Quereinstieg ins Bäckerhandwerk

Ein Überblick

Seit einigen Jahren häufen sich bei mir die Anfragen nach Informationen, wie man ohne Meisterbrief offiziell Brot und andere Backwaren verkaufen darf. Durch den deutschen Meisterzwang ist das nicht ohne weiteres möglich. Es gibt aber Wege, diesen aus meiner Sicht (im Bäckerhandwerk) völlig unnötigen Schutzwall gegen Berufsfremde zu überwinden. In diesem Beitrag fasse ich die Möglichkeiten zusammen, informiere über meine Recherchen bei den deutschen Handwerkskammern (HWK) und verweise auf weitere Informationsquellen.

Der Artikel gibt den Stand der Dinge zum Januar 2024 wieder. Ich versuche ihn immer aktuell zu halten, bitte aber schon jetzt um Verständnis, dass die Informationen nur ein Angebot sein können, das keinen rechtsverbindlichen Charakter hat: Irrtümer vorbehalten. Entscheidend ist letztlich die jeweils zuständige HWK. Und genau da beginnt das Problem, wie wir im Folgenden sehen werden.

Da es ein sehr umfangreiches Dokument ist, habe ich es auch als PDF zum Download bereitgestellt.

Ich bin für Ergänzungen oder Korrekturen sehr dankbar. Gern über den Kommentarbereich oder über die Kontaktseite.

Wer ist ein „Quereinsteiger“?

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) definiert Quereinsteiger wie folgt [1]: „Quereinsteiger haben bereits eine andere als im Bäckerhandwerk abgeschlossene oder eine abgebrochene Berufsausbildung vorliegen.“ Das Wesen eines Quereinsteigers wird demnach dadurch bestimmt, dass zuvor bereits eine Ausbildung oder ein Studium außerhalb des Bäckerhandwerks abgeschlossen oder abgebrochen wurde.


Mit den nachfolgenden Informationen richte ich mich konkret an Menschen, die das Ziel haben, zukünftig selbst Brot und andere Backwaren herzustellen und zu verkaufen, vorher aber bereits eine Ausbildung oder ein Studium abseits dieser Profession abgeschlossen oder abgebrochen haben, mit oder ohne Ausbildung bzw. Studium in einem anderen Zweig gearbeitet haben oder noch arbeiten.

Kennzeichnend für den typischen Quereinsteiger, wie ich ihn im Kontext dieser Recherche verstehe, ist zudem, dass eine reguläre Ausbildung im Bäckerhandwerk zunächst nicht in Frage kommt, sondern schnellere Wege gefunden werden sollen, das eigene Brot verkaufen zu dürfen.

Gründe für den Quereinstieg

Den meisten Quereinsteigern geht es aus verschiedenen Gründen nicht darum, die volle Gesellen- und Meisterprüfung zu durchlaufen. Individuelle Gründe können sein:

  • Die reguläre Ausbildung kostet zu viel Zeit und Geld, die man sich mit Familie und „normalem“ Beruf nicht leisten kann oder will.
  • Die reguläre Ausbildung an der Berufs- und Meisterschule ist qualitativ so schlecht, dass es verlorene Lebenszeit wäre, sich Jahre auf die Schulbank zu setzen, nur um den Freifahrtschein (Meisterbrief) zu bekommen.
  • Das Wissen zum Herstellen von Brot und Backwaren ist bereits vorhanden, es fehlt nur die Erlaubnis.
  • Ein politisches Zeichen setzen, dass der Meisterzwang überholt ist.

Offizielle Informationen für Quereinsteiger

Das institutionelle Bäckerhandwerk hält sich mit Informationen über Quereinsteiger im eben definierten Sinne bedeckt. Auch die HWK bieten proaktiv keine Informationen dazu. Selbst auf meine offizielle und wiederholte Nachfrage haben mehr als 90 % aller deutschen HWK keinerlei Informationen zur Verfügung gestellt (siehe Anhang in meinem PDF-Download Quereinstieg ins Bäckerhandwerk. Zwei von ihnen verwiesen lediglich darauf, dass Interessenten sich direkt an die HWK wenden sollten.

Nur für Betriebe

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV) bietet zwar einen Leitfaden für den „Quereinstieg ins Bäckerhandwerk“. Dieser richtet sich aber lediglich an Betriebe, die Personal suchen, und nicht an die Quereinsteiger selbst und auch nicht an Quereinsteiger im weiter oben definierten Sinne. Außerdem ist der Leitfaden nicht frei zugänglich.

Als Job oder Ausbildung

Auf der Website der Initiative „Back dir deine Zukunft“ von der Werbegemeinschaft des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. werden potenzielle Quereinsteiger direkt angesprochen. Allerdings liegt hier der Fokus auf Studienabbrechern, die Aushilfsjobs suchen oder den regulären Ausbildungsweg gehen wollen. Auf die weiteren Möglichkeiten für einen echten Quereinstieg ins Bäckerhandwerk wird nicht eingegangen.

Nicht für Gründer

Die Bundesakademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim bietet einen viertägigen Quereinsteigerkurs an. Dieser richtet sich aber lediglich an „Quereinsteiger mit fachfremden Ausbildungen ins Bäckerhandwerk und zu dessen Zulieferindustrie – sei es in der Chefetage, im Verkauf oder auch als Produktionshelfer in handwerklichen Bäckereien“, offensichtlich aber nicht an das Klientel, das einen echten Quereinstieg ins Handwerk sucht, mit eigenem Betrieb und eigener Produktion.

Bis 2023 bot die Akademie zudem einen „Zertifikatskurs für den Sachkundenachweis Brot“ an. Dieser Kurs war an Quereinsteiger gerichtet, die die klassische Ausbildung umgehen wollten. Mehr dazu weiter unten (Antrag auf Ausnahmebewilligung). Die entsprechenden Angebote der Akademie waren zum Zeitpunkt der Recherche Anfang 2024 offiziell nicht mehr aufzufinden (lediglich über die Wayback-Machine [3])

 

 

Die Handwerksordnung

Die rechtliche Grundlage für alle Fragen ist das „Gesetz zur Ordnung des Handwerks“ (HwO) [4]. Davon ist besonders der zweite Abschnitt mit den Paragraphen 7 und 8 (ggf. auch § 9) interessant und sollte aufmerksam gelesen werden, denn nur wenn die eigene Situation mit den in diesen Paragraphen genannten Bedingungen zusammenpasst, ist ein Quereinstieg ohne reguläre Ausbildung denkbar und kann gegenüber den HWK eingefordert werden.

