann am Ende weniger Teigstabilität da ist und im schlimmsten Falle der Teig richtig weich wird, suppig wird, so wie Kevin das beschreibt – wie ein Waffelteig. Damit die Enzyme effizient arbeiten können und in Gang kommen, braucht es bestimmte Bedingungen. Das sind in dem Fall relativ hohe Temperaturen. Das heißt, es kann sein, dass die Teigtemperatur etwas über das Maß hinausgeschossen ist. Mehr als 28 Grad sollte das nicht sein. Bei Weizensauerteigbroten lieber auch ein bisschen weniger. Vor allem, wenn das ein Weizenmehl ist, das relativ kleberschwach ist.

Der zweite Punkt, hatte ich am Anfang erwähnt, ist der pH-Wert. Wenn der unter einen bestimmten Wert fällt, den ich jetzt aus dem Kopf auch nicht weiß – das spielt aber für zu Hause auch keine Rolle, weil man in aller Regel den pH-Wert sowieso nicht messen kann –, vom Teig also, wenn der unter einen bestimmten Wert sinkt, also in den sauren Bereich rutscht, dann fühlen sich die Enzyme angestachelt, den Kleber abzubauen.

Also: hohe Temperatur und relativ saurer Sauerteig, beides führt dazu, dass die Proteasen in Gang kommen und den Prozess der Proteolyse einsetzen lassen. Das heißt, dein Teig wird viel zu weich. Was kann man tun, um gegenzusteuern? Das eine ist, dass die Teigtemperatur ganz entscheidend ist. Also da sollte man unbedingt drauf achten. Thermometer reinhalten nach dem Kneten oder am besten sogar schon während des Knetens, damit man weiß, wohin der Hase läuft. Wir haben das Phänomen auch in der Backstube bei uns gehabt, in der Bäckerei. Wir haben relativ kleberschwaches Mehl gehabt und mussten da um zwei Grad die Teigtemperatur senken. Sonst haben wir immer mit 28 Grad Teigtemperatur kalkuliert bei Weizensauerteigbrot und sind jetzt mittlerweile bei 26 Grad mit unserer Mehlqualität, damit der Teig stabil bleibt und da nicht zu viel Abbau geschieht. Das ist das eine.

Und das andere ist der pH-Wert. Den können wir nicht gezielt steuern. Also wir können jetzt nicht sagen, wir wollen jetzt statt 4,3 lieber 4,1 haben oder andersherum – sondern wir schauen einfach, wenn dieser Effekt eintritt, also wenn der Teig weich wird, und zwar erst während der Gare, also nicht sofort während des Knetens, sondern während der Gare, während der Stockgare oder der Stückgare, dann lag es höchstwahrscheinlich am pH-Wert. Und dann müssen wir was mit unserem Weizensauerteig tun, das heißt den Weizensauerteig sehr viel milder führen, also entsprechend jünger verarbeiten oder ein bisschen wärmer führen. Den reinen Weizensauerteig, nicht den Brotteig wohlgemerkt! ein bisschen wärmer führen. Unter Umständen auch ein bisschen weicher führen, damit er noch milder wird. Das Anstellgut auf Trab bringen. Ein paar Mal vorher auffrischen. Also es gibt viele Möglichkeiten, da auf Milde zu kommen. Auch da noch ein kleiner Tipp: wer sich da näher für interessiert und die Stellschrauben besser im Griff haben will, der kann auch mal ins Brotbackbuch Nr. 4 gucken. Das hatten wir ja jetzt eh angesprochen bei Kevins Frage, weil er wahrscheinlich aus diesem Buch gebacken hat.

Das ist ein sehr schlimmer Effekt, denn der kann tatsächlich alles zunichtemachen, was man vorher an Arbeit reingesteckt hat, in dieses Weizensauerteigbrot oder (in dem Fall) in die Focaccia. Bei der Focaccia ist es nicht ganz so wild, weil die ja sowieso auf einem Blech gebacken wird in aller Regel, und der Teig nicht wegkann. Aber es fehlt dann natürlich trotzdem an Lockerung, die man für die Focaccia eigentlich haben möchte.

