Die Handwerksordnung

Erläuterungen

Die rechtliche Grundlage für alle Fragen ist das „Gesetz zur Ordnung des Handwerks“ (HwO)[4]. Davon ist besonders der zweite Abschnitt mit den Paragraphen 7 und 8 (ggf. auch § 9) interessant und sollte aufmerksam gelesen werden. Nur wenn die eigene Situation mit den in diesen Paragraphen genannten Bedingungen zusammenpasst, ist ein Quereinstieg ohne reguläre Ausbildung denkbar und kann gegenüber den Handwerkskammern eingefordert werden. Der 2. Teil meiner Artikelserie.

Das Bäckerhandwerk gehört in Deutschland zu den zulassungspflichtigen Gewerken. Wer mit seinem Betrieb nicht in die von den HWK gepflegten Handwerksrollen eingetragen ist, darf das Handwerk nicht ausführen und begeht eine Ordnungswidrigkeit, wenn er es doch tut. Die HwO regelt auch die Ausnahmen, die es ermöglichen, in die Handwerksrolle eingetragen zu werden.


Die wichtigsten Paragrafen

Zu Paragraf 1

Dieser Paragraf regelt, welche Betriebe unter das zulassungspflichtige Handwerk fallen. Dazu zählen alle Betriebe, die ein Handwerk vollständig oder in seinen wesentlichen Tätigkeiten ausüben, das in Anlage A verzeichnet ist, also auch das Bäckerhandwerk.

Allerdings wird eingeschränkt, dass nicht wesentliche Tätigkeiten jene sind, die innerhalb von bis zu drei Monaten erlernt werden können. Nach meiner Auffassung zählt das Brotbacken dazu. In drei Monaten ist es ohne Weiteres möglich, sich in die Thematik theoretisch wie praktisch einzuarbeiten. Könnte dies ein Schlupfloch für Quereinsteiger sein, die sich auf wenige Gebäckarten begrenzen möchten? Vielleicht. Allerdings schränkt das Gesetz in Abschnitt 2 ein, dass auch in der Gesamtbetrachtung der so definierten nicht wesentlichen Tätigkeiten diese nicht wesentlich für das zulassungspflichtige Handwerk sein dürfen. Und Brotbacken wird vermutlich vor Gericht von jedem Richter als wesentlich für das Betreiben einer Bäckerei angesehen werden, auch wenn es in bis zu drei Monaten erlernbar wäre.


Zu Paragraf 7

Dieser Paragraf regelt, unter welchen Bedingungen der Betrieb mit einem stehenden Gewerk (im Unterschied zum Reisegewerbe) in die Handwerksrolle eingetragen werden darf:

  • bestandene Meisterprüfung im zulassungspflichtigen Handwerk
  • bestandene Meisterprüfung in einem verwandten zulassungspflichtigen Handwerk
  • abgeschlossenes Fach- oder Hochschulstudium (oder eine vergleichbare Ausbildung) in einem Bereich, der dem zulassungspflichtigen Handwerk entspricht
  • Erwerb einer der Meisterprüfung gleichwertigen Berechtigung zur Ausübung des zulassungspflichtigen Handwerks aus einem Staat der Europäischen Gemeinschaft oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
  • Ausnahmebewilligung nach § 8 und § 9 oder Gleichwertigkeitsfeststellung nach § 50c
  • Ausübungsberechtigung nach § 7a oder § 7b

Nach § 7a erhält derjenige eine Ausübungsberechtigung für ein zulassungspflichtiges Handwerk, der bereits ein Handwerk nach §1 betreibt, wenn die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen werden können.

Nach § 7b erhält derjenige eine Ausübungsberechtigung für ein zulassungspflichtiges Handwerk, der bereits die Gesellenprüfung in diesem Handwerk abgelegt und mindestens 6 Jahre, darunter 4 Jahre in leitender Funktion, in diesem Handwerk gearbeitet hat.

Für Quereinsteiger ist dies nur interessant, wenn sie bereits ein anderes zulassungspflichtiges Handwerk erlernt haben und ausüben. Dann können Sie durch Nachweis ihrer Kenntnisse und Fertigkeiten (voraussichtlich im Rahmen einer Sachkundeprüfung) eine Ausübungsberechtigung erhalten. Für alle anderen „Nichthandwerker“ bleibt nur der Weg über § 8.


Zu Paragraf 8

Die gute Nachricht: Eine Ausnahmebewilligung ist zu erteilen, wenn der Antragsteller die für die Ausübung des zulassungspflichtigen Handwerks nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachweisen kann. Die schlechte Nachricht: Die Ausnahmeregelung greift nur, wenn das Ablegen einer Meisterprüfung zum Zeitpunkt der Antragstellung oder danach für den Antragsteller eine unzumutbare Belastung bedeuten würde.

Was „unzumutbar“ bedeutet, liegt in der Interpretationshoheit der HWK bzw. des anzurufenden Verwaltungsgerichtes.

Die Ausnahmebewilligung kann, aber muss nicht auf bestimmte Teiltätigkeiten des zulassungspflichtigen Handwerks beschränkt werden. Wird sie beschränkt, sind nur Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen der Beschränkung nachzuweisen. Die Bewilligung kann außerdem unter Auflagen und Bedingungen sowie befristet erteilt werden. All das liegt in den Händen der HWK.


Zu Paragraf 9

Dieser Paragraf regelt die Zulassung in einem zulassungspflichtigen Handwerk für nichtdeutsche Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz. Die Regelung umfasst sowohl das Betreiben einer Niederlassung in Deutschland wie auch die Arbeit als Betriebsleitung sowie grenzüberschreitende Dienstleistungen. Die Details regelt die …

Verordnung über die für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz geltenden Voraussetzungen für die Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks“ (siehe hier).
Demnach ist es auch als Angehöriger eines EU-Staats nicht ohne weiteres möglich, eine Ausnahmebewilligung zu erhalten, wenn nicht etliche Jahre Berufserfahrung nachgewiesen werden. Die Erteilung der Ausnahmebewilligung nach § 8 steht natürlich weiterhin offen.

PDF-Download

Hier kannst du dir das ganze Dokument „Quereinstieg ins Bäckerhandwerk“ als PDF herunterladen. Es enthält diesen Artikel und Verweise in voller Länge und die Rückmeldungen der von mir befragten Handwerkskammern.

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Vor einer historischen Steinmauer hält Lutz Geißler stolz ein rundes Roggenbrot mit rustikal aufgerissener Kruste in die Kamera.

Lutz Geißler, Brotexperte

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