Das Bäckerhandwerk gehört in Deutschland zu den zulassungspflichtigen Gewerken. Wer mit seinem Betrieb nicht in die von den HWK gepflegten Handwerksrollen eingetragen ist, darf das Handwerk nicht ausführen und begeht eine Ordnungswidrigkeit, wenn er es doch tut. Die HwO regelt auch die Ausnahmen, die es ermöglichen, in die Handwerksrolle eingetragen zu werden.


Zu Paragraf 1

Dieser Paragraf regelt, welche Betriebe unter das zulassungspflichtige Handwerk fallen. Dazu zählen alle Betriebe, die ein Handwerk vollständig oder in seinen wesentlichen Tätigkeiten ausüben, das in Anlage A verzeichnet ist, also auch das Bäckerhandwerk.

Allerdings wird eingeschränkt, dass nicht wesentliche Tätigkeiten jene sind, die innerhalb von bis zu drei Monaten erlernt werden können. Nach meiner Auffassung zählt das Brotbacken dazu. In drei Monaten ist es ohne Weiteres möglich, sich in die Thematik theoretisch wie praktisch einzuarbeiten. Könnte dies ein Schlupfloch für Quereinsteiger sein, die sich auf wenige Gebäckarten begrenzen möchten? Vielleicht. Allerdings schränkt das Gesetz in Abschnitt 2 ein, dass auch in der Gesamtbetrachtung der so definierten nicht wesentlichen Tätigkeiten diese nicht wesentlich für das zulassungspflichtige Handwerk sein dürfen. Und Brotbacken wird vermutlich vor Gericht von jedem Richter als wesentlich für das Betreiben einer Bäckerei angesehen werden, auch wenn es in bis zu drei Monaten erlernbar wäre.


Zu Paragraf 7

Dieser Paragraf regelt, unter welchen Bedingungen der Betrieb mit einem stehenden Gewerk (im Unterschied zum Reisegewerbe) in die Handwerksrolle eingetragen werden darf:

  • bestandene Meisterprüfung im zulassungspflichtigen Handwerk
  • bestandene Meisterprüfung in einem verwandten zulassungspflichtigen Handwerk
  • abgeschlossenes Fach- oder Hochschulstudium (oder eine vergleichbare Ausbildung) in einem Bereich, der dem zulassungspflichtigen Handwerk entspricht
  • Erwerb einer der Meisterprüfung gleichwertigen Berechtigung zur Ausübung des zulassungspflichtigen Handwerks aus einem Staat der Europäischen Gemeinschaft oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
  • Ausnahmebewilligung nach § 8 und § 9 oder Gleichwertigkeitsfeststellung nach § 50c
  • Ausübungsberechtigung nach § 7a oder § 7b

Nach § 7a erhält derjenige eine Ausübungsberechtigung für ein zulassungspflichtiges Handwerk, der bereits ein Handwerk nach §1 betreibt, wenn die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen werden können.

Nach § 7b erhält derjenige eine Ausübungsberechtigung für ein zulassungspflichtiges Handwerk, der bereits die Gesellenprüfung in diesem Handwerk abgelegt und mindestens 6 Jahre, darunter 4 Jahre in leitender Funktion, in diesem Handwerk gearbeitet hat.

Für Quereinsteiger ist dies nur interessant, wenn sie bereits ein anderes zulassungspflichtiges Handwerk erlernt haben und ausüben. Dann können Sie durch Nachweis ihrer Kenntnisse und Fertigkeiten (voraussichtlich im Rahmen einer Sachkundeprüfung) eine Ausübungsberechtigung erhalten. Für alle anderen „Nichthandwerker“ bleibt nur der Weg über § 8.


Zu Paragraf 8

Die gute Nachricht: Eine Ausnahmebewilligung ist zu erteilen, wenn der Antragsteller die für die Ausübung des zulassungspflichtigen Handwerks nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachweisen kann. Die schlechte Nachricht: Die Ausnahmeregelung greift nur, wenn das Ablegen einer Meisterprüfung zum Zeitpunkt der Antragstellung oder danach für den Antragsteller eine unzumutbare Belastung bedeuten würde.

Was „unzumutbar“ bedeutet, liegt in der Interpretationshoheit der HWK bzw. des anzurufenden Verwaltungsgerichtes.

Die Ausnahmebewilligung kann, aber muss nicht auf bestimmte Teiltätigkeiten des zulassungspflichtigen Handwerks beschränkt werden. Wir sie beschränkt, sind nur Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen der Beschränkung nachzuweisen. Die Bewilligung kann außerdem unter Auflagen und Bedingungen sowie befristet erteilt werden. All das liegt in den Händen der HWK.


Zu Paragraf 9

Dieser Paragraf regelt die Zulassung in einem zulassungspflichtigen Handwerk für nichtdeutsche Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz. Die Regelung umfasst sowohl das Betreiben einer Niederlassung in Deutschland wie auch die Arbeit als Betriebsleitung sowie grenzüberschreitende Dienstleistungen. Die Details regelt die …

Verordnung über die für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz geltenden Voraussetzungen für die Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks (EU/EWR-Handwerk-Verordnung - EU/EWRHwV).


Demnach ist es auch als Angehöriger eines EU-Staats nicht ohne weiteres möglich, eine Ausnahmebewilligung zu erhalten, wenn nicht etliche Jahre Berufserfahrung nachgewiesen werden. Die Erteilung der Ausnahmebewilligung nach § 8 steht natürlich weiterhin offen.

Die Möglichkeiten im Überblick

Schauen wir uns die Praxis an nach all dem rechtlichen Wirrwarr. Es gibt viele Wege, das eigene Brot verkaufen zu dürfen. Aber es kommt auf die eigene Lebenssituation und auf die Frage an, wie unabhängig man von den rechtlichen Einschränkungen sein möchte. Aus diesem Grund führe ich auch die reguläre Gesellen- und Meisterausbildung auf, denn das wäre der offiziell einzige Weg, völlig frei von handwerksrechtlichen Restriktionen eine Bäckerei betreiben zu dürfen.