Ja, das sind die zwei Antworten. Mehr fällt mir dazu erst mal nicht ein. Also vielleicht noch mal, Kevin, falls du dich noch mal zurückmelden möchtest: wenn dein Teig während der Stockgare oder während der Stückgare erst so weich geworden ist, dann ist es höchstwahrscheinlich, dass es an der Proteolyse lag und du dann an pH-Wert und Temperatur schrauben solltest. Wenn er von Anfang an so weich war, dann ist es entweder ein Wiegefehler oder ein Mehlqualitätsproblem. Dass dein Mehl einfach viel weniger Wasser gebunden hat als das, was ich damals für das Rezept verwendet habe. Dann wäre die Lösung einfach. Dann nimm einfach weniger Wasser, dass der Teig weg von der Waffelkonsistenz kommt, hin zu einer Focaccia-Teigkonsistenz, die den Namen auch verdient. Die Mehlzugabe beim Formen, die mag kurzfristig helfen, um den Formen zu können, aber ändert natürlich nichts an dem Problem, dass dann die Lockerung fehlt, weil einfach zu viel Kleber abgebaut ist.


 

Weshalb ist die Brotkrume bei Weizensauerteigbroten so gelb?

00 : 19: 20 – 00 : 19 : 52

Christina: Dann kommen wir zu Jan. Jan schreibt: „Eigentlich packe ich mit Roggensauer. Jetzt habe ich mich aber einige Male an Weizensauerteigbrot versucht,  Entweder mit Weizen- und Roggensauerstarter oder nur mit Weizensauer“, und Jan ist aufgefallen, dass die Brote nach dem Backen eine eher gelbliche Krume haben, also nicht reinweiß sind. Ihn stört das nicht, aber er wollte mal fragen, ob das normal ist oder ob er da irgendeinen Fehler gemacht hat?

Lutz: Was heißt normal? Die Frage ist auch, womit vergleichen wir das jetzt? Jan schreibt ja, dass er eigentlich mit Roggensauer gebacken hat und sich jetzt ein paar Mal an Weizensauerteigbrote herangewagt hat. Wahrscheinlich hat Jan noch so die Vorstellung vom klassischen Weißbrot, was man so allgemein kaufen kann. Das ist relativ weiß. Deshalb heißt es ja auch so, weil es aus hellen Mehltypen gebacken ist. Und weil man früher in der Züchtung wie auch in der Mehlbehandlung in der Mühle dafür gesorgt hat, dass Weizenmehle wirklich weiß sind und nicht mehr diesen eigentlich natürlichen, cremegelben Farbstich haben. Wenn man jetzt mehr oder minder das erste Mal mit Weizen arbeitet, jetzt im Falle von Weizensauerteigbroten, dann ist die Krume natürlicherweise gelblich cremefarben, weil das Getreide das so mitbringt. Es kann auch sein, dass man mal eine andere Mehlcharge erwischt, weil da andere Weizensorten drin sind, die dann ein bisschen heller ist, also weißer ist, oder sogar noch ein bisschen dunkelgelber. Das sind also ganz natürliche Schwankungen. Das ist kein Problem, ist auch kein Fehler, den man da gemacht haben könnte, sondern das ist ganz normal.

Was schon sein kann, ist, dass je nach Rezeptur das eine Weizensauerteigbrot etwas heller in der Krume ist und das andere nicht. Das liegt dann aber an der Rezeptur selbst, denn man kann durch den Knetprozess dafür sorgen, dass die Farbstoffe – die Carotinoide sind das im Weizen – dass die Farbstoffe oxidieren und dann nicht mehr diese gelbe Farbe im Brot haben, in der Krume. Das erreicht man einfach dadurch, dass man sehr intensiv knetet, also sehr viel Luft/Sauerstoff einarbeitet und diese Farbstoffe verschwinden. Mal umgemünzt auf ein klassisches Weißbrot: das ist erstens ein sehr fester Teig, in aller Regel, und zweitens wird er sehr intensiv geknetet. In der Industrie noch intensiver, als wir das zu Hause machen können. Deshalb sind die Brote noch weißer als das, was zu Hause entsteht im Weizenweißbrot-Bereich. Wir oxidieren den Teig: wenn er sehr fest ist, müssen wir sehr viel intensiver kneten, kommt noch mehr Sauerstoff rein, usw. Also ein Weißbrot, ganz intensiv geknetet, wird heller in der Krume als ein Brot, das fast gar nicht geknetet wird, das man also über eine Autolyse und über Dehnen und Falten in seine Struktur bringt. Da das in aller Regel bei Weizensauerteigbroten der klassischen Art, also der französisch-amerikanischen Art der Fall ist, dass man fast nicht knetet und viel über Dehnen und Falten und Autolyse macht, ist in solchen Broten die Krume generell gelber, cremefarbener als in klassischen Weißbroten nach deutscher Art.


