Schwarzwald-Ofen
Aus dem Dornröschenschlaf erwacht
Wer durch Deutschland reist, der kann etwas erleben. In unserem Fall war es etwas Wunderbares! Als Christina und ich auf unserer Deutschlandreise im Frühjahr 2022 im Schwarzwald-Örtchen Oberwolfach ankamen, ahnten wir nicht, dass es das Highlight der Reise werden würde.
Wir entdeckten durch Zufall einen Dorfbackofen, der nur einmal im Jahr zur Fastnacht angeheizt wird. Dessen Bäckerin verwies uns an ihren elterlichen Hof, weil dort ein noch größerer Holzofen stünde. Leider war niemand zuhause. Also klingelten wir beim Nachbarn. Der Rest ist Geschichte und steht ausführlich beschrieben in unserem Buch Auf der Suche nach gutem Brot.
Der Holzofen aus dem 18. Jahrhundert jedenfalls hatte es uns angetan. 20 Jahre lang war er nicht angefeuert worden. Im Gespräch mit der Familie um Birgitt und Manfred ist uns und ihnen aber damals schon bewusst geworden, dass wir alle Lust darauf hatten, diesen Ofen wieder aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Wir verabredeten uns für das Folgejahr. Im Juli 2023 war es soweit.
Wir rückten mit unseren Mehlresten aus der Backstube an und komplett ohne Ausstattung. Nur das, was vor 20 Jahren der Vater von Manfred verwendet hatte, sollte zum Einsatz kommen: eine Backmulde, ein paar Dielen (Holzbretter) und der Einschießer für den Ofen. Zugegeben, eine Waage und etwas Anstellgut hatten wir dabei. Das Rezept schrieben wir einen Tag zuvor im Hotelzimmer auf. Es sollte ein reines Sauerteigbrot werden aus unseren Resten von Dinkel- und Weizenvollkornmehl sowie Roggenschrot.
Am ersten Tag haben wir den Ofen langsam hochgeheizt, damit sich das rustikale Gewölbe und der recht unebene Boden nach 20 Jahren Kälte allmählich an die Hitze gewöhnen können. Außerdem würde der Holzofen dann für den Folgetag ausreichend Grundwärme speichern. Die Teigmenge haben wir auf etwa 80 Kilogramm geschätzt. Im Nachhinein hätten auch 100 Kilogramm Teig in den Ofen gepasst. Das Kuriose dabei: Direkt nebendran steht ein baugleicher Holzofen des Nachbarn. Bei Getreide und Brot hörte wohl auch vor 300 Jahren die Freundschaft oder das Vertrauen auf. Jeder macht seins. Immerhin die Wasserstelle in der Scheune neben einem der Öfen wurde sich geteilt. Den hineingeleiteten Bach konnte man nicht halbieren.
Wenn irgendwo ein Holzofen angeheizt wird, darf eine Person nicht fehlen: Roswitha Huber. Sie jagt schon seit rund 30 Jahren Holzbacköfen hinterher und hat mit ihrer Schule am Berg auf der Kalchkendlalm im österreichischen Rauris einen besonderen Lernort zum Thema Brot erschaffen. Wir haben sie eingeladen, gemeinsam mit uns das Brot zu backen.
Der Holzofen entraucht direkt in die Scheune, hat also keinen eigenen Schornstein. Die Holzbalkendecke ist rußschwarz und hängt voller Spinnweben und Aschepartikel, die sich in den vergangenen Jahrhunderten dort festgesetzt haben. Beim ersten Anheizen rauchte es aus jeder Ritze der Scheune. Die Feuerwehr wusste Bescheid, dass hier nur ein altes Handwerk zum Leben erweckt wird und keine Gefahr droht. Erstaunlich ist, dass die Scheune nie abgebrannt ist – dafür das Haupthaus gegenüber.
Am Abend in der Scheune zwei Sauerteige und ein Brühstück angesetzt, 12 Stunden später sollte es dann ans Teigmachen gehen. Mit sechs Händen mischten wir den Teig in der großen Molle zusammen. Da wir keine Gärkörbchen hatten, musste der Teig in der Stockgare sehr reif bis zur Volumenverdoppelung werden, damit er im Anschluss locker geformt und kurz danach abgebacken werden konnte. Das Rezept zum Brot gibt es hier auf Haushaltsbedingungen heruntergebrochen. Um die Restwärme zu nutzen, haben wir nebenbei noch Zopfteig von Hand geknetet und daraus neben Zöpfen auch Streuselkuchen für den Geburtstag unserer Gastgeberin gebacken.
Insgesamt 55 Dreipfünder landeten im Holzofen. Die alte Eisentür war umgeben von Löchern, die wir mit einem nassen Jutesack stopften. Tolle Brote sind es geworden! Unbekannter Ofen, unbekanntes Rezept, rudimentäre Bedingungen und trotzdem ein voller Erfolg. Die Nachbarn schnupperten und verkosteten. Die abendlichen Geburtstagsgäste von Birgitt bekamen frisches Brot. Manfred fuhr am nächsten Tag auf dem Weg zur Arbeit die restlichen Brote zu Bekannten im ganzen Tal aus.
Und wer weiß? vielleicht ist das Eis gebrochen und die beiden heizen den Ofen wieder häufiger an. Wenn nicht, kommen wir wieder … Und wenn doch, dann auch.
Christina Weiß und Lutz Geißler
Auf der Suche nach gutem Brot
Drei Wochen mit Klappfahrrad und Bahn durch Deutschland und zufällig aussteigen: Gibt es hier gutes Brot? Gefunden haben wir die Abgründe der deutschen Brotkultur. Und doch: Kleine Inseln guten Brotes gibt es!
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