Damit es inhaltlich nicht ausufert, fasse ich die wichtigsten Punkte zusammen. Wenn du dich für eine oder mehrere Optionen entschieden hast, führt kein Weg an einem Gespräch mit der örtlichen HWK vorbei. Im besten Falle beraten sie offen und neutral. Meinen eigenen und mir gegenüber geäußerten Erfahrungen nach hängt es einerseits sehr vom jeweiligen Mitarbeiter ab, wie konstruktiv oder abwehrend das Gespräch verläuft, andererseits verspüren nur wenige HWK den Drang, die Vergabe von Ausnahmebewilligungen zu fördern.


Tipp: Wenn das erste Telefonat mit der HWK abwehrend oder destruktiv verlaufen ist, probiere es an einem anderen Tag noch einmal und lass’ dich zu einem anderen Mitarbeiter durchstellen. Schon das kann den Durchbruch bringen.

Informiere dich vor dem Erstgespräch mit der HWK gut über die Rechtslage (HwO!). Die erste Intention der HWK ist meistens Abwehr mit dem Hinweis auf den regulären Weg über die Gesellen- und Meisterausbildung. Aber es gibt mehr Möglichkeiten, als man glaubt. Im Detail geht es leider immer um den Einzelfall und auch um teils widersprüchliche Gerichtsbeschlüsse und deren Auslegung.

Möglichkeiten

Auf diese Möglichkeiten gehe ich 
im Folgenden ein:

  1. Reguläre Ausbildung mit Gesellenbrief und Meisterbrief
  2. Antrag auf Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO mit Sachkundeprüfung
  3. Anstellung einer Person mit Meisterbrief
  4. Externenprüfung
  5. Reisegewerbeschein
  6. Direktvermarktung und Gastronomie (unerheblicher Nebenbetrieb)
  7. Vereinsgründung

1. Reguläre Ausbildung

Der Königsweg aus Sicht der HWK und des institutionalisierten Bäckerhandwerks. Der große Vorteil: Wer sich einmal durch die durchwachsene Ausbildung durchgekämpft und durchbezahlt hat, hat in der Gestaltung seines Betriebes und seines Sortiments alle Freiheiten.

Mit dem Meisterbrief in der Tasche kann keine HWK etwas gegen die Eintragung in die Handwerksrolle tun. Wer allerdings meint, der Gesellenbrief reiche aus, der irrt sich. Zwar kann eine Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO erteilt werden, aber dafür muss man erst einmal 6 Jahre im Beruf arbeiten, davon 4 Jahre in leitender Position (siehe auch „Externenprüfung“).

Um in der regulären Ausbildung als Quereinsteiger etwas mehr mitzunehmen als nur das Papier mit der Aufschrift „Meisterbrief“, solltest du dir eine Bäckerei als Lehrbetrieb suchen, die genau deiner Philosophie entspricht. Denn wenn du etwas lernen willst, dann lernst du es in diesem Betrieb und (bis auf einige Ausnahmen) mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an der Berufs- oder Meisterschule.


Turboklassen

Einige Berufsschulen bieten „Turboklassen“ an, in denen Azubis mit Abitur oder vorheriger Ausbildung zusammengeführt werden. Mit Abitur oder abgeschlossener Ausbildung kann die Ausbildungszeit verkürzt werden, auch bei Erreichen guter Noten. So können aus regulär 3 Jahren anderthalb Jahre werden, um den Gesellenbrief in der Tasche zu haben. Schulzeiten in Form von Block- oder Wochenunterricht (ca. 8 – 12  Wochenstunden) wechseln sich mit (zumeist) Nachtarbeit im Betrieb ab. In dieser Zeit wird lediglich der Lehrlingssold durch den Lehrbetrieb gezahlt. Für Quereinsteiger mit Familie oder anderen finanziellen Verpflichtungen kann allein das ein Ausschlusskriterium für diesen Weg zur eigenen Bäckerei sein.


Reguläre Ausbildung

Die reguläre Ausbildung kann vor allem durch die lange Zeit in einem Betrieb und durch die Kontakte zu Mitschülern (sowie das Erkennen, wie du auf keinen Fall arbeiten willst) eine bereichernde Zeit sein, wenn du finanziell und familiär unabhängig bist.


Meisterprüfung

Für die Meisterprüfung ist ebenfalls viel Geld mitzubringen. Zwar kann die Prüfung ohne Besuch einer Meisterschule absolviert werden – die Kosten hat nach § 50 HwO die HWK zu tragen, aber die einzige Chance, auf die Inhalte und Anforderungen der Prüfung vorbereitet zu werden, ist ein Meisterkurs. Grob überschlagen musst du für den Meisterbrief rund 10.000 € mitbringen.

Die Wahl der Berufsschule hängt vom Standort des Lehrbetriebes ab. Die Meisterschule ist frei wählbar. Die besseren Schulen sind aber über Monate bis Jahre ausgebucht. Auch hier solltest du dich intensiv informieren, welche Schule bzw. welcher Meisterkurs am ehesten zu deinen Vorstellungen passt. Am besten telefonierst du mit den vor Ort Verantwortlichen und klopfst sie auf Themen ab, die dir wichtig für deine spätere Bäckerei sind (z. B. Backmitteleinsatz, lange Teigführung und was sie darunter verstehen, Arbeit mit Sauerteig etc.). Die Meisterprüfung gliedert sich in vier Teile [5]:

  • Teil I: Praktische Fähigkeiten
  • Teil II: Theoretische Kenntnisse
  • Teil III: Betriebswirtschaft und Recht
  • Teil IV: Ausbildereignungsprüfung

Wenn du bereits betriebswirtschaftliche Kenntnisse oder Berufserfahrung nachweisen kannst, kannst du bei der HWK beantragen, von Teil III befreit zu werden. Die Interpretation von „Nachweis“ ist aber je nach HWK äußerst verschieden (so wurden z. B. von der HWK Hamburg eine Ausbildung zur Steuerfachfrau und ein BWL-Studium nicht als gleichwertig anerkannt [6]).