Wie kann ich meinen Teig schon am Vortag herstellen, um ihn am Backtag nur noch abzubacken?

00 : 22 : 30 – 00 : 22 : 55

Christina: Die nächste Frage kommt von Constanze. Sie hat ein ganz praktisches Problem, und zwar hat sie eine Backgruppe, die immer einen Backtag am Holzofen haben, und an dem eigentlichen Backtag ist nicht mehr viel Zeit da, sondern die Teige werden möglichst nur noch verarbeitet, damit die Hitze am Holzofen voll ausgenutzt werden kann – nach den Broten noch mit Kleingebäck, süßen Sachen usw. Insofern würde sie gerne das Rezept für das Krustenbrot (24 Stück) einen Tag vorher herstellen und dann den Teig an dem eigentlichen Backtag nur noch verarbeiten. Und dafür hätte sie gern einen Tipp von dir.

Lutz: Ich weiß leider nicht genau, was für ein Krustenbrot sie meint, aus welchem Buch oder welches Rezept das sein soll. Da hätte es eine etwas genauere Angabe gebraucht, aber es macht keinen Unterschied. Das geht in aller Regel mit allen Teigen ganz gut. Man muss natürlich dann an paar Stellschrauben drehen. Die eine Stellschraube wäre die Temperatur. Wenn ich also den Teig am Vortag schon herstelle, dann könnte ich ihn nach dem Kneten in eine Schüssel oder Wanne packen. Bei 24 Stück wäre es dann wohl sinnvoll, eine große Wanne zu nutzen oder das Ganze sogar in mehrere Wannen aufzuteilen – und das dann in den Kühlschrank zu schieben. Fünf Grad oder gerne auch weniger. Bei so einer großen Menge dauert es sehr viel länger, das alles durchzukühlen, als wenn ich nur ein Brot backen möchte. Also dann lieber schnell in den Kühlschrank und richtig kalt. Und am nächsten Tag den Teig rausholen, Teig formen und dann geht er halt so lang, wie vielleicht der Ofen braucht zum Aufheizen. Das muss man dann ein bisschen ausprobieren. Was das dann bedeutet, hängt ja auch dann wieder von der Raumtemperatur ab.

Eine andere Möglichkeit wäre, bei Raumtemperatur reifen zu lassen, in der Stockgare, in der ersten Teigruhe. Dann müsste man sich mit dem Sauerteig und/oder mit der Hefe, so sie denn enthalten ist im Teig, beschäftigen und die Menge so anpassen, dass über die Zeit, die man da vorhat, also vermutlich um die zwölf Stunden, denke ich, das dann nach diesen zwölf Stunden bei ungefähr 20 Grad der Teig perfekt reif ist. Das hängt sehr von dem Rezept ab, von den verwendeten Mehlen, von der verwendeten Wassermenge. Da gibt es leider jetzt keine pauschale Antwort, wie viel Sauerteig oder wie viel Hefe es bräuchte. Hefe lässt sich ja ganz einfach verringern in der Menge und dann probiert man das mal aus. Wichtige Bemerkung noch, bei großer Teigmenge in einer Wanne oder in einer Schüssel braucht es deutlich weniger Hefe für die gleiche Reifezeit, als wenn ich nur ein Kilo Teig reifen lasse, weil einfach dieser Teig in großer Menge viel langsamer abkühlt auf Raumtemperatur. Sofern er natürlich wärmer war durch das Kneten als die Raumtemperatur. Wenn er kälter war, was ich nicht hoffe, dann ist natürlich andersherum. Dann braucht er mehr Hefe, weil er sich viel langsamer auf Raumtemperatur erwärmt, als das ein Kilo Teig tun würde.

Beim Sauerteig ist es ein bisschen schwieriger. Wenn man die Sauerteigmenge reduziert, muss man aufpassen. Denn im Sauerteig steckt ja nicht nur Wasser und Mehl, sondern eben auch Anstellgut und manchmal auch Salz. Da muss man das ein bisschen ausgleichen. Also die Gesamtmengenverhältnisse müssen gleichbleiben. Wenn ich also Sauerteig reduziere, muss ich die Menge an Mehl, Wasser und gegebenenfalls Salz, die ich da mitreduziere, dem Hauptteig wieder zuführen, damit insgesamt immer noch genauso viel Mehl, Wasser und gegebenenfalls Salz im Teig ist, obwohl ich die Sauerteigmenge reduziert habe.