Vor- und Nachteile der regulären Ausbildung

VorteileNachteile
reguläre Eintragung in die Handwerksrolle (keine handwerksrechtlichen Einschränkungen = Freiheit)hohe Kosten (bzw. wenig/keine Einnahmen)
wertvolle Kontakte zu Mitschülern und Lehrernhoher Zeitaufwand für vergleichsweise wenig Input
mehr Wissen (je nach Schule/Lehrer)voraussichtlich Frust über Ausbildungsinhalte
Betrieb darf ausbildenprüfungsrelevantes Pauken vieler Inhalte, die mit dem Backen von Brot und Brötchen nicht viel zu tun haben

 


2. Antrag auf Ausnahmebewilligung   
nach § 8 HwO

Die Ausnahmebewilligung ist wohl der beste Weg für Quereinsteiger, um einen rechtssicheren und weitgehend unbeschränkten Weg zum Betreiben einer Bäckerei einzuschlagen.

Wie bereits im Kapitel zur Handwerksordnung beschrieben, darf die HWK die Ausübung der Tätigkeiten beschränken oder befristen. Und so gibt es Quereinsteigerbetriebe, die nur einen kleinen Teil des Sortiments von „Meisterbetrieben“ backen dürfen, andere sind faktisch nicht eingeschränkt. All das hängt von der jeweiligen HWK und dem jeweiligen Mitarbeiter ab. Der Widerspruch und ggf. Verwaltungsrechtsweg steht dir bei vermuteten Fehlentscheidungen immer offen. Wichtig ist, dass du möglichst informiert in das Erstgespräch gehst und auch den rechtlichen Rahmen kennst, den du ausschöpfen kannst.


Antragsberechtigung

Wie bereits beschrieben, darf eine Ausnahmebewilligung nur erhalten, für den eine Meisterprüfung nicht zumutbar ist. Darauf ist im Antrag einzugehen. Im Jahr 2000 wurden diese Unzumutbarkeitsgründe in den sog. „Leipziger Beschlüssen“ konkretisiert (Bekanntmachung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie der Beschlüsse des „Bund-Länder-Ausschusses Handwerksrecht“ zum Vollzug der Handwerksordnung vom 21. November 2000 ). Gründe der Unzumutbarkeit können sein [7]:

  • Alter (ab ca. 47 Jahre – unbefristete Bewilligung)
  • abgeschlossenes Studium
  • familiäre Belastungen (große Familie, gesundheitliche Belastungen Angehöriger)
  • erhebliche gesundheitliche Belastungen (unbefristete Bewilligung)
  • finanzielle Belastungen
  • soziale Belastungen (z. B. Arbeitslosigkeit)
  • Ausübung einer Spezialtätigkeit innerhalb des Handwerksberufes (z. B. nur Stollen backen, nur Sauerteigbrot backen etc.)
  • Übernahme eines Betriebes inkl. Funktion des Betriebsleiters bzw. des persönlich haftenden Gesellschafters (befristete Bewilligung)
  • Wartezeit auf einen Platz im Meisterkurs oder zur Ablegung der Meisterprüfung von mehr als 2 Jahren (befristete Bewilligung)
  • weitere, individuelle Gründe, die es in der Gesamtbetrachtung unzumutbar erscheinen lassen, eine Meisterprüfung ablegen zu müssen

Außerdem ist in den Leipziger Beschlüssen festgehalten, dass die HWK Ausnahmeanträge großzügig handhaben sollen: „Erreicht werden soll insbesondere, dass bei der Anerkennung von Ausnahmefällen im Rahmen des § 8 der Handwerksordnung (HwO) in allen Ländern ein möglichst einheitlicher und möglichst großzügiger Vollzug der Handwerksordnung gewährleistet wird und Existenzgründungen erleichtert werden.“

Tipp: Auf die Leipziger Beschlüsse kannst du dich im Zweifel gegenüber deiner HWK berufen.


Antragstellung

Der Antrag kann über ein entsprechendes Formular bei der jeweiligen HWK gestellt werden. Vorab empfehle ich unbedingt ein Telefonat mit der HWK, um einschätzen zu können, wie die HWK „tickt“, also ob sie unterstützend oder abwehrend gegenüber Quereinsteigern eingestellt ist. Außerdem hilft ein Telefongespräch oder sogar ein Beratungsgespräch vor Ort, um eine persönliche Beziehung aufzubauen und ggf. Tipps zu bekommen, wie das Verfahren an genau dieser HWK abläuft.

Zuständig ist immer die Handwerkskammer, in deren „Hoheitsgebiet“ du deinen Betrieb eröffnen möchtest. Ob du das später tatsächlich tust oder anderswo eröffnest, spielt keine Rolle. Die Ausnahmebewilligung einer HWK ist bundesweit gültig und muss von jeder HWK anerkannt werden.


Wird der Antrag nur mit der Begründung gestellt, eine Spezialtätigkeit im Kernbereich des Bäckerhandwerks ausüben zu wollen, dann solltest du dir im Klaren darüber sein, welche Backwaren du langfristig herstellen und verkaufen möchtest. Ist der Antrag einmal gestellt, gilt dieser als Zulassungs- und Prüfungsgrundlage. Auch aus finanziellen Gründen sollte der Antrag zunächst ein breites Sortiment umfassen. Stellst du aus falscher Vorsicht einen Antrag auf Ausnahmebewilligung zur Herstellung von Roggenbrot, wirst du auch nur darauf in der Sachkundeprüfung geprüft. Die Prüfung kostet ca. 800 bis 3.000 € zzgl. Verwaltungsgebühr für die Bearbeitung des Antrags auf Ausnahmebewilligung. Fällt dir später ein, dass du vielleicht auch Weizenbrote anbieten möchtest, musst du dies erneut beantragen, dich prüfen lassen und bezahlen.


Es ist ratsam, die Formulierung der beantragten Backwaren weit und „schwammig“ zu fassen, zum Beispiel „Backwaren mit Sauerteig“. Sofern diese Formulierung nicht beanstandet wird, ermöglicht sie es dir, die gesamte Sortimentsbreite herzustellen, sofern du im Teig auch immer etwas Sauerteig verarbeitest. Und das ist sogar im Feingebäckbereich möglich und fachlich sinnvoll – unbenommen davon, ob du zusätzlich Hefe verwendest.


Für alle anderen Unzumutbarkeitsgründe sollte keine Sortimentsbeschränkungen gelten, wenngleich sie natürlich beantragt werden können, um den Prüfungsaufwand zu reduzieren.

Sollte der Antrag abgelehnt werden, lohnt sich ein fristgerechter Widerspruch und ggf. die Androhung einer Klage, da die Rechtslage bei den HWK entweder nicht immer klar ist oder bewusst auf das Unwissen der Quereinsteiger gesetzt wird [19].


Sachkundeprüfung

Nach der Antragstellung wird in aller Regel eine Sachkundeprüfung angeordnet, sofern du deine Sachkenntnis nicht anderweitig nachweisen kannst. Selbst wenn du deine Sachkenntnis nachweisen kannst, wird eine Sachkundeprüfung häufig pauschal angesetzt, obwohl die Rechtslage eine andere ist. Das Risiko dabei: Fällst du durch die Prüfung, wiegt das schwerer als jeder schriftliche Nachweis. Du solltest dir also vorher genau überlegen, ob du ausreichend andere Belege für deine Sachkenntnis hast und darauf dringst, dass sie anerkannt werden [20].

Die Prüfungsthemen in Theorie und Praxis orientieren sich an deinen Antragsinhalten und an den Meisterprüfungsanforderungen. Du musst nachweisen, dass du für den beantragten Sortimentsausschnitt über meisterähnliche Kenntnisse und Fertigkeiten verfügst.


Ablauf der Sachkundeprüfung: Die Prüfung findet in Räumlichkeiten der HWK, der örtlichen Innung oder im Betrieb des Sachkundeprüfers statt. Sofern nicht verfügbar, kann die Prüfung auch in deinen Räumlichkeiten abgenommen werden. Die genauen Anforderungen und Umstände der Prüfung hängen leider sehr von der jeweiligen HWK bzw. dem Sachkundeprüfer ab und müssen mit ihm besprochen werden. Wie die Prüfung konkret abläuft und welche Inhalte eine Rolle spielen, gibt der Sachkundeprüfer unter Berücksichtigung der bereits nachgewiesenen Kenntnisse im theoretischen, praktischen und betriebswirtschaftlichen Bereich vor. Im Anschluss an die Prüfung verfasst der Sachkundeprüfer ein Gutachten für die HWK, die auf dieser Basis über die Eintragung in die Handwerksrolle entscheidet.


Zertifikatskurs in Weinheim

Die Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim bot 2022 und 2023 einen mehrtägigen Zertifikatskurs (online und in Präsenz) an, dessen erfolgreicher Abschluss von den baden-württembergischen HWK als Ersatz für eine Sachkundeprüfung anerkannt wurde. Mit diesem Zertifikat konnte also eine Eintragung in die Handwerksrolle einer der HWK in Baden-Württemberg erfolgen. Ob dieser Kurs auch 2024 und in den Folgejahren angeboten wird, ist bislang nicht zu klären gewesen. Die Kosten inklusive Übernachtung und Verpflegung lagen in den Vorjahren bei ca. 3.500 €.


Die Akademie hielt sich in der damaligen Kursausschreibung diplomatisch vage: „Das Zertifikat führt i.d.R. zu einer Sondergenehmigung durch die zuständige Handwerkskammer in Baden-Württemberg (nach Absprache auch mit weiteren), mit der Sie einzelne Brotsorten gewerblich herstellen und verkaufen dürfen.“

Der Vorteil eines solchen Kurses: Nach einer fachlich begleiteten Vorbereitungszeit, wird in einem professionellen und dann schon gewohnten Umfeld die theoretische und praktische Sachkundeprüfung abgenommen. Die Abläufe und Anforderungen sind also kalkulierbarer als bei der klassischen Sachkundeprüfung.

Es sollte aber zwingend vor Beginn des Kurses mit der eigenen HWK geklärt werden, ob das Zertifikat anerkannt wird und zu einer Eintragung in die Handwerksrolle führt.


Intransparenz der Handwerkskammern

Ich habe im Dezember 2023 alle 53 Handwerkskammern um Informationen zum Quereinstieg ins Bäckerhandwerk über § 8 HwO gebeten und sogar im Januar 2024 noch einmal nachgefasst. Leider hielten es nur 5 der 53 HWK für angebracht, Informationen zum Quereinstieg ins Bäckerhandwerk zur Verfügung zu stellen. Mein Ziel war ursprünglich, die Umsetzung von § 8 HwO an den einzelnen HWK transparent darzustellen, damit interessierte Quereinsteiger schnell passende Informationen der für sie zuständigen HWK finden können. Offensichtlich soll hier ein Wettkampf zwischen den HWK vermieden werden, wie aus informierten Kreisen zu hören ist, denn es gibt große Unterschiede in der Handhabung des Paragrafen und der Offenheit gegenüber Quereinsteigern.


Positiv hervorzuheben sind die sächsischen HWK, die sofort und umfangreich geantwortet haben. Bis auf die HWK Potsdam und die HWK Unterfranken, die wenigstens einige Fragen beantwortet haben, hüllten sich alle anderen HWK in Schweigen oder verwiesen auf den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) bzw. den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV), obwohl sie die rechtlich zuständigen Institutionen sind.

Nur die HWK Unterfranken hat auf die Frage geantwortet, wie viele Ausnahmebewilligungen in den vergangenen fünf Jahren in ihrem Zuständigkeitsbereich erteilt wurden: im Durchschnitt 2 Bewilligungen pro Jahr. Der ZDH verweist auf Zahlen aus dem Jahr 2022, aus denen hervorgeht, dass rund 17 % aller Eintragungen in die Handwerksrolle des Bäckerhandwerks auf Basis einer Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO erfolgten.

Das heißt: mehr als jede 6. Handwerksrolleneintragung für das Bäckerhandwerk ging 2022 auf Quereinsteiger zurück.

Die jeweiligen Rückmeldungen der 53 HWK sind im Anhang zitiert und geben einen guten Überblick über die „Transparenz“ und „Offenheit“ der HWK gegenüber Quereinsteigern.