Kann ich Haferflocken durch Haferschrot oder Hafermehl ersetzen?

00 : 25 : 59 – 00 : 26 : 11

Christina: Die nächste Frage kommt von Heidi. Heidi schreibt: „Ich möchte das reine Haferflockenbrot backen und wüsste gerne, ob man anteilig Haferflocken durch Haferschrot oder Hafermehl ersetzen kann.“

Lutz: Da gibt es eine schnelle Antwort: leider nicht. Das hat einen wichtigen Hintergrund, denn wenn ich Hafermehl (da ist es ein bisschen extremer) oder Haferschrot (da ist ein bisschen weniger extrem) verwende, dann verwende ich ja das reine Getreide, das quasi nicht behandelt/verarbeitet wurde. Hafer ist in aller Regel sehr enzymstark, das heißt bringt sehr viele eigene Enzyme mit, die dann im Teig dafür sorgen können, dass bestimmte Abbauprozesse stattfinden oder schneller stattfinden. Das hatten wir vorhin schon mal bei der Frage von Jan, der da wahrscheinlich auch mit den Enzymen aus dem Weizenmehl Probleme hatte, weil er ihnen durch Temperatur und pH-Wert gesagt hat, jetzt legt mal richtig los. Das muss man beim Hafer gar nicht tun, das wissen sie schon allein, weil sie einfach in großer Zahl da sind. Das heißt, wenn ich Haferschrot oder Hafermehl in den Teig gebe, dann ist das ein bisschen wie ein enzymaktives Backmittel / Backmalz. Und ich sorge dafür, dass im schlimmsten Fall mein Brot ganz glitschig wird. Wenn ich das mit Haferflocken tue, dann passiert das nicht, weil die Haferflocken, zumindest wenn sie gekauft wurden und nicht selber hergestellt wurden, enzymeinaktiv sind (oder zumindest stark reduziert in ihrer Enzymaktivität), weil die Haferkörner bzw. die geflockten Haferkörner (das hängt vom Herstellungsverfahren ab) erhitzt werden. Sie werden also gedämpft, damit die Flocken nicht auseinanderbrechen, sondern schön geschmeidig geplättet werden können. Die werden also gedämpft mit Wasserdampf und dann wieder getrocknet. Durch diese Hitze denaturieren die Enzyme, das sind ja nur Eiweißstoffe, und sie sind nicht mehr aktiv oder nur noch in Relikten wirksam.

Deshalb ist es mit Haferflocken zu backen überhaupt kein Ding. Das geht wunderbar, sofern sie nicht selbst geflockt sind. Wenn sie selbst geflockt sind oder man Haferschrot oder Hafermehl verwendet, dann kann es kritisch sein. Ich sage mal, wenn es mehr als 10 % Anteil sind im Rezept, würde ich vorsichtig sein oder das Schrot oder das Mehl umbauen in ein Kochstück. Also richtig aufkochen mit Wasser, ungefähr die vier- bis fünffache Menge Wasser drangeben und auch Salz (was eigentlich in dem Hauptteig zu sein hat) dann mit in das Kochstück geben und das Ganze aufkochen zu einem dicken Brei. Also eine Art Porridge aus Schrot oder Mehl oder den eigenen Haferflocken. Und dann hat man auch die Enzyme deaktiviert. Dann kann man es dem Teig zugeben und hat gleichzeitig noch den positiven Nebeneffekt, dass man viel Wasser gebunden hat und das Brot deutlich länger saftig bleibt, frisch hält.

Mit diesem kleinen Tipp soll es das gewesen sein für diese nächste Runde von „Frage sucht Antwort“. Wir melden uns wieder mit den nächsten Fragen in ziemlich genau vier Wochen.

Christina: Bis dahin, tschüss!


Lutz: Die nächste Folge von Plötzlich Bäcker, dem Brotpodcast, gibt es ganz bestimmt. Wenn du bis dahin meine Arbeit am Blog oder für diesen Podcast unterstützen möchtest, dann klicke dich auf ploetzblog.de/unterstuetzen. Vielen Dank!

 

27. Mai 2024
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Abgerufen am: 27. Juli 2024, 8:05 Uhr · © 2023, Lutz Geißler