Vor- und Nachteile der Ausnahmebewilligung  
gegenüber der regulären Ausbildung

VorteileNachteile
schneller am ZielAbhängigkeit von der Offenheit der HWK und des Sachkundeprüfers
geringere Kostenmehr oder weniger begrenztes Sortiment
 keine fachliche Begleitung in der Prüfungsvorbereitung
 Betrieb darf nicht ausbilden

3. Anstellung einer Person mit Meisterbrief

Eine schnelle und elegante Lösung auf dem Weg zur eigenen Bäckerei ist, jemanden in Leitungsposition anzustellen, der bereits einen Meisterbrief im Bäckerhandwerk besitzt. Inwiefern diese Person dann tatsächlich jeden Tag in der Backstube steht, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass du durch das Angestelltenverhältnis die Eintragung deines Betriebes in die Handwerksrolle erreichst.

Mit etwas Kreativität lassen sich Wege finden, wie zum Beispiel Altmeister ihren Meisterbrief „zur Verfügung stellen“ können, um dir ohne Meisterbrief die Eintragung zu ermöglichen. Der Inhaber des Meisterbriefes muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass er auch bei Abwesenheit rechtlich die handwerkliche Verantwortung für den Betrieb trägt. Dieses Modell funktioniert also nur bei einem guten Vertrauensverhältnis zwischen dir und dem Meisterbriefinhaber.

Natürlich verursacht ein solches Modell von Beginn an Kosten (durchschnittlich 3.200 € pro Monat für einen Meister [8]). Außerdem ist der Betrieb auf Gedeih und Verderb von dieser einen Person abhängig. Steigt sie aus, ist die Existenz des Betriebes gefährdet bzw. muss dann über die Unzumutbarkeitsklausel eine Ausnahmebewilligung beantragt werden.


Vor- und Nachteile

VorteileNachteile
schnell am Zielhohe Personalkosten
zusätzliche Erfahrung an BordAbhängigkeit von einer einzelnen Person
unbegrenztes Sortiment 
Betrieb darf ausbilden 

4. Externenprüfung

Wenn du bereits einige Jahre Erfahrung im Bäckerhandwerk gesammelt hast, aber bislang keine Ausbildung in diesem Beruf nachweisen kannst, bist du zum Ablegen einer Externenprüfung berechtigt. Dabei geht es zunächst nur um den Gesellenbrief.

Um zur Externenprüfung zugelassen zu werden, musst du nachweisen, dass du im Vergleich zur regulären Ausbildungszeit mindestens anderthalbmal so lange im Bäckerhandwerk gearbeitet hast. Im Bäckerhandwerk wären das 4,5 Jahre, die du zum Beispiel als Aushilfe in der Backstube gearbeitet haben müsstest. Die Prüfung ist identisch zur klassischen Gesellenprüfung und wird in der Regel auch gemeinsam mit den normalen „Prüflingen“ abgelegt. Die Regelung findet sich in § 45 des Berufsbildungsgesetzes, das weiter differenziert [10]:
„Als Zeiten der Berufstätigkeit gelten auch Ausbildungszeiten in einem anderen, einschlägigen Ausbildungsberuf. Vom Nachweis der Mindestzeit nach Satz 1 kann ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft gemacht wird, dass der Bewerber oder die Bewerberin die berufliche Handlungsfähigkeit erworben hat, die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigt. Ausländische Bildungsabschlüsse und Zeiten der Berufstätigkeit im Ausland sind dabei zu berücksichtigen.“


Die Beantragung der Zulassung zur Externenprüfung erfolgt über ein entsprechendes Formular bei der zuständigen HWK. Nach der bestandenen Externenprüfung kann dann die Meisterprüfung beantragt werden (ggf. mit vorherigem Besuch eines Meisterkurses, siehe Kapitel zur regulären Ausbildung).


Vor- und Nachteile

VorteileNachteile
keine Berufsschule nötighoher Zeitaufwand von mind. 4,5 Jahren für Quereinsteiger nötig
viel Zeit, um Erfahrungen zu sammelnMeisterprüfung muss zusätzlich abgelegt werden

5. Reisegewerbeschein

Bislang habe ich immer vom stehenden Gewerbe berichtet, also über eine klassische, ortsfeste Backstube, in der Teig hergestellt und gebacken wird. Nur auf diesen Fall bezieht sich der deutsche Meisterzwang. Wird das Handwerk ortsungebunden ausgeführt, greift der Meisterzwang nicht mehr, da § 1 HwO nur das stehende Gewerbe unter die Meisterpflicht nimmt.

Voraussetzung ist, dass nicht der Kunde zur Ware oder Dienstleistung kommt, sondern die Ware oder Dienstleistung zum Kunden. § 55 der Gewerbeordnung regelt dies wie folgt: „Ein Reisegewerbe betreibt, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung (§ 4 Absatz 3) oder ohne eine solche zu haben, Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht.“ [11] Oder wie es die Rechtsanwaltskanzlei Böttcher & Partner aus Wiesbaden formuliert: „Der Unterschied zwischen dem (noch) vollhandwerklichen stehenden Gewerbe und dem Reisegewerbe ist nur die Art der Auftragserteilung!“ [21]


Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2000 entschieden [12]: „Entscheidend ist insoweit, dass die Initiative zur Erbringung der Leistung vom Anbietenden ausgeht. Das unterscheidet ihn vom stehenden Handwerksbetrieb, bei dem die Kunden um Angebote nachsuchen.“ Es reicht also nicht, die in der ortsfesten Backstube gebackenen Brote an die Kunden oder zum Markt auszufahren. Ohne Meisterbrief darfst du erst Brot backen und verkaufen, wenn die Backstube selbst mobil, also ortsunabhängig ist, also auch der Teig beim Kunden hergestellt und abgebacken wird. Flyer mit Kontaktdaten oder eine Online-Vorbestellmöglichkeit sind damit ausgeschlossen. Möglich sind dagegen Werbeformen mit allgemeinen Ankündigungen oder um im Gedächtnis zu bleiben. Ausgeschlossen ist Werbung, die den Kunden direkt oder indirekt dazu auffordert, dich zu kontaktieren [13]. Du erscheinst unangemeldet und ohne Bestellung beim Kunden oder auf dem Markt (wird als gleichbedeutend angesehen), bäckst und versuchst deine Backwaren den Kunden „feilzubieten“.


Ohne Genehmigung geht auch hier nichts.

Du musst bei der Ordnungsbehörde eine Reisegewerbekarte beantragen, sofern du in einer Gemeinde tätig bist mit mehr als 10.000 Einwohnern [14]. Die Karte kann befristet oder unbefristet beantragt werden und ist bundesweit gültig. Obwohl rechtlich umstritten, wird deine Anmeldung in aller Regel auch der Industrie- und Handelskammer (IHK) gemeldet, die dich als Zwangsmitglied aufnimmt [14]. Beachte auch, dass du für den Antrag neben diversen Registerauszügen auch ein Gesundheitszeugnis vorlegen musst. Dieses erhältst du beim zuständigen Amt (Verbraucherschutz, Veterinäramt etc.).


Vor- und Nachteile

VorteileNachteile
Unabhängigkeit / Mobilitäthohe Investitionskosten in mobile Backstube
keine handwerksrechtlichen Regularienweniger Umsatz durch organisatorische und zeitliche Beschränkungen (Backen beim Kunden)

6. Direktvermarktung und Gastronomie (unerheblicher Nebenbetrieb)

Du betreibst ein Café, Imbiss oder Restaurant? Dir gehört Land, auf dem du Getreide anbaust oder anbauen lässt? Dann darfst du unter bestimmten Voraussetzungen Brot backen und verkaufen, ohne dass du der Meisterpflicht unterliegst.

Paragraf 3 HwO ermöglicht es, neben dem eigentlichen Geschäftsbetrieb einen Nebenbetrieb mit zulassungspflichtigem Handwerk zu betreiben. Dieser Nebenbetrieb unterliegt nur dann nicht dem Meisterzwang, wenn die Tätigkeit in unerheblichem Umfang ausgeführt wird [15]. Als unerheblich gilt die Tätigkeit, wenn die Arbeitszeit dafür die durchschnittliche Arbeitszeit eines in Vollzeit arbeitenden Betriebes (ohne Hilfskräfte) nicht übersteigt. In der Literatur wird häufig die Zahl von 1.664 Stunden pro Jahr genannt [16][17]. Dafür gibt es bislang keinerlei Rechtsgrundlage und Gerichtsentscheid. Die Zahl kann also durchaus höher liegen, aber dafür muss man sich ggf. auf einen Rechtsstreit mit der Handwerkskammer einlassen.


Die Voraussetzung

Voraussetzung für den unerheblichen Nebenbetrieb ist, dass der Hauptbetrieb weiterhin den Großteil des Umsatzes ausmacht, der Nebenbetrieb weitgehend selbstständig organisiert, aber auf mehreren Ebenen mit dem Hauptbetrieb verbunden ist (organisatorisch, fachlich, wirtschaftlich, personell etc.) [16]. Auch Ein-Personen-Betriebe dürfen einen unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb haben.


Beispiel Landwirtschaft

Die Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte unterliegt nicht dem Meisterzwang, sondern gehört zur „Urproduktion“. Allerdings sieht es mit verarbeiteten Produkten wie Brot schon anders aus, sofern die Produktion deutlich über den Eigenbedarf hinausgeht. 

Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellte 2018 dazu fest: „Die Herstellung und der Verkauf von Brot und Backwaren kann noch der Urproduktion zugerechnet werden, wenn die über den Eigenverbrauch hinausgehende Mehrproduktion gering ist und lediglich einer besseren Ausnutzung der Arbeitskraft und der Produktionsstätte dient. Eine Anzeigepflicht nach der Gewerbeordnung besteht aber dann, wenn Brot/Backwaren in nicht unerheblichem Umfang an Endverbraucher verkauft werden.“ [18]


Willst du dein eigenes Getreide zu Brot verbacken und verkaufen, bewegst du dich im zulassungspflichtigen Handwerk und musst den Meisterbrief nachweisen. Wenn die Landwirtschaft weiterhin einen Großteil des Umsatzes ausmacht, du aber im Rahmen von maximal 1.664 Stunden im Jahr Brot oder andere Backwaren herstellst, dann bist du von der Meisterpflicht befreit. Alle weiteren gewerbe- und lebensmittelrechtlichen Bestimmungen zum Betrieb einer Bäckerei gelten natürlich weiter.


Beispiel Gastronomie

In der Gastronomie ist das Backen von Backwaren so lange kein Problem, wie die Backwaren zu eigenen Zwecken weiterverarbeitet werden, um das gastronomische Angebot aufrechtzuerhalten. Wenn du also Brot bäckst, um daraus Sandwiches herzustellen oder Croissants, um dein Frühstücksangebot zu ergänzen, findet das außerhalb des rechtlichen Rahmens für zulassungspflichtiges Handwerk statt. 

Sobald du deiner Kundschaft aber die Backwaren ohne den gastronomischen Aspekt verkaufst, also pur, greift die Meisterpflicht.

In diesem Fall könntest du dich auf den unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb berufen, sofern der Umsatz deines Gastronomiebetriebes signifikant über dem des Bäckereibetriebes liegt und die Arbeitszeit die (recht willkürliche) Grenze von 1.664 Stunden pro Jahr nicht übersteigt.

Willst du also nicht zwingend nur Backwaren verkaufen, sondern kannst dir eine Kombination mit Gastronomie vorstellen, ist dieses Modell ideal.


Vor- und Nachteile

VorteileNachteile
keine handwerksrechtlichen RegularienArbeitszeit- und damit Umsatzbeschränkung
mehr Vielfalt und Vermarktungspotenzial durch Kombination mit Gastronomie oder Landwirtschaftnur eine Nebenerwerbsquelle

 

7. Vereinsgründung

Eine Alternative zu den bisher genannten Möglichkeiten, Backwaren ohne die Regularien des Meisterzwangs zu backen und zu verkaufen, ist die Gründung eines Backvereins. Auf das Vorgehen bei einer Vereinsgründung sei nur insofern eingegangen, als dass es mindestens 7 Gründungsmitglieder braucht. Eine gute Übersicht über die Anforderungen an die Vereinsgründung bietet der Verein Deutsches Ehrenamt e. V.

Backwaren werden nur innerhalb des Vereins gebacken und ausgegeben. Da keine Backwaren an Dritte in Verkehr gebracht werden, greift die HwO nicht. Die Vereinsmitglieder zahlen einen monatlichen oder jährlichen Beitrag, der deine Unkosten deckt, um ausreichend Brot für die Vereinsmitglieder zu produzieren. Dein Gehalt beziehst du direkt vom Verein, bei dem du dich anstellen lässt. Natürlich brauchst du einen geeigneten Standort und eine geeignete Ausstattung. Bei ausreichend Interesse der Vereinsmitglieder wäre so etwas auch gemeinschaftlich finanzierbar.

Bei einer kritischen Masse an Mitgliedern wird das Ganze wirtschaftlich. Wer Brot haben möchte, muss Mitglied im Verein werden, seinen Mitgliedsbeitrag zahlen und hat dann Anrecht auf ein bestimmtes Backwarenpaket pro Jahr.


Wenn du eher der Typ bist, auf schnellem Wege eigene Entscheidungen zu treffen, dann solltest du dir ein anderes Modell aussuchen. Vereine sind demokratisch organisiert. Jede Entscheidung wird durch Abstimmung der Mitglieder gefällt. Das ist nicht nur ein bürokratischer Aufwand (Mitgliederversammlungen, Protokolle etc.), sondern kann auch psychisch belastend sein, wenn Menschen Entscheidungen treffen, die sie unter Umständen fachlich nicht überblicken können. Wenn gerade die Community dein Ansporn ist, dann könnte der Backverein die richtige Wahl für dich sein.


Vor- und Nachteile

VorteileNachteile
vergleichsweise einfach in der UmsetzungBürokratie durch Vereinsrecht
keine handwerksrechtlichen BeschränkungenAbhängigkeit von Mehrheitsentscheidungen
ideell und finanziell getragen von der Gemeinschaft 

Hinweis

Die Vereinsgründung ist ein theoretischer Vorschlag, von dem mir nicht bekannt ist, ob er bereits einmal zum Betreiben einer Bäckerei umgesetzt wurde. Es kann sein, dass bestimmte rechtliche Hürden bestehen, die ich zum Zeitpunkt des Schreibens noch nicht kannte. Bitte prüfe ggf. mit fachanwaltlicher Hilfe, ob dieses Modell für dich passt.

Austausch mit anderen Quereinsteigern

Um den Austausch zwischen den am Brot beteiligten Gewerken, aber auch unter interessierten Quereinsteigern und etablierten Handwerksbäckereien zu fördern, habe ich eine Mailingliste angelegt. Fragen und Probleme können so schnell und unkompliziert abseits der Öffentlichkeit besprochen werden. Die Zugangsvoraussetzungen und weitere Infos finden sich auf meiner Seite Netzwerk der Brotspinner bzw. unter www.brothandwerk.de.

Informationsmöglichkeiten

Quellen

  1. E-Mail vom 21.12.2023, Zentralverband des Deutschen Handwerks
  2. E-Mail vom 05.02.2024, Zentralverband des Deutschen Handwerks
  3. https://web.archive.org/web/20221129140523/https://www.akademie-weinheim.de/seminar/zertifikatskurs-fuer-den-sachkundenachweis-brot-11074
  4. https://www.gesetze-im-internet.de/hwo/index.html#BJNR014110953BJNE003705377
  5. https://www.gesetze-im-internet.de/b_ckmstrv/BJNR039300997.html
  6. https://www.ploetzblog.de/podcast/pb-43-quereinsteiger-im-baeckerhandwerk-christina-weiss-von-den-brotkumpels-aus-hamburg/id=64ae9725e40550e4bb1d5190
  7. http://www.buhev.de/2003/07/leipziger-beschluesse.pdf
  8. https://de.indeed.com/karriere-guide/karriereplanung/baeckermeister-gehalt
  9. https://www.zdh.de/ueber-uns/fachbereich-berufliche-bildung/ausbildung/pruefungen/externenpruefungen-im-handwerk-der-weg-zu-einer-gesellenpruefung/
  10. https://www.gesetze-im-internet.de/bbig_2005/__45.html
  11. https://www.gesetze-im-internet.de/gewo/__55.html
  12. https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20000927_1bvr217698
  13. http://www.buhev.de/2002/10/reisegewerbe.html
  14. https://www.gesetze-im-internet.de/gewo/__55a.html
  15. https://www.gesetze-im-internet.de/hwo/__3.html
  16. https://www.ihk.de/schwaben/produktmarken/beratung-und-service/recht-und-steuern/gewerbe-und-handwerksrecht/unerheblicher-handwerklicher-nebenbetrieb-554056
  17. http://www.buhev.de/2002/10/stehendesgewerbe.html
  18. https://www.bundestag.de/resource/blob/583702/70eeb3d6e51e19d6656e79c9548eda03/wd-5 – 150-18-pdf-data.pdf
  19. http://www.buhev.de/2002/10/ausnahmebewilligungen.html
  20. https://www.boettcher-ra.de/freies-handwerk-ohne-meisterbrief/ausnahmebewilligung-%C2 %A7 – 8-hwo/133-keine-fachkundepr%C3 %BCfung-bei-ausnahmebewilligung.html
  21. https://www.boettcher-ra.de/freies-handwerk-ohne-meisterbrief/reisegewerbe.html

Hier kannst du dir das ganze Dokument „Quereinstieg ins Bäckerhandwerk“ als PDF herunterladen. Es enthält diesen Artikel und Verweise in voller Länge und die Rückmeldungen der von mir befragten Handwerkskammern.

War der Artikel hilfreich?

Vor einer historischen Steinmauer hält Lutz Geißler stolz ein rundes Roggenbrot mit rustikal aufgerissener Kruste in die Kamera.

Lutz Geißler, Brotexperte

Für diesen Text habe ich viel Recherche- und Schreibaufwand betrieben. Wenn der Beitrag dir ein paar Fragen beantworten konnte, klicke gern auf den folgenden Button für einige Möglichkeiten, deinen Dank auszudrücken. Du unterstützt damit den Plötzblog, in den jede Woche (!) rund 150 Arbeitsstunden fließen – für Jana, Lisa, Frauke, Angela, Carsten und Christina, die im Hintergrund die von mir gelieferten Rezept- und Wissensdaten einpflegen, aktuell halten und verknüpfen.
 

Plötzblog unterstützen